Arabischer Booker-Preis

Schreiben gegen die Angst

Ein vom tunesischen Innenministerium herausgegebenes Foto, dass Bewaffnete am 18. März 2015 im Bardo Museum in Tunis zeigt. Während der IS-Attacke wurden 25 Menschen getötet, darunter 20 ausländische Touristen.
Der Tunesier Shukri Mabkhout hat Angst vor politischem Islamismus - hier eine wackelige Aufnahmen von dem IS-Angriff auf das Bardo Museum 2015 in Tunis. © picture alliance / dpa / Tunisan Interior Ministry / Hand
Von Anne Françoise Weber |
Mit der Kür des Tunesiers Shukri Mabkhout als Gewinner des Internationalen Preises für arabische Belletristik hat die Jury ihre Unabhängigkeit bewiesen. Denn die Politik verhindert die Auslieferung seines Roman "Der Italiener" in Abu Dhabis Buchläden.
Der diesjährige Gewinner des arabischen Booker Preises, Shukri Mabkhout ist kein Neuling im Literaturgeschäft, und doch ist "Der Italiener" sein erster Roman. Denn bisher hatte sich der bekannte tunesische Intellektuelle als Literaturkritiker, Professor und Präsident der Universität La Manouba hervorgetan. Doch die Revolution im Januar 2011, die zum Sturz von Tunesiens Präsident Ben Ali führte, brachte den 53-Jährigen zum Romanschreiben – anders als viele andere arabische Schriftsteller, die angesichts der sich überstürzenden Ereignisse keine Muße zum Schreiben fanden:
"Es hat mich nicht gehemmt, sondern tatsächlich inspiriert, weil ich wie alle Tunesier Angst hatte vor diesem politischen Islamismus und vor den Leuten, die versucht haben, die Gesellschaft zu verändern. Das hat mich dazu gebracht, verstehen zu wollen, warum die Linke oder die Modernisten es nicht geschafft haben, diese tunesische Revolution zu führen."
Um das zu erklären, geht Mabkhout zurück zu einem anderen politischen Umbruch, dem Zeitpunkt, als 1987 Ben Ali den greisen Präsidenten Habib Bourguiba ablöste – denn damals gab es Mabkhout zufolge ähnliche Ängste, Veränderungen und Konflikte wie 2011. Der Roman verfolgt das politische Engagement und die Liebesabenteuer eines Studenten, Abdel Nasser, wegen seines guten Aussehens "der Italiener" genannt. Er verkörpert eine Generation auf der Suche nach Freiheit – das alles in einer Sprache, die Jurymitglied Parween Habib aus Bahrein, selbst Dichterin, überzeugt hat:
"Choukri Mabkhout geht sehr gut mit den Worten um. Ähnlich wie Paul Auster zeigt er in diesem Buch, wie Schriftsteller arbeiten sollten. Er ist sehr klug und verdient den Preis."
Roman als Download verfügbar
Mabkhouts Buch hat schon viele Leser gefesselt und nach Angaben des Autors sogar zu Ehestreit geführt, welcher der Partner denn zuerst weiterlesen dürfe. Selbst frankophone Tunesier hat er dazu gebracht, mal wieder einen Roman auf arabisch zu lesen. Doch Mabkhout hat nicht nur für seine Landsleute geschrieben:
"Kein arabischer Schriftsteller kann sich nur auf sein Land beschränken, denn es gibt 300 Millionen potentielle Leser in der arabischen Welt, da werde ich nicht nur die 11 Millionen Tunesier suchen. Dieser angesehene Preis ermöglicht außerdem die Übersetzung in andere Sprachen. Schon davor war die spanische Übersetzung im Gange, die französische ist in Vorbereitung. Der Preis wird vor allem die englische Übersetzung als positiven Effekt für mich und für den Roman bringen."
Die Verbreitung ist allerdings zumindest in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorerst problematisch: Zwar wird das Buch auf der Buchmesse in Abu Dhabi verfügbar sein, in die einheimischen Buchläden soll es seinen Weg allerdings Presseberichten zufolge aus Zensurgründen vorerst nicht finden. Der Autor kennt die genauen Gründe nicht:
"Sollte es eine Zensur geben, dann liegt jedenfalls nichts Offizielles vor. Aber der Vertrieb hat anscheinend Anweisungen bekommen, diesen Roman nicht zu verbreiten. Das ist dumm, denn den Roman gibt es schon zum Herunterladen im Internet. Aber ich bin zufrieden, dieser kritische Punkt der Zensur macht Werbung für mein Buch."
Verlockendes Preisgeld
Von Literaturkritikern war zu hören, dass die Auszeichnung für den "Italiener" umso erfreulicher sei, schließlich zeuge das von der Unabhängigkeit der fünfköpfigen Jury von den emiratischen Geldgebern. Dass sich die Jury wirklich voll und ganz auf eine Auswahl unter den eingereichten Romanen beschränkt und Faktoren wie Alter, Nationalität, Geschlecht oder Bekanntheit der Autoren und Autorinnen in keinster Weise berücksichtigt, betonte der Juryvorsitzende Mourid Barghrouti ausdrücklich. Der hochdotierte Preis – 10.000 Dollar bekommt jeder Finalist, zusätzlich 50.000 Dollar der Gewinner –, scheint für manche Verleger ein hoher Anreiz zu sein, wie Barghouti andeutete:
"Eine Minderheit hat einen Verlag nur für den Preis eingerichtet. Wenn sie ihn nicht bekommen, schließen sie einfach und man hört nie wieder von Ihnen. Ich kann nicht sagen, dass das die Norm ist, aber wie bei jeder Geldquelle versuchen manche einfach ihr Glück. Ich wollte das nur anmerken, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Denn in diesem Jahr hatten wir 180 Romane zur Auswahl. Wenn es in diesem Rhythmus weitergeht, hat die Jury in 2,3 Jahren 360 Romane zu diskutieren – das ist menschlich unmöglich."
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