Das Gespräch mit Andreas Hofer bildet den Auftakt zu unserer neuen Serie Wohnungspolitik neu denken. Wir sprechen über steigende Mieten, neue Wohnformen und den Wohnungsmarkt als Kapitalanlage.
Die Wohnungspolitik geht am Bedarf vorbei
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In den letzten Jahrzehnten lief einiges schief auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Zu sehr stand Wohnraum für junge Familien im Mittelpunkt, zu wenig die Bedürfnisse einer sich wandelnden Gesellschaft, kritisiert der Schweizer Architekt Andreas Hofer.
Mietwucher, Wohnungsnot, schlechte Bausubstanz, Wohnungen vorbei am Bedarf – in der deutschen Wohnungspoltik ist in den letzten Jahrzehnten einiges versäumt worden. Das kann man gut am immer wieder zitierten Beispiel Berlin sehen.
Was aber müsste passieren, damit Wohnungspolitik den tatsächlichen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird? Der Schweizer Architekt Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauaustellung 2027 in Stuttgart, sagt, die große Frage hinter allem, die die Gesellschaft schon seit 100 Jahre beschäftige, sei: Wie wollen wir künftig leben? Und wie müssen wir anders bauen?
Was bereits in den 20er-Jahren ein drängendes Thema gewesen sei, werde nun wieder relevant. Denn: "Wir stellen immer wieder fest: Wohnungsnot ist ein Teil der wirtschaftlichen Entwicklung."
Die Wohnfläche muss ins Visier
Zum einen müssten Städteplaner und Architekten sich über die Wohnfläche Gedanken machen – "das ist ökologisch und ökonomisch ein ganz wichtiger Kernfaktor". Dieser Faktor habe parallel zu Veränderungen von Familienstrukturen an Bedeutung gewonnen, die Größe der Wohnflächen sei gestiegen.
"Uns fehlen eigentlich Modelle für eine moderne Gesellschaft, die sehr mobil ist und weitgehend aus Kleinhaushalten besteht." Man könne nicht automatisch davon ausgehen, dass Mieter das Bedürfnis nach immer mehr Wohnfläche hätten. Der Hintergrund sei vielmehr ein Fehler im System:
"Wir haben ein Mietsystem, das vor allem Altmieter bevorteilt. Warum soll ich, wenn meine Kinder aus dem Haus sind, aus der zu großen Wohnung in eine kleinere ziehen, wenn die vielleicht sogar doppelt so teuer ist ?"
An den Bedürfnissen vorbei gebaut
Der Wohnungsmarkt sei über viele Jahrzehnte zu sehr allein an den Bedürfnissen junger Familien ausgerichtet gewesen. Er sei "zu wenig flüssig" – doch das könne geändert werden, "indem wir attraktivere, vielfältige, durchmischte Strukturen anbieten".
Zudem müsse der Wohnungsbau sich von dem Prinzip der schnell und billig produzierten Wohnungen abwenden, die schon nach wenigen Jahrzehnten wieder abgerissen werden müssten, weil die Substanz bereits marode sei.
(mkn)