Aphra Behn: "Oroonoko"

Frühe literarische Kritik am Kolonialismus

06:25 Minuten
Cover des Romans "Oroonoko" von Aphra Behn.
© Unionsverlag

Aphra Behn

Aus dem Englischen von Susanne Althoetmar-Smarczyk und Susanne Höbel

OroonokoUnionsverlag, Zürich 2022

256 Seiten

24,00 Euro

Von Claudia Kramatschek · 05.02.2022
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Ein afrikanischer Prinz wird versklavt, verschleppt, verliert seine Freiheit und Liebe. Die englische Autorin Aphra Behn schrieb 1688 einen realistischen Roman und setzte damit ein frühes Zeichen gegen Kolonialismus.
Virginia Woolf setzte ihr ein Denkmal als Pionierin aller Schriftstellerinnen. Den männlichen Zeitgenossen war sie ein Dorn im Auge: Aphra Behn lebte als erste Frau in der englischsprachigen Literaturgeschichte vom Schreiben.
Behn kämpfte aber auch ihr Leben lang gegen Widerstände. Denn die 1640 geborene Schriftstellerin wagte Unerhörtes. Sie beanspruchte, was damals nur Männern vorbehalten war: Bildung, das Recht auf eine eigene Meinung und auf ein freies Leben als Frau und Künstlerin.

Aufwachsen in Surinam

Ihr Leben war abenteuerlich. Aus finanzieller Not verdingte sie sich zeitweilig sogar als Spionin im Dienst der englischen Krone. Als junges Mädchen zieht sie wiederum nach Surinam. Dort sollte ihr Vater als Gouverneur tätig sein, doch er stirbt auf der Überfahrt.
An Umkehr ist nicht zu denken. Bis ungefähr 1658 lebt Aphra mit der restlichen Familie in Surinam. Diesen Aufenthalt hält sie samt dessen eindringlichen Erfahrungen Jahre später in einem Roman fest, der Literaturgeschichte schreibt: 1688 erscheint „Oroonoko“. Benannt ist das Buch nach dem Namen des Prinzen, der im Mittelpunkt steht.

Umschlagplatz für Sklaven aus Afrika

Oroonokos Schicksal – und damit der Plot des Romans – ist schnell erzählt: Nicht nur wird er, der von so edlem Gemüt wie erlesenem Geist ist, durch eine Finte seines eigenen Großvaters seiner Geliebten Imoinda beraubt.
Er gerät zudem in die Sklaverei und wird von der Goldküste Afrikas, einem damaligen Umschlagplatz für Sklaven, nach Surinam verfrachtet. Dort begegnet er zwar unverhofft seiner Geliebten wieder. Doch Glück und Freiheit sind ihnen versagt.

Nach historischen Gegebenheiten

Behn hat daraus mit so plastischer wie direkter Sprache eine zu Herzen gehende Geschichte geschaffen. Sie betont aber gleich zu Anfang des Buchs, dass sie nichts als die Wahrheit erzähle. Noch war der realistische Roman nämlich nicht erfunden.
Ihre damaligen Skeptiker konnte das nicht befrieden. Im Gegenteil: Einer Frau wurde nicht zugetraut, zu erleben, was Behn mit eigenen Augen gesehen hatte.
Heutige Leserinnen und Leser dieses Romans, der wie das gesamte Werk Behns nun auch im deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wird, wissen: Auch wenn Oroonoko sicher mehr idealtypischer Held als realhistorische Figur ist, entsprechen die den Roman grundierenden soziopolitischen Gegebenheiten den Fakten.

Aktuelle Themen

Afrikanische Prinzen wurden von Sklavenhändlern ebenso entführt wie Pflanzer in Surinam auf Sklavenimporte aus Afrika angewiesen waren. Doch wirft die Lektüre nunmehr andere Fragen auf. Denn „Oroonoko“ führt aktuelle Themen wie Kolonialismuskritik und Geschlechtergerechtigkeit im Schlepptau.
Der vorliegenden, wohltuend nüchternen Übersetzung von „Oroonoko“ – Ende 2021 erschien im Aviva Verlag mit der zweibändigen Werkauswahl Aphra Behns eine Neuübersetzung des Romans – sind deshalb drei Essays beigefügt. Sie dokumentieren die sich ändernden Perspektiven auf den Roman und die Autorin von der Zeit Virginia Woolfs bis in die Gegenwart. Behn macht also noch immer zurecht von sich reden.

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