Architekt, Bildhauer und Universalgenie
Andreas Schlüter sollte die mittelalterliche Stadt Berlin in eine moderne Residenz verwandeln. Er entwarf das Stadtschloss. Die Schau "Schloss Bau Meister" im Bode-Museum zeigt ihn als wahren Barock-Meister.
Filigrane Medusenhäupter und großformatige Stadtansichten, Grabmäler, Kirchenkanzeln oder Wandreliefs – der vor 300 Jahren gestorbene Berliner Bildhauer und Baumeister Andreas Schlüter war so etwas wie ein Universalgenie.
Mit dem Namen Andreas Schlüter verbinden die meisten jenes Berliner Stadtschloss, das derzeit komplett rekonstruiert wird. Mit viel Aufwand, aber auf welcher historischen Grundlage? Akkurat gezeichnete Pläne benutzten die Architekten des Barock kaum, ihre nur in Umrissen skizzierten Projekte wurden auf der Baustelle, im Zusammenspiel mit Handwerkern, realisiert:
Hans-Ulrich Kessler: "Schlüter hat die Modelle gemacht, er hat die überwacht. Und er hatte natürlich viele Mitarbeiter, die so etwas umsetzen konnten."
Stadtschloss trägt Handschrift vieler Architekten
Kurator Hans-Ulrich Kessler verweist auf eine Reihe von Architekten, die den ursprünglichen Schloss-Entwurf veränderten, wohl entscheidend veränderten – auch wenn jetzt in der Ausstellung davon die Rede ist, dass "Schlüters Erfindungsgeist" und seine Handschrift "stets respektiert" worden seien. Selbst Schlüters unmittelbarer Nachfolger Eosander von Göthe legte heftig Hand an:
Hans-Ulrich Kessler: "Wir haben ja ein Modell – und die Veränderung von diesem Entwurf: Er wurde dann gespiegelt, Eosander hat das verdoppelt, dann zur Kuppel hin – die ja erst später unter Stüler errichtet wurde – da hat er einige Sachen verändert. Aber im Grunde hat er die Fensterachsen beibehalten, leicht variiert, natürlich."
Wichtiger als architektonische Formensprache war wohl die detaillierte Ausgestaltung, etwa im sogenannten Schlüterhof. Dort hielt der Kurfürst, nachdem er sich selbst zum König gekrönt hatte, 1701 seinen triumphalen Einzug zwischen Adlern, Widderköpfen und sogenannten Wilden Männern, Plastiken im Balkongesims oder in den Arkaden.
Hans-Ulrich Kessler: "Das Besondere an der Barockkunst ist, das sie monumental ist. Sie möchte einen großen Wurf liefern. Das sind Volumen, Bewegungen, Torsionen. Das ist es, worauf Schlüter im Grunde aufbaute."
DDR hielt Schlüter in Ehren
Diese Seite des Künstlers – der Bildhauer Andreas Schlüter – ist in der ideologisch aufgeheizten Debatte um "sein" Schloss untergegangen. Obwohl – oder vielleicht weil? – sein Andenken in der DDR, die das Bauwerk als Relikt der Hohenzollern-Herrschaft 1951 sprengen ließ, mit der Umbenennung des Zeughaus in "Schlüterbau" durchaus in Ehren gehalten wurde.
Hans-Ulrich Kessler: "Man muss auch daran denken, dass vor 50 Jahren hier im Bode-Museum schon eine sehr wichtige Ausstellung zu Andreas Schlüter stattfand, wo man Werke, die man gerettet hatte, hier versammelte. Und da ist ein kleiner, sehr informativer Katalog erschienen, der wirklich Schlüter wieder bekanntmachte."
Die Vorurteile über einen pompösen, nur auf prunkvolle Wirkung gerichteten "Barock" datieren sehr viel früher, hielten sich auch um 1900 noch beim Gründer der Sammlung des Bode-Museums:
Hans-Ulrich Kessler: "Auch Wilhelm von Bode konnte mit der Barockkunst eigentlich noch gar nichts anfangen. Er hat aber als einzige Ausnahme Andreas Schlüter wirklich geschätzt, also: Er meinte, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, das wäre ein ganz herausragendes Bildwerk."
Fein durchdachte Herrschaftsarchitektur
Die Ausnahme von einst wird jetzt – endlich – anschaulich gemacht. Zur Regel war sie schon lange geworden: Berlin ist seit jeher bestens bestückt mit Werken des Bildhauers Andreas Schlüter, dessen Plastiken vor allem auf den Stadtraum der um 1700 entstehenden Residenz gerichtet waren. Als Teil einer überraschend fein durchdachten Herrschaftsarchitektur, idealtypisch verkörpert im Reiterstandbild.
Hans-Ulrich Kessler: "Das ist das Besondere, dass er zwei Ansichtsseiten schuf: Eine, wo das Pferd im Galopp oder im Trab gezeigt wird, der Reiter als Feldherr. Und auf der anderen Seite ist das Pferd nur noch im Schritt dargestellt und der Blick des Kurfürsten ist zwar erhaben, aber er bringt den Frieden. Also zwei verschiedene Aspekte werden in einem Monument dargestellt und das ist einfach genial."
Zu Schlüters Lebzeiten allerdings war Krieg an der Tagesordnung – in schnell wechselnden Allianzen. Deshalb musste Schlüter beim Dekor des Zeughauses, der Waffenkammer, auf unverfängliche Darstellungen der Antike zurückgreifen: Seine beeindruckenden, in Stein modellierten Porträts zeigen "sterbende Krieger", die "abgeschlagenen Häupter von Barbaren", manch einer meint, den Sturz der Giganten.
Womit zumindest eines feststeht: Barock heißt nicht stupide Prachtentfaltung, sondern bringt Vergnügen an scharfsinniger Interpretation, fordert den differenzierenden Blick heraus. In diesem Sinne wäre ein Barockschloss in Berlin sehr willkommen.
Die Ausstellung "Schloss Bau Meister Schlüter" ist vom 4.4. bis 13.7.2014 im Bode Museum Berlin zu sehen.