Mehr Freizeit statt mehr Geld
07:10 Minuten
Immer mehr Menschen hinterfragen die Bedeutung von Arbeit in ihrem Leben und die Höhe des Gehalts. Zeit für Familie und für Freunde wird dabei immer wichtiger. Die Metallbranche zeigt, wie vielleicht die zukünftige Arbeitswelt aussehen könnte.
"Ich bin der Mike Schmelich, 43 Jahre, komme aus Sachsen, verheiratet, zwei Töchter, ich bin Wochenend-Pendler und seit 20 Jahren arbeite ich hier im BMW-Motorradwerk."
Mike Schmelich beugt sich über das Motorrad, das sich auf dem Band im Schneckentempo nähert, setzt den Akkuschrauber dreimal an, dann ist die Tankverkleidung befestigt. Er geht zur nächsten Maschine, setzt wieder den Schrauber an. Montage im Minutentakt.
Mike Schmelich macht die Arbeit Spaß, der Lohn ist auch ok, sagt er. Das einzige, was ihm fehlt, sei Zeit. Zeit, die er mit seiner Familie verbringen kann. Die lebt nämlich im sächsischen Weißwasser, drei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt. Mike Schmelich musste daher nicht lange überlegen, als ihn der Arbeitgeber nach der letzten Tarifrunde fragte, ob er mehr Geld oder mehr Urlaub haben möchte.
"Ich habe mich natürlich für mehr Freizeit entschieden. Weil ich ja gern bei meiner Familie bin und die Zeit mit meinen Töchtern und meiner lieben Frau verbringen möchte und deshalb hat sich das gut ergeben, aus dem T-Zug die acht Tage zu erhalten."
Mehr Geld oder mehr Freizeit, viele Beschäftigte in der Metallindustrie können wählen. Das haben Arbeitgeber und Gewerkschaften in der letzten Tarifrunde so vereinbart. Und überraschend viele Metaller haben sich für mehr Freizeit entschieden, sagt IG Metall-Chef Jörg Hofmann:
"Wir waren selber sehr überrascht, wie groß der Zuspruch ist, etwa im Schichtbereich mit 70, 80 Prozent derer, die den Anspruch haben. Und nach unseren neuesten Zahlen deutlich über eine Viertelmillionen Menschen, die sich entschieden haben, ich wähle die freie Zeit statt einen zusätzlichen Entgeltbaustein."
Mike Schmelich beugt sich über das Motorrad, das sich auf dem Band im Schneckentempo nähert, setzt den Akkuschrauber dreimal an, dann ist die Tankverkleidung befestigt. Er geht zur nächsten Maschine, setzt wieder den Schrauber an. Montage im Minutentakt.
Mike Schmelich macht die Arbeit Spaß, der Lohn ist auch ok, sagt er. Das einzige, was ihm fehlt, sei Zeit. Zeit, die er mit seiner Familie verbringen kann. Die lebt nämlich im sächsischen Weißwasser, drei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt. Mike Schmelich musste daher nicht lange überlegen, als ihn der Arbeitgeber nach der letzten Tarifrunde fragte, ob er mehr Geld oder mehr Urlaub haben möchte.
"Ich habe mich natürlich für mehr Freizeit entschieden. Weil ich ja gern bei meiner Familie bin und die Zeit mit meinen Töchtern und meiner lieben Frau verbringen möchte und deshalb hat sich das gut ergeben, aus dem T-Zug die acht Tage zu erhalten."
Mehr Geld oder mehr Freizeit, viele Beschäftigte in der Metallindustrie können wählen. Das haben Arbeitgeber und Gewerkschaften in der letzten Tarifrunde so vereinbart. Und überraschend viele Metaller haben sich für mehr Freizeit entschieden, sagt IG Metall-Chef Jörg Hofmann:
"Wir waren selber sehr überrascht, wie groß der Zuspruch ist, etwa im Schichtbereich mit 70, 80 Prozent derer, die den Anspruch haben. Und nach unseren neuesten Zahlen deutlich über eine Viertelmillionen Menschen, die sich entschieden haben, ich wähle die freie Zeit statt einen zusätzlichen Entgeltbaustein."
Selbstbestimmung ist wichtiger als höherer Lohn
Flexiblere Arbeitszeiten, mehr Freizeit, mehr Selbstbestimmung – vielen Beschäftigten ist das mittlerweile wichtiger als höhere Löhne, sagt IG Metallchef Hofmann. Deshalb hat die Gewerkschaft ihre Tarifpolitik neu ausgerichtet, weg von der starren 35-Stunden-Woche hin zu beweglicheren Arbeitszeiten. Wer länger arbeiten will, kann länger arbeiten.
Wer aber mehr freie Zeit braucht, um die Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen, der kann die Wochenarbeitszeit vorübergehend auf 28 Stunden verkürzen. Das hat die IG Metall im vergangenen Jahr mit den Arbeitgebern ausgehandelt. Es ist ein wegweisender Abschluss, sagt Enzo Weber, Ökonom am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg:
"Diese Debatte liegt absolut im Trend. Denn Arbeitszeitflexibilität brauchen nicht nur die Betriebe, sondern auch die Arbeitnehmer. Denn das Haushaltsmodell, dass der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau bleibt zu Hause, das gibt es heute kaum noch. Beide Partner arbeiten. Dementsprechend wird mehr Flexibilität gebraucht und deswegen gegen solche Überlegungen in die richtige Richtung."
Viele Beschäftigte gehen auch gar nicht ins Büro oder in den Betrieb – sondern arbeiten von zu Hause aus. Zumindest gelegentlich. Zum Beispiel bei BMW in Berlin:
"Mitarbeitergespräche, die macht man jetzt nicht per Home Office. Aber irgendwelche Skype-Konferenzen, Termine mit München ausmachen, Präsentationen vorbereiten, das geht natürlich super von zu Hause aus."
Sagt Katja Menze, sie arbeitet in der Personalabteilung von BMW in Berlin. Sie hat einen fünfjährigen Sohn, nächstes Jahr kommt er in die Schule, da ist sie froh, dass sie einen Teil der Arbeit von zuhause aus erledigen kann:
"In unserer Abteilung machen das alle Mitarbeiter. Haben ja auch alle Kinder, und jeder hat dafür das Verständnis und das Vertrauen, dass das klappt. Sind ja auch alle erreichbar. Und deshalb kommt das gut an."
"Diese Debatte liegt absolut im Trend. Denn Arbeitszeitflexibilität brauchen nicht nur die Betriebe, sondern auch die Arbeitnehmer. Denn das Haushaltsmodell, dass der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau bleibt zu Hause, das gibt es heute kaum noch. Beide Partner arbeiten. Dementsprechend wird mehr Flexibilität gebraucht und deswegen gegen solche Überlegungen in die richtige Richtung."
Viele Beschäftigte gehen auch gar nicht ins Büro oder in den Betrieb – sondern arbeiten von zu Hause aus. Zumindest gelegentlich. Zum Beispiel bei BMW in Berlin:
"Mitarbeitergespräche, die macht man jetzt nicht per Home Office. Aber irgendwelche Skype-Konferenzen, Termine mit München ausmachen, Präsentationen vorbereiten, das geht natürlich super von zu Hause aus."
Sagt Katja Menze, sie arbeitet in der Personalabteilung von BMW in Berlin. Sie hat einen fünfjährigen Sohn, nächstes Jahr kommt er in die Schule, da ist sie froh, dass sie einen Teil der Arbeit von zuhause aus erledigen kann:
"In unserer Abteilung machen das alle Mitarbeiter. Haben ja auch alle Kinder, und jeder hat dafür das Verständnis und das Vertrauen, dass das klappt. Sind ja auch alle erreichbar. Und deshalb kommt das gut an."
"Das Wichtigste ist, dass man motivierte Mitarbeiter hat"
Auch beim Arbeitgeber. Per Ankersen ist Personalchef im Berliner BMW-Werk:
"Das Wichtigste ist, dass man motivierte, gesunde, leistungsbereite Mitarbeiter hat. Und die müssen zufrieden sein. Und wenn es da einen Bedarf gibt, dann haben wir das umzusetzen."
Mehr Freizeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei BMW sei das schon ein alter Hut, sagt Ankersen. Schon seit 2008 könnten Beschäftigte 20 zusätzliche Urlaubstage nehmen, um mehr Zeit für Familie oder Pflegebedürftige Angehörige zu haben. Es gebe allerdings auch Beschäftigte, die gern länger arbeiten möchten, über die tariflich vereinbarte 35-Stunden-Woche hinaus, sagt Ankersen:
"Da gibt es jetzt noch mal eine Flexibilität mit dem neuen Tarifabschluss. Das ist eine Möglichkeit zu kompensieren. Aber das Wichtigere ist, weniger von Präsenz auf Ergebnisorientierung zu gehen. Und da ist das Thema Mobilarbeit. Wichtig. Dann ist der Mitarbeiter zufrieden. Und der Output kommt raus. Uns kommt es ja nur drauf an, dass das Arbeitsergebnis vorliegt. Nicht, dass die Leute eine bestimmte Zeit im Büro verbringen. Sondern es muss das Ergebnis stimmen."
"Das Wichtigste ist, dass man motivierte, gesunde, leistungsbereite Mitarbeiter hat. Und die müssen zufrieden sein. Und wenn es da einen Bedarf gibt, dann haben wir das umzusetzen."
Mehr Freizeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei BMW sei das schon ein alter Hut, sagt Ankersen. Schon seit 2008 könnten Beschäftigte 20 zusätzliche Urlaubstage nehmen, um mehr Zeit für Familie oder Pflegebedürftige Angehörige zu haben. Es gebe allerdings auch Beschäftigte, die gern länger arbeiten möchten, über die tariflich vereinbarte 35-Stunden-Woche hinaus, sagt Ankersen:
"Da gibt es jetzt noch mal eine Flexibilität mit dem neuen Tarifabschluss. Das ist eine Möglichkeit zu kompensieren. Aber das Wichtigere ist, weniger von Präsenz auf Ergebnisorientierung zu gehen. Und da ist das Thema Mobilarbeit. Wichtig. Dann ist der Mitarbeiter zufrieden. Und der Output kommt raus. Uns kommt es ja nur drauf an, dass das Arbeitsergebnis vorliegt. Nicht, dass die Leute eine bestimmte Zeit im Büro verbringen. Sondern es muss das Ergebnis stimmen."
Die Digitalisierung öffnet ganz neue Wege
Weniger arbeiten, mehr Home-Office – warum nicht, wenn das Ergebnis stimmt, sagen Arbeitgeber wie BMW. Die Digitalisierung öffne da ganz neue Wege, findet auch Rainer Dulger, er ist Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Das heiße aber auch: Die Arbeitszeiten müssten noch flexibler werden. Eine tägliche Obergrenze – in der Arbeitszeitverordnung von 1994 sind das zehn Stunden – hält er für überholt:
"Dass man nicht länger als zehn Stunden arbeitet, da bin ich sehr dafür. Aber wie Sie die zehn Stunden aufteilen, das ist der Punkt. Wie lang die Ruhezeiten sein sollen, das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben heute in einigen Bereichen zehn, elf Stunden Ruhezeiten. Wenn heute abends einer um 23 Uhr an seiner Präsentation feilt, dann darf er am nächsten Morgen nicht um acht ins Büro. Dann würde er seine Ruhezeiten verletzen. Das sind Themen, über die man sprechen müsste, wie man das regeln kann, dass es unseren modernen Umgebungsbedingungen gerecht wird."
Ständig erreichbar, ständig einsatzbereit – ist das die Zukunft der Arbeit? Ist der Acht-Stunden-Tag – einhundert Jahre nach seiner Einführung – ein Anachronismus, der nicht mehr in die modernen Zeiten passt? IG Metall-Chef Jörg Hofmann sagt nein: Flexibilität ist gut, aber wir müssen die Beschäftigten auch schützen.
"Mobiles Arbeiten heißt nicht, erreichbar 24 Stunden am Tag, sondern beinhaltet auch ein Recht auf Abschalten, und deswegen halt ich auch die Debatten um die Eingrenzung der Ruhezeiten für abstrus. Die Menschen wollen abschalten und brauchen auch einen Anspruch, das zu tun."
"Dass man nicht länger als zehn Stunden arbeitet, da bin ich sehr dafür. Aber wie Sie die zehn Stunden aufteilen, das ist der Punkt. Wie lang die Ruhezeiten sein sollen, das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben heute in einigen Bereichen zehn, elf Stunden Ruhezeiten. Wenn heute abends einer um 23 Uhr an seiner Präsentation feilt, dann darf er am nächsten Morgen nicht um acht ins Büro. Dann würde er seine Ruhezeiten verletzen. Das sind Themen, über die man sprechen müsste, wie man das regeln kann, dass es unseren modernen Umgebungsbedingungen gerecht wird."
Ständig erreichbar, ständig einsatzbereit – ist das die Zukunft der Arbeit? Ist der Acht-Stunden-Tag – einhundert Jahre nach seiner Einführung – ein Anachronismus, der nicht mehr in die modernen Zeiten passt? IG Metall-Chef Jörg Hofmann sagt nein: Flexibilität ist gut, aber wir müssen die Beschäftigten auch schützen.
"Mobiles Arbeiten heißt nicht, erreichbar 24 Stunden am Tag, sondern beinhaltet auch ein Recht auf Abschalten, und deswegen halt ich auch die Debatten um die Eingrenzung der Ruhezeiten für abstrus. Die Menschen wollen abschalten und brauchen auch einen Anspruch, das zu tun."