Arno Brandlhuber studierte Architektur an der TU Darmstadt und der Accademia di Belle Arti in Florenz. 2006 gründete er das Büro Brandlhuber+ in Berlin. Seit 2008 arbeitet er mit Markus Emde und Thomas Burlon zusammen (Brandlhuber+ Emde, Burlon). Er unterrichtete an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. 2017 wurde er als Professor an die ETH Zürich berufen.
Sympathie für graue Riesenkästen
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Sein Markenzeichen ist der Beton: Der Architekt Arno Brandlhuber steht für robuste Bauten, die vor allem nützlich sein sollen, nachhaltig und bezahlbar. Auch alte Betonbauten würde er niemals abreißen, denn sie bieten viel Wohnfläche.
Arno Brandlhubers Baustil ist nicht jedermanns Geschmack. Er wird oft als "brutalistisch" bezeichnet – sein bevorzugter Baustoff ist Beton, gern unverputzt. Auch die vielen Altbetonbestände in unseren Städten haben nichts Abstoßendes für ihn – bieten sie doch das, was so dringend gebraucht wird: Wohnraum.
Plädoyer für die graue Energie
Zwar gebe es mittlerweile auch berechtigte Kritik am Beton, sagt der Architekt, weil dessen Herstellung viel Energie verbraucht – doch bereits bestehende Beton-Gebäude müssten genutzt werden.
"Es gibt so viele Großstrukturen aus den 60er-Jahren, 70er-Jahren – sollen wir denn tatsächlich alles abreißen? Die gesamte Energie, die da drin steckt, sowohl in den Baustoffen aber auch die Muskelenergie, die emotionale Energie, soll man das jetzt alles demontieren und mit viel neuem Energieaufwand neu realisieren? Oder sollten wir nicht viel mehr sagen: Man kann aus allem eben noch was machen!"
Brandlhuber plädiert dafür, "die graue Energie" der Betongebäude zu erhalten und aus den alten Bauten etwas Neues zu machen. Anstelle eines permanenten Wachstumsgedankens würde die Pflege am Bestand auch für finanziell günstiger sein und für Wohnraum sorgen: "Das ist besser als immer nur Neubau zu planen."
Die "Antivilla"
Etwas ganz Neues hat er aus einer ehemaligen DDR-Trikotagenfabrik am Krampitzsee bei Potsdam gemacht. Der kultige Umbau des Gebäudes wurde international beachtet – auch, weil er an den Film "Themroc" aus den 70er-Jahren erinnert: Brandlhuber nutzte den noch vorhandenen Bestand der maroden Ruine und schlug in die alten Mauern große, unregelmäßige Löcher, die nun weite Blicke auf See und Wald freigeben. Das Asbest-Wellplatten-Dach ersetzte er durch ein Betonflachdach.
Der "Umbau" des Anwesens schuf viel Wohnfläche und war weitaus günstiger als es Abriss und Neubau hätten sein können, sagt der Architekt: "Er hat einfach dazu geführt, dass wir mit dem Bruchteil des Geldes, das für einen 100-Quadratmeter-Neubau nötig gewesen wäre, jetzt 500 Quadratmeter haben."
Werkeln im Eigenheim
Arno Brandlhuber stammt aus dem nordbayerischen Dettingen, "einem kleinen Kaff am Main", wie er sagt, "das weder die Bayern noch die Hessen wirklich ernst nehmen". Beide Eltern arbeiteten als Lehrer, die Familie wohnte in einem Einfamilienhaus. Dort machte er seine ersten Erfahrungen mit Baumaterialien:
"Mein Vater hat alle paar Jahre seine handwerklichen Fähigkeiten entdeckt: Die Garage verlängert oder verbreitert, ein Arbeitszimmer angebaut. Wir hatten eigentlich fast immer Baustelle zu Hause, zum Schrecken meiner Mutter, weil ständig alles dreckig war. Aber wir Kinder haben es geliebt, weil überall Baumaterialien herumlagen und wir alles Mögliche damit machen konnten."
Inspiration in der Kirche
Als junger Mann war Brandlhuber dann, "wie das in Bayern oft der Fall ist", Messdiener. In einer Kirche, die in den 20er-Jahren erbaut worden war.
"Oft schweifte der Blick umher und blieb wirklich viel hängen in diesem Gebäude. Und das hat mich zur Architektur gebracht. Das war von der Gemeinde ein Selbstbau-Projekt eine sehr einfache Holzschalung am Dach, aber auch ein paar Betonstützen zum Teil angemalt, Freskomalereien. Es war von Dominikus Böhm gebaut und für mich auf jeden Fall so faszinierend, dass ich dann tatsächlich das Architekturstudium gewählt habe."
Widerstand gegen das gemeinhin Schöne
Ein Teil seines Architekturstudiums hat Arno Brandlhuber in Florenz absolviert. Natürlich habe ihn dessen bauliche Schönheit gerührt, "wie Italien uns alle rührt". Doch zeitgenössische Architektur, die auf Vergangenes setzt, lehnt er konsequent ab. Mit einem Neoklassizismus wie ihn etwa Potsdam kultiviert, könne er nichts anfangen, er fände ihn einfach nur "zum Weinen". Auch in der Innenstadt in Frankfurt am Main hat man seiner Meinung nach aufs falsche Pferd gesetzt:
"Man kann sich dort anschauen, wie ein Rathaus demontiert wird, um dann ein schönes, altes Bild vom Römerberg wieder neu aufzubauen – sowas sehen wir überall. Ich glaube aber, dass wir weniger auf Bilder achten sollten, sondern – man merkt das ja jetzt auch in dieser ganzen Mietendebatte – es geht darum, dass wir uns alle mit Raum versorgen, den wir brauchen für unser Dasein."
(tif)