Ein Szenario wie aus "Game of Thrones"
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Apple und der Videospiel-Produzent Epic streiten sich vor Gericht: Auf den ersten Blick geht es nur um die Aussperrung einer Spiele-App aus Apples Appstore. Doch dahinter steckt mehr.
Der IT-Konzern Apple und Epic Games, der Hersteller des Videospiel-Hits "Fortnite", streiten sich vor Gericht. Apple hatte das Spiel aus seinem App-Store verbannt, weil Epic ein eigenes Bezahlsystem an Apple vorbei installieren wollte. Zwar ist das Spiel an sich kostenlos, aber die Nutzer können es kostenpflichtig erweitern. Gegen die Apple-Entscheidung setzt sich Epic zur Wehr.
An diesem Streit lasse sich die Macht der Plattformen hervorragend illustrieren, sagt der Internet-Experte Michael Seemann: "Wir haben es eben nicht mit einer 'Robin Hood versus Sheriff von Nottingham'-Situation zu tun." Er spricht von einem Szenario wie "Game of Thrones": Zwei überaus mächtige Gegner kämpfen um die Macht. Der Ausgang des Streits könnte für die Netzkultur weitreichende Folgen haben.
App-Stores im Visier
Auch die US-Politik diskutiert darüber. Der US-Kongress zeige "bereits erste Initiativen, dort einzuschreiten", sagt Seemann, der mit "Die Macht der Plattformen" auch ein Buch zum Thema geschrieben hat. Unter anderem gehe es darum, die Anbieter per Gesetz dazu zu zwingen, auch andere App-Stores auf ihren Plattformen verfügar zu machen.
Seemann verdeutlicht, was App-Stores charakterisiert: "Der App-Store ist das, was die Ökonomen einen zweiseitigen Markt nennen: Wir haben auf der einen Seite die Programmierer, die die Apps programmieren. Auf der anderen Seite haben wir die Nutzer. Und diese beiden Gruppen kommen über den App-Store zueinander."
Lock-In-Effekt und Plattformmacht
Das hat Folgen: Der App-Store werde immer attraktiver, je mehr Leute ihn nutzen. Und für die Nutzer werde der App-Store immer attraktiver, je mehr Apps dort sind: Dies führe dazu, dass Nutzer und Anbieter, also "beide Gruppen sehr, sehr abhängig sind von dem App-Store, von Apple". Seemann betont, dass es hier einen "Lock-in-Effekt" gibt: Beide Gruppen kleben an diesem Markt.
Man spreche auch von proprietären Märkten, also von Märkten im Privatbesitz, hier von Apple. Diese Machtposition gestatte es dem Konzern, bei jeder Transaktion der App-Anbieter 30 Prozent zu kassieren. Apple begründe dies mit dem geleisteten Aufwand.
Seemann hält dies für "völligen Quatsch". Denn: Apple verdiene deutlich mehr, als Kosten anfallen. Der Spielehersteller Epic rücke diese Gebühr daher in die Nähe einer Umsatzsteuer. Apple werde dann wie ein Staat gesehen, der mehr oder weniger willkürlich Steuern erheben könne. In gewisser Hinsicht stimme dies, so Seemann.
Epic ist kein David
Seemann betont, dass auch Epic dank des Erfolgs von "Fortnite" ein wichtiger Player sei. "Epic Games hat mit 'Fortnite' wirklich das Spiel der letzten Jahre herausgebracht." Wahrscheinlich sei es das erfolgreichste Computerspiel, das es je gegeben habe.
Daher sei auch Apple in gewisser Hinsicht abhängig von "Fortnite": Das Spiel binde vor allem die junge Generation und damit eine äußerst attraktive Zielgruppe an die Plattform.
"Junge Leute sind für ein Unternehmen wahnsinnig wichtig, weil sie natürlich auch in Zukunft noch Kunden und Kundinnen haben wollen. Das macht es für Apple wiederum sehr, sehr schwer, 'Fortnite' jetzt einfach runterzuschmeißen."
Apple habe sich dennoch zu diesem Schritt entschlossen - auch wenn sich der Konzern damit ins eigene Fleisch schneide: "Warum tun Sie das? Weil Epic nicht einfach nur die 30 Prozent nicht mehr zahlen wollte, sondern weil sie dort einen eigenen Store aufmachen wollten", sagt Seemann. "Sie wollten einen eigenen App-Store, in ihrer eigenen App sozusagen: eine Plattform schaffen auf der Plattform - davor haben alle Plattformen Angst."
Den damit verlieren die großen Konzerne die Kontrolle über dieses Abhängigkeitsverhältnis. Apple verliere jegliche Kontrolle über das Geschehen.
Vom Game zum Metaverse
Eine weitere Idee betreffe den gesamten Zugang ins Internet oder wie wir uns darin bewegen – und wie wir diesen ändern. "Das heißt dann Metaverse, die Idee, dass man über 'Fortnite' zum Beispiel einen ganz anderen digitalen Zugang hat, sich in der virtuellen Welt bewegt, in der dann all das stattfindet, was wir jetzt gerade im Internet tun", erklärt Seemann diese schon angedachte Weiterentwicklung des Netzes.
Eine fantastische Vorstellung, meint der Medienwissenschaftler. Doch drohe auch hier die Gefahr eines geschlossenen Systems: Hier warte womöglich das nächste Unternehmen, dass "sich überlegt, wie es alle zu sich und in diesen Zugang zum Internet ziehen kann."
(mfu)