"Wir wollen unsere Straße zurück"
In der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain kommt es seit dem 22. Juni regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Linksautonomen. Die Anwohner wollen endlich Ruhe und luden heute ihrerseits zu einem Pressegespräch. Kemal Hür war dabei.
"Dann soll der Herr Kandt kommen. Dann müssen wir es vor der Tür machen. Es ist nicht zu fassen."
Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram ist sichtlich genervt. Sie versucht, den Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt anzurufen, erreicht aber nur seine Mailbox, weil er im Urlaub ist. Vor dem Haus Rigaer Straße 94 in Friedrichshain stehen zwei Polizeiwagen, das Haus ist abgeriegelt. Vor dem benachbarten Haus wollen die Anwohner mit Medienvertretern über die Situation in ihrer Straße sprechen. Aber ein Polizist vor Ort verbietet die Pressekonferenz. Sie sei aus seiner Sicht eine nicht angemeldete Veranstaltung. Bayram erreicht nach mehreren langen Telefonaten mit der Polizeiführung, dass die Pressekonferenz doch stattfinden kann.
Die Abgeordnete ist Anwältin und selbst Anwohnerin. Sie empfindet die Polizeipräsenz in der Straße für die Anwohner und vor allem für Schulkinder als unerträglich.
"Wir haben die Situation gehabt, dass neunjährigen Schulkindern in die Schultasche geschaut wurde, dass 14-jährige Mädchen durchsucht wurden von der Polizei.
Jeder der hier irgendeine auffällige Bewegung macht, wie zum Beispiel seine Fahrradkette festmachen, wird untersucht, ob er auch einen Grillanzünder dabei hat. Es ist einfach nicht schön für die Anwohner. Und die meisten Anwohner haben's endlich dicke."
Für die Anwohner sprechen zwei Personen aus der unmittelbaren Nachbarschaft des polizei-bewachten Hauses. Ihr Pressegespräch haben sie unter das Motto gestellt: "Wir wollen unsere Straße zurück". Sie fordern Gespräche mit allen Beteiligten, damit in der Straße wieder Ruhe einkehrt, sagt Kerstin Neugebauer als Sprecherin.
Neugebauer: "Wir wollen, dass Gespräche anfangen"
"Wir wollen letztendlich einen Runden Tisch; wir wollen, dass Gespräche anfangen. Weil momentan ist ja ein Schmutzwerfen. Und dieses Schmutzwerfen muss aufhören. Es bringt gar nichts. Man muss jetzt in die Zukunft gucken. Und diese Zukunft sollte ein Miteinander werden und nicht ein 'die sind die Bösen, wir sind die Guten'."
Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller von der SPD und sein Innensenator von der CDU, Frank Henkel, erklärten gestern in ungewohnt kurzen Stellungnahmen, dass sie nicht gesprächsbereit seien. Müller hatte zuvor Gespräche nicht ausgeschlossen. Aber nach einer Demonstration von Linksautonomen, die am Wochenende gewalttätig endete, schwenkte er auf den harten Kurs seines Innensenators ein.
Henkel zeigt sich seit Beginn der Auseinandersetzungen in der Gegend um die Rigaer Straße vor drei Wochen unbeweglich. Seine Haltung sei eindeutig, betonte er gestern, nämlich:
"… dass ich keinen Grund sehe, für mich keinen Grund sehe und meine Linie auch klar bleibt, dass ich mit Straftätern und Gewalttätern, mit Linksautonomen nicht rede. Ich wüsste auch nicht, worüber."
Seit dem 22. Juni ist nichts mehr so, wie es war
Zum Beispiel darüber, dass die Anwohner zu ihrem gewohnten Alltag zurückkehren, sagt Kerstin Neugebauer. Denn seit der Teilräumung des Hauses Rigaer Str. 94 am 22. Juni sei nichts mehr so, wie es war. Gewalt würden die Anwohner genauso ablehnen wie der Senat und die Polizei auch. Eine Lösung sei nur möglich, wenn Politik, Polizei und Anwohner mit einander redeten, sagt Neugebauer.
"Wir sehen in Gewalt keine Lösung. Es gibt einen Gewalt- und Sensationstourismus seit die Straße seit dem 22. polizeibesetzt ist. Seitdem kommen Touristenhorden vorbei. Die gucken sich das an. Ich fühle mich manchmal wie im Zoo. Das finde ich traurig."
Neugebauer und ihre Mitstreiter werden auch von ihrer Bezirksbürgermeisterin, Monika Herrmann von den Grünen, unterstützt. Sie bietet sich als Gastgeberin des geforderten Runden Tisches an. Mehr Handhabe habe sie nicht, sagt sie resigniert und fordert den Senat auf, das Gesprächsangebot anzunehmen.