Schlichter und Kümmerer
Verbindungen aufbauen, Kontakte pflegen, Präsenz auf der Straße zeigen und Präventionsarbeit leisten - in Schwerin sind zehn Polizei-Kontaktbeamte im Dienst. Um dem Job gerecht zu werden, zählen vor allem gute Nerven und viel Erfahrung.
"Na, Thomas. Wollen wir?"
"Auto hab´ ich."
"Auf geht´s. Mütze nicht vergessen!"
Sonst zumeist allein in ihren jeweiligen Stadtgebieten unterwegs, verlassen die Kontaktbeamten Stephan Dingler und Thomas Böhm das Polizeihauptrevier Schwerin heute für eine gemeinsame Tour.
"So, auf in den Stadtteil `Waldeslust`, weil es da so schön ist."
… sagt Polizeihauptkommissar Dingler und meint die Plattenbau-Siedlung Mueßer Holz, für die sein Kollege zuständig ist. Der sagt an:
"Otto-von-Guericke-Straße, ED-Maßnahme angeordnet ..."
Erkennungsdienstliche Maßnahmen und sieben Tage Erzwingungshaft für jenen Mann, mit dem Kontaktbeamter Thomas Böhm schon mehrmals erfolglos Kontakt aufnehmen wollte. So steht es in dem Schriftstück, das sein Innenstadt-Kollege nun überfliegt.
"Also wir haben als Kontaktbeamte auch viele Aufträge abzuarbeiten, die von Gerichten und Staatsanwaltschaften kommen. Wir haben als Kontaktbeamte die Haftbefehle auf dem Tisch, bei denen es letztlich um Erzwingungshaftbefehle geht. Da sind schlicht und ergreifend Strafzettel nicht bezahlt worden. Hier liegt jetzt ein Haftbefehl vor gegen einen Bewohner aus dem Stadtteil Mueßer Holz. Der muss ein bisschen Geld bezahlen und soll gleichzeitig zu einer erkennungsdienstlichen Maßnahme mitgenommen werden. Das heißt, wenn wir den antreffen, nehmen wir ihn mit und Fingerabdrücke werden genommen. Fotos werden gemacht. Das ist jetzt sozusagen unser Ziel."
Vom Haftbefehl bis zur Sachbeschädigung
Auf dem Weg dahin erzählt Thomas Böhm über diesen, seinen Stadtteil, in dem 10.000 Menschen leben, darunter viele Hartz-IV-Empfänger und zunehmend Migranten und Asylbewerber. Der Polizist biegt ab. Zwischenziel: die Förderschule "Am Fernsehturm".
"Hier bin ich, sind wir viel unterwegs in den Klassen. Machen ein bisschen Präventionsarbeit, versuchen das so gut wie möglich rüberzubringen. Deswegen kennen uns hier die Kinder. Jetzt bin ich hier, weil gestern alles beschmiert wurde. Da gibt es eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung Graffiti. Die ganze Turnhalle, die Schulfassade, und dahinter ist auch eine Baustelle. Da sind einige Baustellenobjekte beschmiert worden. Das ist von Kinderhand, das sieht man. Aber der Schaden ist natürlich immens."
Böhm: "Frohes und gesundes neues Jahr!"
Die Begrüßung im Sekretariat ist herzlich. Man kennt sich, man duzt sich.
Böhm: "Schadenshöhe kennen wir noch nicht. Was sagt der Hausmeister?"
Die beschmierten Fassaden sind nicht das einzige Problem, über das Schulleiterin Anett Schulz mit ihrem Kontaktbeamten Thomas Böhm spricht, denn:
"Wir kennen uns jetzt auch schon über Jahre und wenn man mal Rat braucht, dann kommt er. Da reicht ein Anruf, und das fängt an bei Elternbeschwerden, bei Schülern, die auffällig werden im Freizeitbereich. Wir sind ja hier nun auch in einem sozialen Brennpunktgebiet, und wenn man sich die Schule von außen anguckt: Schmierereien oder Umgang mit Drogen steht bei uns ganz oft auf der Tagesordnung, und da ist er dann immer als Rechtsbeistand für mich an meiner Seite. Ich denke auch, er ist der - früher sagte man `Mein Freund und Helfer`. Und so sehen ihn auch die Schüler."
ACAB = "All Cops Are Beautiful"
Dennoch prangen auf der Turnhalle gesprayte große, schwarze Lettern - das polizistenfeindliche Kürzel ACAB. Thomas Böhm und Stephan Dingler winken ab: Das sehe man inzwischen an jeder Ecke, auch in der Innenstadt.
"Ich übersehe das meistens und denke, das nicht `All Caops Are Bastards`, sondern `All Cops Are Beautiful`."
In der Otto-von-Guericke-Straße hinterlässt wenig später Polizeihauptmeister Böhm zum dritten Mal seine Visitenkarte an der Tür ohne Namensschild. Der Säumige möge sich dringend melden. Geld oder Knast? Keines von beidem, auch heute nicht.
Also Ortswechsel. Es geht in die Innenstadt, wo der 40-jährige Stephan Dingler Ansprechpartner für rund 30.000 Bewohner und die Touristen ist. Und auch für Sicherheitsdienste wie jenem im Schlosspark-Center. Größtes Problem dort seit einiger Zeit: die ausländischen Jugendlichen, die sich oft in großen Gruppen im Kaufhaus treffen, um dank des kostenlosen WLAN-Angebotes per Smartphone und Internet zu kommunizieren. Jüngst hätten sich 50 bis 100 hier herumgedrückt, was viele Kunden als Belästigung empfänden, klagt der Sicherheitsmann.
Unterdessen hat das Ehepaar Barholz die KOBs erkannt und ihnen das Problem mit einem besonders zerstörungswütigen 13-Jährigen aus der Nachbarschaft geschildert. Was zu DDR-Zeiten der ABV – der Abschnittsbevollmächtigte - war, sei seit einigen Jahren in Meck-Pomm der Kontaktbeamte, kurz: KOB. Verbindungen aufbauen, Kontakte pflegen, Präsenz auf der Straße zeigen - nur ohne die damalige politisch-ideologische Färbung, lobt Frau Barholz:
"Erst mal muss ich sagen, man hat einen Ansprechpartner. Oft ist es auch so, die Probleme, die vor Ort auftauchen, dass die vielleicht gleich geklärt werden können. Gut, dass dann gleich jemand vom Fachbereich kommt, der ganz andere Maßnahmen kann und auch mal die Eltern herbeiruft. Die kennen ja auch ihre `netten` Jugendlichen oder Kinder. Oder Omis, die ihre Sorgen haben - vielleicht mal ´ne Handtasche geklaut oder irgendwas. Es ist schade, dass es zu wenige von denen gibt."
Die öffentlichen Plätze sind unsicherer geworden
Zehn Kontaktbeamte für die 95.000-Einwohner-Stadt Schwerin - der 2011 eingeleitete Stellenabbau bei der Landespolizei schlägt auch hier heftig zu Buche. Böhm, Dingler und KOB-Kollegen, für die es übrigens kein Diensthandy gibt, müssen sogar oft auch noch klassische Polizeieinsätze unterstützen.
Doch heute vorerst nicht, sagen sie auf dem Weg über den Marienplatz, der seit der Flüchtlingswelle 2015/16 so unsicher geworden ist, dass er nun videoüberwacht werden soll. Hier zeigt Stephan Dingler häufig Präsenz. Nun strebt er unter das große Vordach der Marktplatz-Galerie, wo gerade wieder besonders viele Jugendliche aus Syrien und Afghanistan stehen. Auch hier kostenloses WLAN, Gruppentreffen, Beschwerden. Ausweiskontrolle.
Dingler: "Redet mal bitte Deutsch, wenn ich dabei bin, damit ich euch verstehe."
Ein Jugendlicher zählt die Umstehenden ab: "Die können - eins, zwei, drei - leider kein Deutsch. Dann mach´ ich das."
Dingler: "Ja."
Jugendlicher: "Kann ich mal wissen, wozu Sie meinen Ausweis brauchen?"
Dingler: "Weil ich wissen will, wie alt Sie sind, weil Sie rauchen."
In fünf Tagen werde er 18, sagt der Afghane in sehr gutem Deutsch. Die Polizisten erklären den Jungs, wo sie die Zigarettenstummel hinzuwerfen haben und verabschieden sich mit einem warnenden `Bleibt sauber! ` Kein Wunder, haben sie doch zwei sogenannte Intensivtäter in der Gruppe erkannt. Jungs, die immer wieder durch Schlägereien, Messerstechereien oder kleinkriminelle Taten in Schwerin auffallen und ein Dauerproblem auch für die Kontaktbeamten der Schweriner Polizei darstellen. Laut Polizeihauptmeister Thomas Böhm unverzichtbar für Polizisten, die - so wie er - KOBs werden wollen:
"Ich habe ja fast 20 Jahre Streifendienst und Wechselschichten hinter mir und dementsprechend auch genug Erfahrung. Die sollte man als Kontaktbeamter auch haben, denn wir sind größtenteils auch alleine unterwegs und müssen Sachverhalte ebenso abarbeiten können wie jeder Streifenbeamte auch. Frisch von der Polizeischule, denke ich mal, wird das nicht gehen."