Entwicklungspolitik
Die Entwicklung der Industrieländer fußt auch auf kolonialer Ausbeutung, kritisiert der Politologe Aram Ziai. © imago / photothek / Ute Grabowsky
Wider den gut gemeinten Paternalismus
25:30 Minuten
Wenn alle so viel Ressourcen verbrauchen würden wie die Industrieländer, wäre der Planet in Windeseile ruiniert, sagt der Politologe Aram Ziai. Warum halten wir dennoch an der Überzeugung fest, wir wüssten am besten, wie der Rest der Welt zu leben hat?
40 Prozent der Armen der Welt leben in 46 Ländern, den sogenannten Least Developed Countries. Die meisten dieser Länder liegen in Afrika, aber auch der Jemen oder Afghanistan gehören dazu. Mit diesen Ländern und der Frage, wie man sie entwickeln kann, beschäftigt sich vom vom 23. - 27. Januar eine UN-Konferenz in Doha.
Allerdings ist der Begriff der Entwicklung inzwischen in die Kritik geraten: „Wer ist eigentlich berechtigt, zu definieren, was Entwicklung ist und wie Entwicklung auszusehen hat?“, fragt etwa Aram Ziai, Professor für Entwicklungspolitik und postkoloniale Studien an der Universität Kassel.
"Dann ist der Planet in Windeseile ruiniert"
Als Maßstab für "Entwicklung" gälten nach wie vor die die Länder des globalen Nordens, kritisiert Ziai: „Es ist eine klammheimliche Gleichsetzung einer positiven gesellschaftlichen Veränderung mit den Veränderungen, die in den sogenannten entwickelten Industrienationen in den letzten Jahrhunderten passiert sind.“
Doch wie realistisch ist das angesichts des Klimawandels? „Die sogenannten entwickelten Länder haben einen Ressourcenverbrauch, der nicht verallgemeinerbar ist“, unterstreicht Ziai. „Wenn alle sich an diesem Vorbild orientieren, ist der Planet in Windeseile ruiniert.“
Auch blendet eine Orientierung am Entwicklungsbegriff der Industrieländer aus, dass in diesem Prozess der „massive Ressourcentransfer von mehreren Jahrhunderten Kolonialismus natürlich eine ganz wichtige Rolle gespielt" hat, wie der Politologe betont.
Eine Festschreibung der kolonialen Hierarchie
Wenn eine Entwicklung nach dem Vorbild des Nordens gar nicht für alle möglich ist, aber man trotzdem an dieser Vorstellung festhält, macht das den Entwicklungsbegriff für Ziai zu einem Machtinstrument, mit dem eine in kolonialer Tradition stehende Hierarchie aufrechterhalten werden kann:
„Denn er impliziert, es gibt eine universelle Skala, auf der eine gute Gesellschaft gemessen werden kann. Wir definieren quasi, wie diese Skala auszusehen hat und verorten uns an der Spitze dieser Skala und sind dementsprechend in der Lage, anderen zu sagen: Wir wissen, was ihr tun müsst, um eure Gesellschaft zu verbessern."
Ein solcher Paternalismus negiere aber die Selbstbestimmung der anderen: "Und das ist letzten Endes genau das Denken, was wir aus dem Kolonialismus kennen. Es ist quasi die Fortführung der Zivilisierungsmission.“
(uko)