Archäologie und Nationalgefühl

Aphrodite in Gaza

Ein Tag am Strand von Gaza, Juni 2009
Nicht immer nur ein Ort von Krieg und Armut: Fröhliches Mädchen im Gazastreifen © picture-alliance/ dpa
Von Werner Bloch |
Ägypter, Babylonier, Perser und Griechen - sie waren alle haben im heutigen Gazastreifen ihre Spuren hinterlassen. Darum ist das Gebiet eines der archäologisch reichsten Orte des Nahen Ostens. Ein noch junges Museum am Strand könnte auch dem Friedensprozess dienen.
Der Genfer Archäologe Marc-André Haldimann gilt als einer der größten Gaza-Experten. Er war achtmal vor Ort .
"Gaza ist ein wunderschöner Ort, einer der schönsten Orte entlang dieser Küste, von Syrien bis Ägypten. Der Sand ist besonders fein, und es ist ein Ort, wo man Wasser hat, das war sehr wichtig. Deshalb war Gaza immer ein Knotenpunkt für Ägypten als Ausgangspunkt für den Sinai wichtig. Und von 3.500 vor Christus bis heute war es immer dicht besiedelt."
Kaum jemand weiß etwas von Gazas glorreicher Geschichte. Doch gerade um die Archäologie gibt es Streit zwischen Israel und Palästina - ein Kampf um die Geschichte und den historischen Anspruch auf das Land, das beide Seiten erheben - und dessen Berechtigung die Archäologie gleichsam wissenschaftlich beweisen soll. Das führte von israelischer Seite sogar zum Einsatz der Armee.
"Bis zum Rückzug der Armee in 2005 war grundsätzlich die Archäologie eine Sache der israelischen Armee."
Man muss wissen, dass Israel einen militärisch-archäologischen Corps hat, und die graben auch aus. Wenn da etwas gefunden wird, da rücken die militärischen Archäologen auf das Feld.
Die Universität von Tel Aviv grub 1984 in Gaza eine altägyptische Nekropole aus, mehr als 50 sensationelle Tonsarkophage in Menschenform wurden zutage gefördert. Die befinden sich alle zurzeit im Israel Museum in Jerusalem.
Der ehemalige israelische Verteidigungsminister Mosche Dayan soll ein besonders begeisterter "Sammler" gewesen sein - manche nenne das auch Kunstraub.
"Insgesamt gibt es mehr als 32.000 Objekte, die durch israelische Ausgrabungen in Palästina gefunden wurden und nach Israel gebracht wurden."
Von palästinensischer Seite hatte man dem lange nichts entgegenzusetzen. Wohin mit den gefundenen Objekten? Ein Museum gab es bis vor Kurzem nicht in Gaza.
Münzen aus versunkenen Schiffen
2008 wurde dann das Mathaf gegründet - ein Museum, das von dem Bauunternehmer Jawdat Khoudary konzipiert und finanziert wurde. Er und seine Bautrupps hatten immer wieder Vasen und Statuen gefunden, Fischer brachten Münzschätze aus gesunkenen Schiffen im Hafen. So entstand in Privatinitiative Gazas erstes Museum.
Jawdat Khowdary ist - wie alle seine Landsleute - noch immer im Gaza eingeschlossen. Am Telefon sagt er:
"Unser Glaube an das Land, unsere Identität sind hier. Wir Palästinenser sitzen auf diesem Land seit Tausenden und Tausenden von Jahren. Wir dachten früher immer, unsere Großväter hätten diese Nation geschaffen, aber die Geschichte Gazas begann viele Tausend Jahre vorher. Ich habe hier ein kleines, aber, wie ich hoffe, gutes Museum geschaffen. Ich wünschte, wir hätten in Gaza Dutzende von Museen."
Das sandfarbene Museum direkt am Strand wurde allerdings bereits ein Jahr nach seiner Eröffnung von den Israelis bombardiert und beschädigt, auch einige Kunstwerke gingen zu Bruch. Inzwischen sind die Schäden behoben. Der Privatmann Khowdary verbindet damit eine größere Mission. Nicht nur um ein Stück Kulturerbe geht es, sondern um Gegenwart, Bewusstsein, Identität - und ein positives Image der Stadt.
Marc-André Haldimann: "Seit August 2008 hat endlich die Bevölkerung von Gaza die Möglichkeit, ihre eigene Vergangenheit wahrzunehmen. Und das ist besonders wichtig. Archäologie ist immer Teil des Prozesses des Nationalgefühls."
Ein kulturell selbstbewusstes Palästina sei aber auch für den Friedensprozess wichtig. Denn nur wer im Bewusstsein seiner eigenen Identität sicher auftreten könne, der könne auch ein Partner für den Frieden sein.
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