Eine Nacht auf dem Rastplatz
29:09 Minuten
Übernachten auf der Autobahn. Kurz aufs Klo, duschen, Kaffee trinken und dann schnell weiter. Der Rastplatz ist kein Ort zum Verweilen, auch Lkw-Fahrer sind nicht gerne dort. Dass ein Reporter vorbeikommt, ändert daran nichts.
Der Rastplatz Siegburg West ist ein ganz normaler Rastplatz. Zufällig verschlägt es den Reporter hierher, zufällig auch alle anderen, die er in einer Nacht trifft. Bernhard, der trampt. Donny, Privatkurier, der von Amsterdam nach Mailand brettert. Die Lkw-Fahrerin Martina, die genauso wenig reden will wie ihre Kollegen, aber dann doch irgendwie Mitleid kriegt mit dem Reporter. Und charmant nachfragt: "Bist du ein Anfänger? Wer hat dir den beschissenen Auftrag gegeben?"
Siegburg West hat 30 Lkw-Parkplätze. Am frühen Abend stehen aber schon 63 Lkws auf dem Platz, insgesamt werden es über 70 in der Nacht.
"Alle brauchen uns, aber keiner will uns"
"Ganz normal", erklärt Sven Fritzsche im Interview, selber Lkw-Fahrer und im Kraftfahrerkreis Chemnitz Zwickau gewerkschaftlich organisiert. "Es gibt immer mehr Lkws, aber viel zu wenig Parkplätze. In Gewerbegebieten nahe der Autobahn sind Lkws unerwünscht, man legt dicke Findlinge in die Parkbuchten, damit wir nicht reinkommen. Alle brauchen uns, aber keiner will uns."
Die Fahrer, die der Reporter abklappert, sind schweigsam. Gardine zu bedeutet: Lass mich in Ruhe.
Martina steht im Halteverbot und wird bis morgen früh da stehen bleiben. Den Reporter lässt sie wenigstens mal einsteigen: große Kabine, Standheizung.
"Man wird oft behandelt wie Dreck", findet sie. Dem stimmt Sven Fritzsche zu, wenn auch nur bedingt:
"Man muss sich ja nicht alles gefallen lassen. Ich halte meine Pausen ein, mich setzt keiner unter Druck. Und wenn mich einer beim Entladen behandelt wie ein Sklave, dann ruf ich die Firma an oder beschwere mich beim Vorgesetzten."
Martina steht im Halteverbot und wird bis morgen früh da stehen bleiben. Den Reporter lässt sie wenigstens mal einsteigen: große Kabine, Standheizung.
"Man wird oft behandelt wie Dreck", findet sie. Dem stimmt Sven Fritzsche zu, wenn auch nur bedingt:
"Man muss sich ja nicht alles gefallen lassen. Ich halte meine Pausen ein, mich setzt keiner unter Druck. Und wenn mich einer beim Entladen behandelt wie ein Sklave, dann ruf ich die Firma an oder beschwere mich beim Vorgesetzten."
Gemeinsames Kochen auf der Gasflamme
Auf dem Rastplatz Siegburg West sind in dieser Nacht auch Hadji und seine Kollegen. Ihr Ziel: Paris. Hadji ist gut gelaunt. Eine Ausnahme auf dem Rastplatz.
"Natürlich macht es Spaß, wenn du mit guten Freunden zusammenarbeitest. Du telefonierst, du triffst dich miteinander, du kochst zusammen. In Italien zum Beispiel, als wir da letztens die Ware zugestellt haben, sind wir alle drei zum Meer gegangen, wir haben genügend Zeit gehabt, das ist wirklich gut."
Sechs Jahre macht er das schon, ohne die Freunde wäre das für ihn schwierig, gibt er zu. Also ist der Rastplatz auch sozialer Treffpunkt. Aber das Kochen hat auch noch einen anderen Grund.
"Wir verdienen nicht besonders viel, wenn wir jetzt immer in der Tankstelle essen und trinken würden, dann würdest du nicht damit bis zum Ende des Monats kommen."
Die Preise sind heftig. Pro Liter Benzin 16 Cent über dem Durchschnitt anderer Tankstellen. Schokoriegel, Getränke, alles sehr teuer, der Brühkaffee kostet 4,49 Euro.
"Diese Preise bezahl' ich nicht - aus Prinzip", sagt Kraftfahrer-Lobbyist Sven Fritzsche. "Aber gemeinsames Kochen, das gibt es nur bei ausländischen Kollegen. Früher haben wir die belächelt. Heute ziehen viele deutschen Kollegen die Gardine zu und machen sich ihr eigenes Süppchen." Warum man sich nicht zusammentut? "Vielleicht aus Scham."
Um 22.05 Uhr kommt der letzte Laster auf den Parkplatz gerollt. Es ist die Nummer 74. Mit Tankanhänger, darin ist Ziegenmilch. Die muss von Holland nach Bayern. Der Fahrer geht zum Duschen in die Raststätte.
"Ich habe in Italien gelernt duschen zu gehen ohne irgendwas anzufassen. Du weißt hier nie, wer vor dir drinne war."
"Ich habe in Italien gelernt duschen zu gehen ohne irgendwas anzufassen. Du weißt hier nie, wer vor dir drinne war."
Um halb fünf Uhr morgens ist der Rastplatz halb leer. Der Tanklaster mit der Ziegenmilch verschwindet am Horizont auf der A3 Richtung Frankfurt. Einer von vielen in einer endlos langen Lkw-Schlange.