Zoff ums Pharaonengrab
Verbirgt sich hinter der Grabkammer von Tutanchamun das Grab von Königin Nofretete? Das glaubt der britische Archäologe Nicholas Reeves. Er arbeite unwissenschaftlich, wurde ihm jetzt bei einer Fachtagung in Kairo vorgeworfen. Das weist Reeves weit von sich.
Immer wieder warme Willkommensworte für die aus aller Welt angereisten Ägyptologen, gut zwei Dutzend Vorträge, Podiumsdiskussionen: bis kurz vor der Schlusszeremonie also das übliche Tagungsprozedere bei der Tutanchamun-Konferenz in Kairo. Doch dann trat Zahi Hawass ans Rednerpult, Ägyptens ehemaliger Minister für Altertümer.
"Als erstes möchte ich sagen, dass ich nicht hier bin, um irgendjemanden anzugreifen."
So der Ägyptologe. Doch es blieb bei der höflichen Floskel. Schon im nächsten Satz folgte prompt die erste Verbalattacke von Hawass:
"Ich arbeite jetzt seit 45 Jahren in der Archäologie und das wäre das erste Mal, dass eine Theorie, für die es keinerlei Beweise gibt, plötzlich Fakt sein soll. Und es ist unglaublich, wie die Medien sich auch noch darauf stürzen und eine Idee plötzlich in eine Tatsache verdrehen."
So polterte Hawass los. Die Rede ist von der Theorie des Briten Nicholas Reeves. Der Archäologe vertritt die Ansicht, dass sich hinter der Grabkammer von Pharao Tutanchamun im Tal der Könige das bislang unentdeckte Grab von Königin Nofretete befinden könnte.
So polterte Hawass los. Die Rede ist von der Theorie des Briten Nicholas Reeves. Der Archäologe vertritt die Ansicht, dass sich hinter der Grabkammer von Pharao Tutanchamun im Tal der Könige das bislang unentdeckte Grab von Königin Nofretete befinden könnte.
Nicholas Reeves verteidigt seine These
Bei der Untersuchung hochauflösender Fotos von den prächtigen Wandmalereien in der rund 3500 Jahre alten Grabkammer waren Reeves unterschiedliche Oberflächen ins Auge gefallen, auffällige Linien, die auf eine mögliche Tür hinweisen, Korrekturen bei den Bildern und Inschriften.
Nofretete war die Stiefmutter Tutanchamuns. Vielleicht sei ihr bereits existierendes Grab von den alten Ägyptern umfunktioniert worden, als Tutanchamun bereits mit 19 Jahren überraschend früh starb, so Reeves.
"Ich habe meine Dokumente dazu erst nach 18 Monaten sehr gründlicher Untersuchungen veröffentlicht."
So erläuterte der britische Wissenschaftler noch mal bei der Tagung in Kairo:
"Die Leute denken, dass ich eines Morgens aufgewacht bin und diese fixe Idee hatte. Aber so funktioniert das ja nicht. Ich habe sehr intensiv geforscht. Ich habe auch nach Beweisen dafür gesucht, dass meine Deutungen falsch sind. Aber ich habe sie nicht gefunden. Im Gegenteil. Ich habe immer mehr Indizien gefunden."
"Die Leute denken, dass ich eines Morgens aufgewacht bin und diese fixe Idee hatte. Aber so funktioniert das ja nicht. Ich habe sehr intensiv geforscht. Ich habe auch nach Beweisen dafür gesucht, dass meine Deutungen falsch sind. Aber ich habe sie nicht gefunden. Im Gegenteil. Ich habe immer mehr Indizien gefunden."
So verteidigte sich Reeves. Dem hält Hawass entgegen:
"Reeves hat enorme Propaganda für nichts gemacht. Wir müssen mit den Behauptungen von Ausländern vorsichtig umgehen. Sie wollen nur mit Hilfe unserer Altertümer berühmt werden."
"Reeves hat enorme Propaganda für nichts gemacht. Wir müssen mit den Behauptungen von Ausländern vorsichtig umgehen. Sie wollen nur mit Hilfe unserer Altertümer berühmt werden."
Der "Indiana Jones unter den Ägyptologen"
So der ehemalige Minister. Genau dieser Vorwurf galt allerdings jahrelang ihm selbst. Zahi Hawass, wegen seines Cowboy-Hutes, den er einst bei Ausgrabungen trug, von den Medien gern als "Indiana Jones unter den Ägyptologen" bezeichnet, nutzte während seiner Amtszeit jede Gelegenheit, um sich in Szene zu setzen. Von Ägyptens Langzeitdiktator Hosni Mubarak ins Ministeramt erhoben, wurde Hawass 2011 jedoch kurz nach dem Sturz des verhassten Präsidenten entlassen.
Seither übt er gern Kritik an seinen Nachfolgern. Und die ließen das Grab Tutanchamuns in den vergangenen Monaten gleich dreimal mit Radar- und Infrarot-Geräten untersuchen, nachdem Nichalos Reeves seine Theorie bekannt gemacht hatte.
Der Verantwortliche Mamdouh El Damaty folgte zwar nicht der Idee, dass Nofretetes Grab zu finden sei, so betonte er:
"Nein, ich glaube nicht an Nefertiti (Nofretete) an diesem Ort. Aber wir haben etwas hinter der Wand. Was soll das sein? Wir können das nicht sagen."
Radaruntersuchung des japanischen Experten Hirokatsu Watanabi
Wobei die erste Radaruntersuchung des japanischen Experten Hirokatsu Watanabi im Herbst noch am ehesten darauf hindeutete, dass es Hohlräume und womöglich Gegenstände aus Metall oder organischem Material gebe. Damals sprach Damaty noch von einem möglichen Jahrhundertfund. Heute ist er damit vorsichtig geworden.
Denn nach den jüngsten Radar-Untersuchungen eines amerikanischen Expertenteams kamen, wie er heute bekannt gab, zwei von vier Fachleuten zu dem Ergebnis: Hinter den Wänden von Tutanchamuns Grab befinde sich schlicht und ergreifend gar nichts. Für den Kritiker Zahi Hawass eine Steilvorlage:
"Die Daten von Herr Watanabi entstanden mit Hilfe eines Gerätes, das er selbst entwickelt hat und dessen Ergebnisse nur er lesen und deuten kann. Wir wissen nicht, ob das wahr ist oder nicht. Eines steht aber fest, erklärte Hawass: Ich habe jeden Radarexperten gefragt, ob man mit Radar neuerdings auch organisches Material sehen kann. Sie sagten: Nein."
"Die Daten von Herr Watanabi entstanden mit Hilfe eines Gerätes, das er selbst entwickelt hat und dessen Ergebnisse nur er lesen und deuten kann. Wir wissen nicht, ob das wahr ist oder nicht. Eines steht aber fest, erklärte Hawass: Ich habe jeden Radarexperten gefragt, ob man mit Radar neuerdings auch organisches Material sehen kann. Sie sagten: Nein."
Ägypten will ein neues Expertengremium holen
Die anwesenden japanischen Wissenschaftler reagierten auf die Blamage höflich. Im Tumult der zahlreichen Journalisten meinte der verunglimpfte Radarexperte Watanabi nur trocken:
"Ich glaube, Zahi Hawass ist noch sauer auf mich, weil ich ihm vor zehn Jahren einmal, als er noch Minister war, keine Daten liefern konnte."
Ägyptens Minister für Altertümer will nun ein neues Expertengremium einbestellen, um Tutanchamuns Grab mit neuen Technologien zu untersuchen. Den Wissenschaftsstreit bei der Fachkonferenz findet die renommierte deutsche Ägyptologin Regine Schulz, Direktorin des Roemer-Pelizäus-Museum in Hildesheim, durchaus hilfreich:
"Egal, was in diesem Grab nun weiter geschieht, wenn wir da Räume weiter finden, egal ob diese Räume noch Dinge enthalten oder nicht, Dinge von Tutanchamun oder jemand anders. Das ist alles eine spannende Frage, selbst wenn wir Neues erfahren über den Bau Tutanchamuns, ohne jede Nofretete und ohne jede zusätzliche Grabbeigaben, ist es auch spannend."