Apnoe-Taucherin Anna von Boetticher

"Das Licht der Tiefe ist phänomenal schön"

35:00 Minuten
Anna von BOETTICHER taucht im Tauchbecken der Boot 2018, Messe Boot 2018
Atemlos macht sie das: Die Apnoe-Taucherin Anna von Boetticher hat gelernt, den natürlichsten Instinkt des Menschen zu unterdrücken. © Imago / Malte Ossowski / Sven SImon
Moderation: Katrin Heise |
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Sie liebt es, an ihre Grenzen zu gehen: Anna von Boetticher taucht mit einem Atemzug so tief wie sonst keine andere Deutsche. Ihren Urlaub verbringt die ehemalige Buchhändlerin in und an eisigen dunklen Wasserlöchern.
Ihren gefährlichsten Tauchmoment hatte Anna von Boetticher als Kind im heimischen Schwimmbecken – ohne es zu wissen. Da hielt sie ihren Atem bis fast zur Besinnungslosigkeit an: "Tatsächlich bis zum Tunnelblick: das Gefährlichste, was ich gemacht habe in dem Sport, denn ich war allein."
Die Gefahr sei ihr damals nicht bewusst gewesen, aber "die Faszination, dass ich viel mehr kann als ich dachte, das hat mich damals schon gepackt".

"Ich bekomme keine Angst unter Wasser"

Heute gilt Anna von Boetticher als eine der erfolgreichsten Apnoe-Taucherinnen und weiß, wie wichtig ein verlässlicher Tauchpartner ist, der einem im Notfall zur Hilfe kommen kann – unabhängig von ihrem eigenen Notfallprogramm. "Ich habe durchaus schwierige Momente unter Wasser erlebt, aber ich bekomme nie Panik. Das ist für mich ganz wichtig: Ich bekomme keine Angst unter Wasser." Gibt es ein Problem, läuft das Notfallprogramm an: "Bei mir schaltet das Gehirn dann gleich auf: Alles klar, was muss ich tun?"
Ihr Talent und ihre Liebe zum Tauchen hat Anna Boetticher früh entdeckt. Sie holte schon als Kind beim Segelurlaub das vom Boot ins Meer gefallene Besteck der Familie aus 16 Metern Tiefe hervor. Nach dem frühen Training im elterlichen Garten folgten Tauchkurse, Wettbewerbe und diverse Rekorde. Mit Sauerstoffflasche taucht sie kaum noch – ihr reicht ihr eigener Atem. Etwa drei Minuten kann sie so unter Wasser bleiben, ohne körperliche Belastung auch über sechs Minuten.
"Das Licht der Tiefe ist phänomenal schön", sagt Anna von Boetticher.

Tauchgänge in Sinklöchern

Die Endvierzigerin ist regelmäßig Gast an Dean’s Blue Hole, einem gut 200 Meter tiefen Wasserloch in einer azurblauen Bucht auf den Bahamas, schreckt aber auch vor Tauchgängen in den eisigen Gewässern der Antarktis oder in düsteren mexikanischen Sinklöchern nicht zurück.
"Ich bin wahnsinnig neugierig und möchte immer etwas Neues entdecken. Vor allem liebe ich es, immer etwas Neues zu lernen. Anfänger sein ist einer der besten Zustände im Leben!"
Die Apnoe-Taucherin Anna von Boetticher, Portrait am Meer, im Taucheranzug
Die Apnoe-Taucherin Anna von Boetticher© privat
Diese Einstellung schlägt sich auch in ihren anderen Interessen nieder. Lesen ist ihre zweite große Leidenschaft. "Ich habe als Kind so sehr gelesen, dass in dem Moment in der ersten Klasse, als ich zum ersten Mal lesen durfte, meine Eltern die Glühbirne nachts rausschrauben mussten, damit ich überhaupt noch schlafe." Später studierte Anna von Boetticher Literatur- und Theaterwissenschaften, eine Zeitlang führte sie mit ihrer Mutter eine Buchhandlung.

Stressbewältigung unter Wasser

Heute arbeitet die gebürtige Bayerin neben ihren eigenen Tauchgängen mit den Kampftauchern der Bundeswehr, die unter teils schwierigsten Bedingungen – in großer Tiefe, bei völliger Dunkelheit - die Nerven behalten müssen. "Das Bedürfnis zu atmen ist wahrscheinlich der intensivste Instinkt, den der Mensch haben kann", sagt sie. Mit diesem Instinkt gelte es, sich auseinanderzusetzen:
"Wenn ich lerne, diesen Instinkt, der mir sagt 'wenn du jetzt nicht atmest, dann stirbst du jetzt gleich', zu bewältigen mit meiner mentalen Stärke, und trotzdem handlungsfähig zu bleiben und zu entscheiden, mich nicht von diesem Instinkt leiten zu lassen, dann habe ich vielleicht die Chance, dass ich in einem Problemfall unter Wasser nicht in Panik verfalle."
An ihren Erfahrungen unter Wasser können nun aber auch all jene teilhaben, die sich dabei nicht selbst nass machen wollen. Anna von Boettichers Buch "In die Tiefe: Wie ich meine Grenzen suchte und Chancen fand" ist gerade erschienen.
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