Friedrich kritisiert EU-Bericht zur Armutswanderung
Die künftige volle Freizügigkeit für Bürger aus Bulgarien und Rumänien ab dem 1. Januar sorgt für Kontroversen in Brüssel. Heute duellierten sich verbal die EU-Kommissarin Reding und Bundesinnenminister Friedrich.
Der Ton wird rauer zwischen den Verteidigern der Arbeitnehmer-Freizügigkeit für alle innerhalb der EU, die wie EU-Kommissarin Reding dieses als Grundrecht und Grundprinzip des gemeinsamen Marktes verteidigen auf der einen Seite:
"Free movement is a fundamental pillar of the single market."
Auf der anderen Seite sind diejenigen, die glauben, diese Freizügigkeit einschränken zu müssen, damit sie nicht missbraucht und damit die Akzeptanz des Prinzips der Freizügigkeit innerhalb der EU nicht gefährdet wird. Zu denen gehört Bundesinnenminister Friedrich, der am Morgen in Brüssel angekündigte, sich mit anderen, gleichgesinnten EU-Ländern zusammenzutun, um notfalls an Brüssel vorbei aktiv gegen das vorzugehen, was er "Armutstourismus" nennt:
"Da werden all die Länder beteiligt sein, die auch der Auffassung sind, dass dort was passieren muss, und zwar mehr als das, was die Kommission vorschlägt, irgendwelche Diskussionsveranstaltungen oder irgendwelche Booklets zu entwerfen, das reicht nicht."
Die Booklets und die Diskussionen, die Friedrich anspricht, stammen aus einem Papier der EU-Kommission, das diese heute den Minister vorgelegt hat. Sie reagiert damit auf einen Brief, den vier Innenminister vor einigen Monaten geschrieben haben – neben dem deutschen der österreichische, der niederländische und der britische –, in dem sie die Kommission aufgefordert hatten, das Thema Sozialhilfe-Tourismus oder Armutswanderung endlich ernst zu nehmen. Schon jetzt seien einige Kommunen und Gemeinden davon erheblich belastet. Mit der anstehenden vollen Freizügigkeit für Bürger aus Bulgarien und Rumänien ab 1.Januar würden die Probleme zunehmen.
Die EU-Kommission hat darauf reagiert mit diesem Bericht, in dem sie fünf Vorschläge macht, was aus ihrer Sicht getan werden kann, um die Arbeitnehmer-Freizügigkeit zu wahren und gleichzeitig vor Missbrauch zu schützen:
"1. Ein Handbuch, wie man gegen Scheinehen vorgehen kann. 2. Ein praktischer Führer, wie sich der Hauptwohnsitz von jemandem feststellen lässt, um zu sehen, ob ein arbeitsloser EU-Bürger in einem anderen EU-Land Recht auf Sozialleistungen hat. 3. In den EU-Ländern aufklären über die Möglichkeiten, Gelder aus den EU-Sozialfonds für soziale Integration einzusetzen. 4. Austausch über richtungsweisende Ansätze in den EU-Ländern verstärken. 5. Ein Online-Trainings-Modul zur Unterstützung von Verwaltungspersonal in den Kommunen, um die Gesetze zur Freizügigkeit richtig anzuwenden."
Erläuterte ein Sprecher der EU-Kommission.
Friedrich: "Wir sind mit diesem Bericht nicht zufrieden. Er reicht nicht aus, um die Probleme zu lösen. Zumindest erkennt er schon mal an, dass wir uns gemeinsam gegen den Missbrauch der Freizügigkeit wehren können. Auch mit Wiedereinreisesperren."
Reding: "Es gibt eine Menge, was auf nationaler Ebene getan werden kann, um Sozialhilfe-Tourismus zu begegnen."
Die EU-Länder hätten es aus Sicht von EU-Kommissarin Reding nicht nur selbst in der Hand, gegen Sozialhilfetourismus vorzugehen. Sie würden das Problem zudem hochspielen:
"Fast nichts der sozialen Leistung geht an EU-Bürger aus anderen Ländern. Der Großteil aller Leistungen geht jeweils an Bürger aus dem eigenen Land."
Den Bundesinnenminister beeindrucken entsprechende Zahlen nicht. Er erwartet von der EU-Kommission mehr als Statistiken:
"Was fehlt, ist eine Rechtsklarheit, die wir von diesem Bericht erhofft haben. Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis."