Ein deutscher Chef in Camorra-Land
In Italien sind erstmals ausländische Direktoren für Museen und archäologische Stätten nominiert worden. Der Deutsche Gabriel Zuchtriegel ist nun für die grandiosen Tempel im süditalienischen Paestum verantwortlich.
Der deutsche Archäologe Gabriel Zuchtriegel ist seit einigen Monaten neuer Direktor des archäologischen Parks in Paestum südlich von Neapel. Zu sehen gibt es drei außergewöhnlich gut erhaltene griechische Tempel aus dem sechsten und fünften Jahrhundert vor Christus. Sie erheben sich in einer archaisch anmutenden Landschaft, umgeben von römischen Ruinen. Der 34-Jährige spricht fließend Italienisch und arbeitete als Archäologe bereits im tief süditalienischen Matera und in Pompeji:
"Es war ganz fantastisch. Ich hätte mir das nie träumen lassen, keinerlei Probleme, eine wunderbare Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen."
Doch verschiedene italienische Kollegen finden die Nominierung von Deutschen und auch Österreichern als Museumsdirektoren gar nicht gut. Ihr Hauptkritikpunkt: Die Ausländer hätten doch von den typisch italienischen Problemen im Bereich Kunst und Altertümer keine Ahnung.
Zuchtriegel lässt diese Kritik kalt. Er kennt Italien, seine Archäologie und seine kafkaesk anmutende Bürokratie aus seiner Zeit als Archäologe, zuletzt in Pompeji. Und so hatte er auch keine Probleme damit, rasch zu erfassen, was in Paestum anders als bisher gemacht werden muss − und Projekte zu entwickeln, um, so hofft er, das UNESCO-Weltkulturerbe für Touristen attraktiver zu machen, denn die unternehmen in der Regel nur selten einen Abstecher nach Paestum.
Gabriel Zuchtriegel: "Es ist eine große Öffnung vorgesehen, die wir dank dieser neuen Autonomie hoffen zu bewerkstelligen. Und die erste große Öffnung wird die der Tempel sein. Die Tempel von Paestum, die ja einzigartig sind in ihrer Vollständigkeit, die sind nicht zugänglich für die Besucher. Da ist ein Zaun drum und die kann man nur von außen anschauen."
Der Kulturminister macht's möglich
Zuchtriegel will also zunächst und endlich die Tempel begehbar machen. Aus einer Ex-Tomatenverarbeitungsfabrik auf dem Gebiet des archäologischen Parks soll ein großer Ausstellungsraum werden.
Bei seinen Aktivitäten kommt ihm die von Italiens Kulturminister Dario Franceschini geschaffene Museumsautonomie zu Hilfe. Mit dieser Reform, erklärte der Kulturminister kürzlich bei einer Pressekonferenz, soll der überbordenden Bürokratie, der Korruption und der in der Regel schlechten finanziellen Ausstattung ein Ende gemacht werden:
"Wir machen es jetzt wie in anderen Ländern, wo Museumsdirektoren zeitgebundene Verträge haben und auch international ausgewählt werden, nach allgemeingültigen Kriterien, nur aufgrund ihres beruflichen Lebenslaufes und ihrer Qualifikationen. Das passt Einigen nicht, die uns jetzt vorwerfen, dass wir früher zu langsam und jetzt zu schnell mit unseren Reformen sind."
Zuchtriegel beschönigt nichts
Ein weiterer wichtiger Punkt der Franceschini-Reform ist eine weitgehende finanzielle Unabhängigkeit. So haben Museumsdirektoren jetzt die Möglichkeit, von sich aus nach Sponsoren zu suchen und Räumlichkeiten oder andere Lokalitäten gewinnbringend für private Veranstaltungen zu vermieten. So können zusätzliche Gelder in die auch in Paestum finanziell eher knapp ausgestatten Kassen fließen.
Im Unterschied zu den anderen nichtitalienischen Museumsdirektoren liegt Zuchtriegels archäologischer Park im Gebiet der Camorra, der organisierten Kriminalität. Ein großes Problem, das ja schon seit langem aus Pompeji bekannt ist, das aber auch in Paestum existiert. Zuchtriegel redet da nichts schön, wie das bei so manchen seiner italienischen Kollegen leider immer noch der Fall ist:
"Das Problem, das wir mit der organisierten Kriminalität haben, ist nicht eines, das darin besteht, wie die Mafialeute ins Museum kommen und sagen: Gib uns den Auftritt oder wir fackeln dein Auto ab. Aber was wir bemerken ist, dass der Gesamtkontext, sozioökonomisch und kulturell, durch so was gebremst wird."
Mit "bremsen" meint Zuchtriegel den Umstand, dass mafiöse Korruption und Kriminalität nahezu das gesamte öffentliche Leben durchdrungen haben. Ein Problem, dass sich, da historisch und wirtschaftlich fest verankert, sicherlich nicht schnell lösen lässt.
Ausstellung mit Diebesgut
Dass die Kriminalität, organisiert oder auch nicht, auf dem Gelände des archäologischen Parks präsent war und wahrscheinlich immer noch ist, beweist der Umstand, dass die italienische Kunstdiebstahlspolizei immer wieder antike Kunstwerke und Kultgegenstände auf dem internationalen Kunstmarkt aufspürt, die dort gestohlen worden sind.
Mit diesen wieder gefundenen und zurückgegebenen antiken Objekten will Gabriel Zuchtriegel jetzt eine große Ausstellung organisieren. Darauf hoffend, dass die bald schon endlich zugänglichen Tempel und die ausgestellte Kunst mehr Besucher, vor allem aus Deutschland, als bisher anlocken werden.