Sechs Stunden sind genug
Der Sechs-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich – was wie eine unbezahlbare Utopie der 80er-Jahre klingt, soll jetzt in Göteborgs Stadtverwaltung ausprobiert werden. Mehr Effizienz, weniger Kranke, gesündere und besser motivierte Mitarbeiter sind das Ziel.
Eine Testgruppe wird einen um 25 Prozent kürzeren Arbeitstag haben als die Vergleichsgruppe mit dem Acht-Stunden-Tag – doch alle bekommen dasselbe Gehalt. "Wir vergleichen anschließend, welche Unterschiede es gibt", sagte der Initiator, der Stadtrat Mats Pilhem von der örtlichen Linkspartei der schwedischen Zeitung The Local. Er hofft auch, mit dieser Maßnahme mehr Jobs in der zweitgrößten schwedischen Stadt schaffen zu können.
Pilhem ist überzeugt, dass lange Schichten letztlich zu weniger Leistung führen. Er verwies darauf, dass ein Göteborger Autobauer gute Erfahrungen mit dem Sechs-Stunden-Tag gemacht habe. Auch in anderen Bereichen, etwa der Altenpflege, gebe es Probleme mit nachlassender Effektivität in herkömmlich langen Schichten. Deshalb soll nun der Sechs-Stunden-Tag ein Jahr lang getestet werden – von etwa zwei Dutzend städtischen Angestellten.
"Wir glauben, es ist Zeit, diesem Modell eine echte Chance zu geben", sagte Pilhem. Die Opposition im mehrheitlich rot-grünen Stadtrat von Göteborg kritisiert den Sechs-Stunden-Tag: Die Ankündigung sei nur ein "verlogener, populistischer Trick" mit Blick auf die nächsten Wahlen. Am 14. September bestimmen die Göteborger einen neuen Stadtrat.
In schwedischen Medien wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass ein ähnliches Experiment der Stadt Kiruna im Norden des Landes 2005 beendet wurde. Dort hatten 250 Beschäftigte 16 Jahre lang einen Sechs-Stunden-Tag; es habe damals keine positiven Effekte auf die Gesundheit der Angestellten gegeben. In anderen Kommunen scheiterte das Modell "kürzere Arbeitszeit, aber voller Lohn" schlicht an den zu hohen Kosten.
"Der Versuch klingt erst mal interessant", sagte der Potsdamer Arbeitszeitberater Andreas Hoff im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. "Auf der anderen Seite: Wenn das kostenneutral sein sollte, dann müsste die Produktivität rechnerisch um 33 Prozent steigen. Das dürfte bei den verdichteten Arbeitsprozessen, die wir zumindest in Deutschland haben, unrealistisch sein. Die Wissenschaft hat schon lange gezeigt, dass Teilzeitkräfte geringere Fehlquoten unter sonst gleichen Lebensumständen haben wie Vollzeitbeschäftigte, aber das macht in der Größenordnung vielleicht ein, zwei, drei Prozent aus, also vergleicht sich überhaupt nicht mit den Kostensteigerungen, die mit dem vollen Lohnausgleich verbunden wären." Auch wäre dann die Frage, ob es ausreichend Mitarbeiter geben würde, um das ausfallende Personal zu ersetzen.
scr