Die Bühne als Ort der Zuflucht
Zum inzwischen dritten Mal treffen sich Schauspieler und Regisseure aus Nordafrika und dem Nahen Osten zu einem Theaterfestival in Hannover. Bei dem Arabischen Theatertreffen werden sieben europäische Erstaufführungen unter anderem aus Marokko, Tunesien und dem Libanon gezeigt.
Nana Brink: Kann das Theater den Krisen, die wir in den vergangenen Jahren in aller Welt, die wir beobachten mussten, etwas entgegensetzen und einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Menschen leisten? So schreiben die Initiatoren des Arabischen Theatertreffens im Pavillon in Hannover, und sie haben auch eine Antwort: In unseren Träumen schon, aber wir lassen sie Realität werden. Schon zum dritten Mal findet es statt. Mariam Soufi-Siavash ist Mitglied des dreiköpfigen künstlerischen Leitungsteams des Arabischen Theatertreffens. Einen guten Morgen, ich grüße Sie!
Mariam Soufi-Siavash: Guten Morgen, Frau Brink! Danke für das Interesse!
Brink: Ja, sehr gern. Was ist denn Ihr Traum? Darauf möchte ich doch noch mal zurückkommen, den Sie sich da jetzt erfüllt haben mit diesem Theatertreffen?
Soufi-Siavash: Es ist immer wieder ein Traum, dann zu realisieren oder realisiert zu bekommen, woran wir zwei Jahre lang meistens arbeiten. Also das ist ja ein unheimlich großer Vorlauf, den wir da haben, von den Sichtungen, von den Gruppen, also dass wir uns die Stücke angucken. Wir haben tatsächlich nicht alle aus dem künstlerischen Leitungsteam jedes Stück gesehen, aber doch immer eine Person mindestens eine Inszenierung gesehen.
Fast alle Schauspieler haben Visa bekommen
Das ist sozusagen der erste Ausgangspunkt. Und das zieht sich ja unheimlich. Wenn man bedenkt, wir stellen Anträge, wir überzeugen Personen, sich mit uns am Festival oder am Theatertreffen zu beteiligen. Und dann bis hin zu der unheimlich schwierigen Aufgabe, überhaupt Visa für die Kollegen aus den arabischsprachigen Ländern zu bekommen.
Also, das ist eigentlich der Knackpunkt kurz vor dem Theatertreffen jedes Mal gewesen. Und wir sind dieses Jahr total glücklich, weil wir bis auf vier Personen tatsächlich für alle Personen auch die Visa kriegen konnten. Das ist so rein technisch der Traum, den wir uns realisieren in Hannover.
Brink: Ich wollte mir das gerade vorstellen, weil ich bin mal so durch das Programm gegangen, sehe aus Tunesien, aber auch aus Syrien – sind Sie da hingefahren? Wie haben Sie die gefunden?
Soufi-Siavash: In Syrien waren wir tatsächlich nicht, aber hingegen in Tunesien, Marokko, auf Festivals. Wir sichten ganz viel auf Festivals, wo dann aus den arabischsprachigen Ländern selbst einfach viele Inszenierungen zu sehen sind. Das ist meist das, sage ich mal, Pragmatischste, und das Stück aus Syrien, das auch bei unserem Eröffnungsabend gezeigt wird, vom Kun-Theater, das haben meine beiden Kolleginnen vor zwei Jahren gesehen, und die waren auf einem Festival, ich meine, in Tunis war es zu der Zeit, und haben eben diese Inszenierung gesehen und gesagt, das wollen wir eigentlich direkt als Eröffnung zu unserem nächsten Theatertreffen haben.
Brink: Wie haben die Künstler reagiert, als Sie ihnen das vorgeschlagen haben, nach Deutschland zu kommen?
Soufi-Siavash: Die freuen sich natürlich sehr. Das merkt man schon, das ist auch immer erst mal gar nicht meine Erwartung, aber was wir immer auch wieder gespiegelt kriegen, dass es für sie schon auch ein Renommee ist, nach Deutschland oder auch Europa eingeladen zu werden, was dann auch vielleicht förderlich ist für ihre eigene künstlerische Karriere weiterhin.
Theater jenseits von Zwängen
Sie nehmen das aber auch als tolle Möglichkeit wahr. Das lässt man sich ja fast gar nicht selbst immer träumen, aber dass sie sagen, ja, wir können uns eigentlich frei in Hannover mit unserer Kunst äußern. Wir können mit den Kollegen aus den anderen arabischsprachigen Ländern uns über unsere Kunst verständigen, wir können die frei zeigen. Denn ansonsten gibt es oftmals bei den Festivals im arabischsprachigen Raum eben durch die Finanzierung oder durch die politische Atmosphäre, in der das Festival stattfindet, jeweils bestimmte Zwänge, die nicht ganz so frei sind.
Brink: Da würde ich gern einhaken. Ist das denn auch, was Sie mit dem Titel, den Sie sich ja gegeben haben für das Festival, meinen, nämlich Zuflucht?
Soufi-Siavash: Ja, auf der einen Seite. Wir sagen auf der einen Seite, es steht eben nicht nur allein für die Situation der Geflüchteten in Europa zu der heutigen Situation, sondern ganz klar auch als Zuflucht im Theater, also eigentlich als Ausgangssituation für die Diskussion für die Künstlerinnen, dass das Theater eigentlich so ein Zufluchtsort sein kann oder werden kann.
Brink: Genau. Apropos Zuflucht und auch Reaktionen: Gibt es ein großes Thema bei den Produktionen, oder sind es viele Themen?
Soufi-Siavash: Das sind viele Themen. Es sind viele unterschiedliche Themen, aber man merkt schon, dass es immer auch eigentlich eine Auseinandersetzung noch mit postrevolutionären Themen sind, also der Krieg wird oft verhandelt, die Lebenssituation der Menschen in den arabischsprachigen Ländern oder in den jeweiligen Ländern. Also es ist sehr unterschiedlich, aber doch tatsächlich mit Zuspitzung eigentlich auf die Auswirkungen der arabischen Revolution.
Brink: Wenn ich jetzt als Zuschauer hinkommen möchte in den Pavillon nach Hannover, dann werden ja die meisten Stücke in einer Sprache sein, die ich wahrscheinlich nicht verstehe. Wie bekomme ich da Zugang?
Soufi-Siavash: Wir übertiteln jedes Stück, und es gibt aber auf jeden Fall beim Eröffnungsstück zum Beispiel relativ wenig Worte, und ansonsten auch eine Inszenierung, die ganz ohne Worte auskommt.
Und ich sage immer, man muss gar nicht immer alles auch lesen – man kann natürlich immer alles lesen in der Übertitelung, dazu bieten wir die Möglichkeit, aber es ist auch einfach schön, sich mal zurückzulehnen und die Bilder auf sich wirken zu lassen. Und oftmals versteht man den Sinn, den Inhalt, die Atmosphäre, die Gefühlsausdrücke ja auch ohne die Sprache. Dafür ist Theater ja total gut.
Brink: Sie haben ja schon mehrfach Erfahrung, zum dritten Mal findet das statt. Wie ist so die Resonanz auch in Hannover, also beim deutschsprachigen Publikum?
Auch das deutschsprachige Publikum ist interessiert
Soufi-Siavash: Die sind also sehr interessiert, weil sie sagen, ja, wir kriegen noch mal andere Bilder abseits dessen, was eigentlich ansonsten für Bilder in den Medien beispielsweise transportiert werden, also Bilder über die Länder, aus denen die Theatergruppen kommen. Und es gibt eben aber auch über unser Rahmenprogramm relativ gute Möglichkeiten, mit den Künstlern in Kontakt zu kommen, und das nimmt das meiste Publikum als sehr bereichernd wahr.
Und darüber hinaus haben wir eben auch relativ viel arabischsprachiges Publikum, das sagt, endlich können wir noch mal künstlerische Eindrücke aus unseren Ländern oder aber auch aus den Ländern unserer Eltern beispielsweise mitnehmen.
Brink: Aus Syrien oder aus Tunesien, aus Marokko, all die Produktionen, die eingeladen sind. Vielen herzlichen Dank, Marion Soufi-Siavash, Mitglied des dreiköpfigen künstlerischen Leitungsteams des Arabischen Theatertreffens, das beginnt heute in Hannover im Pavillon und dauert noch bis zum 24. Januar. Vielen Dank für Ihre Zeit!
Soufi-Siavash: Danke an Sie für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.