Götz Aly: "Legen Sie die Karten auf den Tisch"
Der Politologe und Historiker Götz Aly hat an die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe appelliert, ihr Schweigen zu beenden und über ihre Taten zu sprechen. Er erinnerte an Parallelen zu den NS-Verfahren der Nachkriegszeit und an die RAF-Prozesse.
Die Bundesanwaltschaft hatte im NSU-Prozess lebenslange Haft und eine anschließende Sicherungsverwahrung für die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe gefordert. Für jeden einzelnen Mord sei diese Strafe fällig, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer in seinem Plädoyer vor dem Münchner Oberlandesgericht. Der Bundesanwalt sieht eine besondere Schwere der Schuld bei Zschäpe. Wenn das Gericht seiner Forderung folgt, wäre eine vorzeitige Haftentlassung Zschäpes nach 15 Jahren ausgeschlossen.
Das schlechte Gewissen der Justiz
"Das ist ein Strafmaß, das es so in der Rechtsprechung der Bundesrepublik kaum je gegeben hat", sagte der Historiker und Politologe Götz Aly im Deutschlandfunk Kultur. Er zog dabei den Vergleich zu den NS-Prozessen der Nachkriegszeit, bei denen nur wenige Täter wegen sehr viel größerer Verbrechen überhaupt verurteilt worden seien. "Ich kann mich auch nicht erinnern an einen einzigen Prozess gegen die Terroristen der Roten Armee Fraktion, die das lebenslängliche (Urteil) in das wirklich lebenslängliche verlängert hätten." Es handele sich jetzt um einen besonders harten Antrag der Bundesanwaltschaft. Offenbar hätten Justiz und Ermittlungsbehörden ein schlechtes Gewissen, dass sie die NSU-Morde so lange nicht bemerkt hätten.
Verhalten wie die Nazi-Väter
Mit Blick auf die NS-Prozesse und die RAF-Verfahren sagte der Historiker, dass die Täter alle nicht darüber gesprochen hätten, was geschehen ist. "Wir wissen sowohl bei der NSU als auch bei der RAF im Grunde nichts", sagte Aly. "Diese Omerta, dieses Schweigegelübde, und auch bei den Nazi-Prozessen, das hält bis heute und ich finde das ekelhaft - auch im Fall der RAF, die verhalten sich wie ihre Nazi-Väter." Bis heute werde darauf geachtet, dass keiner ausschere. Er richtete deshalb einen Appell an Zschäpe: "Überlegen Sie sich bitte, ob Sie nicht irgendwann einmal die Karten auf den Tisch legen und sprechen über das, was da wirklich gewesen ist und diese Motive und wie Sie in diesen Sog der mörderischen Gewalt geraten sind." (gem)