Arabistin Angelika Neuwirth

Warum lässt Sie der Koran nicht mehr los?

Die Arabistin Angelika Neuwirth zu Gast im Studio vom Deutschlandradio Kultur
Die Arabistin Angelika Neuwirth zu Gast im Studio vom Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio-Maurice Wojach
Angelika Neuwirth im Gespräch mit Katrin Heise |
In Jerusalem zu leben, ohne sich für Religion zu interessieren – das sei eine Strafe, sagt Angelika Neuwirth. Glücklicherweise war das für die heute 72-Jährige, die selbst lange in Jerusalem gelebt hat, kein Problem: Angelika Neuwirth gilt als führende deutschsprachige Koran-Forscherin und untersucht auch jüdische und christliche Einflüsse auf den heiligen Text der Muslime.
Der Weg von der Weser in die islamische Welt begann für Angelika Neuwirth mit einem Au-Pair-Jahr, das sie nach dem Abitur Anfang der 60er-Jahre in Teheran verbrachte. Später hat sie arabische Literatur in Jordanien erforscht, in Libanon, Israel und der Türkei. Als Leiterin des Forschungsprojekts "Corpus Coranicum" arbeitet die Arabistin nun an einer historisch-kritischen Dokumentation des Koran.
Ihr selbst ist wichtig, dass Zitate aus dem Koran immer in den Kontext eingebettet werden und die Entstehungszeit berücksichtigt wird. Heute würden oft einzelne Verse "herausgezupft", so Neuwirth: "Man muss den Geist des Koran erkunden, bevor man an einem bestimmten Vers halt macht und den als Beleg für etwas pressen will." Doch genau das täten Salafisten wie auch "Islam-Hyperkritiker".
So stehe zum Verhältnis zwischen Mann und Frau vor allem dies im Koran: dass sie vor Gott gleichrangig seien. Das sei im Christentum und im Judentum nicht selbstverständlich gewesen. Der Koran beinhalte zwar auch die Erlaubnis, dass ein Mann seine Frau nach mehreren Ermahnungen schlagen dürfe. Aber: "Die Stoßrichtung war ganz entschieden eine Eingrenzung - eine Minimalisierung der männlichen Willkür. Heute würde man das übersetzen in: null Willkür".
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