Arbeitsbedingungen beim Film
Ein Tarifvertrag mit Netflix soll die Arbeitsbedingungen von Filmcrews verbessern. Doch vom Bundesverband Regie kommt Kritik. © imago images / Arnulf Hettrich
Es ist nicht alles Gold, was streamt
13:05 Minuten
Die schillernde Welt des Films hat eine Kehrseite: die Arbeitsbedingungen. In den USA klagen Visual-Effekt-Künstler über Ausbeutung. In Deutschland wurde dagegen erstmals ein Tarifvertrag mit Netflix geschossen. Doch daran gibt es Kritik.
Im Kino oder zu Hause – Filme sind eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Doch die Menschen, die in der Branche ihr Geld verdienen, profitieren nicht immer vom Gewinn, der mit ihrer Arbeit erwirtschaftet wird.
Ein Beispiel aus den USA sind die Kreativen, die für visuelle Effekte in vielen Filmen sorgen. Einige von ihnen beschweren sich im Internet über ausbeuterische Arbeitsbedingungen. So gebe es viele Überstunden, kurze Abgabefristen und viel Druck, wie es in dem Forum Reddit heißt.
Visuelle Effekte auf den Rücken der Kreativen
In den Vereinigten Staaten ist es so, dass große Studios wie Marvel oder Disney kleine Unternehmen für VFX – also visuelle Effekte – engagieren. Den Zuschlag dafür erhält meist, wer am günstigsten ist. Doch der ausgemachte Festpreis kommt an seine Grenzen, wenn kurzfristige Änderungen verlangt werden – was immer wieder vorkommt und wodurch bereits Firmen insolvent gingen.
Dieser Druck werde an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weitergegeben, berichtet aus Los Angeles Katharina Wilhelm. Als Problem kommt hinzu, dass viele VFX-Künstler freischaffend sind und sich von Auftrag zu Auftrag hangeln. Außerdem gibt es keine gewerkschaftliche Vertretung – anders als in vielen Gewerken Hollywoods, wo es eine Organisierung der Beschäftigten und teils eine hohe Streikbereitschaft gibt.
In der recht neuen Sparte der visuellen Effekte haben sich die Gewerkschaften aber noch nicht richtig etabliert. „Das würde normalerweise helfen“, ist Wilhelm überzeugt. Das könnte auch die Übermacht der großen Studios einschränken. Denn diese profitieren davon, die Preise zu drücken und kurzfristige Änderungen zu verlangen.
Erstmals Tarifvertrag mit Netflix
In Deutschland gab es dagegen im Juli die Meldung, dass Verdi mit Netflix einen Tarifvertrag über Mindestgagen für deutsche Serienproduktionen abgeschlossen hat. Die Gewerkschaft zeigt sich deswegen optimistisch, mit dem Streamingdienst „eine sich wirklich entwickelnde Sozialpartnerschaft zu bauen“, so Matthias von Fintel, Leiter des Bereichs Medien, Journalismus und Film bei Verdi.
Doch es gibt auch Kritik. Der Bundesverband Regie (BVR) fühlt sich hintergangen, weil Verdi auch für die Regisseure mitverhandelt hat. „Was Netflix da auf den Tisch gelegt hat, ist substanziell zu wenig“, sagt Jobst Oetzmann vom BVR-Vorstand. Durch den nun – in den Augen des BVR zum Nachteil der Regisseure – ausgehandelten Tarifvertrag profitiere hauptsächlich Netflix, „weil sie das Niveau sehr weit absenken hier in Deutschland“, ist Oetzmann überzeugt.
Bei Verdi will man dies nicht gelten lassen. Schließlich sei man „für alle Filmschaffenden - vom Produktionsfahrer bis hin zum Regiegewerk – mit Netflix zu einer Vereinbarung gekommen, die Tariftreue, Gagenzuschläge für die Mindestvergütung vorsieht und auch zum ersten Mal Mindestvergütung für Regisseurinnen und Regisseure“, unterstreicht von Fintel. Er weist zudem darauf hin, dass der BVR mit seinen Verhandlungen gescheitert war und daher nicht zu einem Abschluss kam.
Arbeitsbedingungen gestalten
Netflix dürfte mit dem Tarifvertrag ganz zufrieden sein, findet auch Regisseur Christian Schwochow. Damit werde der im Vergleich mit anderen europäischen Ländern niedrige Standard in Deutschland weiter festgeschrieben. Hierzulande seien viele Produktionen unterfinanziert und würden auf den Rücken der Beschäftigten gemacht, fasst Schwochow das Problem zusammen.
Doch wie man das Ergebnis des Tarifvertrags von Verdi auch bewertet, es zeigt, dass durch gewerkschaftliche Organisierung die Arbeitsbedingungen in der Film- und Streaming-Branche mitgestaltet werden können. In Hollywood ist das seit Jahren auch so, wie 2007 der Streik der Drehbuchautoren zeigte. Bei jungen Gewerken wie den visuellen Effekten fehlt dies bislang. Dass es den Bedarf gibt, wird in den Unmutsäußerungen der VFX-Beschäftigten deutlich.
(rzr)