Architekt: Elbphilharmonie ist ein Quantensprung für Hamburg

Jaques Herzog im Gespräch mit Nana Brink |
Der Architekt der Hamburger Elbphilharmonie, Jaques Herzog, ist zuversichtlich, dass die Hamburger das neue Bauwerk voll akzeptieren werden. Beim heutigen Richtfest würden die Menschen sehen, dass dort ein besonderer Ort im Entstehen sei.
Nana Brink: Es wird das spektakulärste Konzerthaus der Welt, ein Superlativ in jeder Hinsicht – die Hamburger Elbphilharmonie. Heute findet, drei Jahre nach der Grundsteinlegung, das Richtfest statt, und während das Jahrhundertprojekt als architektonischer Geniestreich gefeiert wird, gilt die Baustelle als eine der schwierigsten und skandalumwitterten in der deutschen Geschichte.

Und ich bin jetzt verbunden mit einem der Architekten der Elbphilharmonie, nämlich mit Jacques Herzog aus dem Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron. Das Architektenduo hat unter anderem die Tate Modern in London, das Olympiastadion in Peking und die Allianz-Arena in München gebaut. Einen schönen guten Morgen, Herr Herzog!

Jacques Herzog: Guten Morgen!

Brink: Wie fühlen Sie sich heute – vor dem Richtfest und nach all dem Streit über Baumängel und Kostensteigerungen mit den Baufirmen und der Stadt?

Herzog: Jetzt sind wir vor Ort und sehen, was bis jetzt gebaut wurde, und das stimmt uns eigentlich sehr zuversichtlich, dass daraus das Gebäude wird, das wir uns alle erhoffen.

Brink: Was haben Sie sich denn erhofft, was war denn Ihr Traum?

Herzog: Ja, als Architekt arbeitet man natürlich mit Modellen, mit Plänen, mit Zeichnungen, mit ganz vielen Mitteln, sich ein zukünftiges Gebäude vorzustellen. Und nun, vor Ort, muss man sagen, dass das eigentlich so aussieht, dass das wird diese Erwartung auch erfüllen können – Aussicht, Durchblicke, tolle Räume, kleiner Maßstab, großer Maßstab in einem gewissen Wechsel, also nicht nur irgendwie einfach in monumentalem Maßstab, sondern eben ganz verschiedene, reichhaltige, räumliche Situationen, welche uns da jetzt begegnen.

Brink: Das Herzstück des Baus ist ein Saal mit 2150 Plätzen und das Orchester - das ist wirklich sehr phänomenal - sitzt inmitten der Zuschauer, ähnlich ein bisschen wie in der Berliner Philharmonie. Wovon haben Sie sich denn inspirieren lassen bei Ihrem Entwurf?

Herzog: Ja, die Berliner Philharmonie ist eigentlich ein schlechter Inspirationsort, weil es schon so perfekt ist, dass es eigentlich als Modell fast nicht tauglich ist. Also, wir versuchten eigentlich – im Gegensatz zu vielen anderen Philharmonien, die später gebaut wurden –, auch andere Inspirationen und andere Referenzen zu finden.

Brink: Also, Sie wollten es nicht perfekter machen als die Berliner Philharmonie?

Herzog: Ja, das kann man nicht ver ... Das ist ein so toller Raum, das wir nicht in dem Sinn zum Beispiel auf diese weinberg ... , diese viel besprochenen weinbergartigen Anordnungen von Zuschauerplätzen setzten, sondern dass wir einen Raum uns ausdachten, der vertikal organisiert ist, was sich also auch ein bisschen von der Scala in Mailand inspirieren lässt, ein bisschen sogar vom Stadionbau und so weiter. Das sind verschiedene Inspirationen oder Referenzen, die uns da wichtig waren, um eben Hamburg eine ganz eigene, unverwechselbare Sache zu geben.

Brink: Wie wichtig war denn der Ort? Denn noch nie wurde ja ein Konzerthaus mitten in ein Hochhaus, oder besser, in einen alten Kakaospeicher platziert.

Herzog: Also, nicht mitten, sondern oben drauf, auf dem Kakaospeicher, und man kommt nicht also rein und spaziert direkt ins Foyer, sondern es gibt zuerst diese Reise durch den ehemaligen Speicher, was wir eben interessant finden, weil das einen Menschen auch vorbereitet. Auf dieser Reise wird diese Rolltreppe, die so gekrümmt ist, dass man am Anfang nicht sieht genau, wo die Reise hingeht – das ist für sich selbst genommen schon ein interessanter Raum –, ... dass der Mensch also vorbereitet wird von der Straße hinauf auf diese Plattform, dann schließlich zum Musiksaal an einen anderen Ort hinzugehen als einen alltäglichen Ort, also nicht wie in einem Laden oder in einem Restaurant, wo man einfach von der Straße direkt reinspaziert.

Brink: Es gibt ja große Bauverzögerungen bei diesem Vorhaben. Haben Sie die Komplexität des Ganzen etwas unterschätzt?

Herzog: Ich glaube nicht, dass wir das unterschätzt haben. Wir können immer nur das Gleiche sagen zu diesen Themen: Wir haben Vorgaben zeitlicher Art, Dokumente zu liefern, welche diesen Bau ... wo man dann diesen Bau zeitgerecht realisieren kann und das haben wir gemacht. Und sonst können wir eigentlich zu diesen Fragen über Zeit und Budget zurzeit keine anderen Aussagen machen als die, die wir immer schon – in den letzten Zeiten gab es ja viele Interviews – gemacht haben.

Brink: Da möchte ich doch noch ein bisschen auf diesen, ich will es mal nennen, Schuss Größenwahn kommen: Sie haben ja die Komplexität beschrieben, Sie haben gesagt, der Architekt ist ein Teil des Ganzen. Manchmal kommt mir das ganze Projekt so vor wie in dem Film "Fitzcarraldo" von Werner Herzog, als ja dieser Opernfan und reiche Kautschukbaron Fitzgerald versucht, ein Schiff über einen Berg zu ziehen. Und Sie wollen jetzt eine Philharmonie in den Hafen bauen?

Herzog: Das ist nicht, dass wir wollen … (Anm. d. Red.: Schwer verständlich) wir sind ... und vor allem, das mit dem Größenwahn und mit dem Geniekult – man muss aufpassen, wie man das zu verstehen hat. Der Architekt ist Architekt und ist nicht der Auftraggeber, verstehen Sie? Das ist der Fitzgerald und das war jemand, der von einer Vision getrieben wurde und die dann auch gleich selbst ausführte. Das ist doch ein großer Unterschied zu einem Architekten, der eine Bauherrschaft hat, wo eine Vision besteht, eine Philharmonie an einen bestimmten Ort ... Wir haben weder den Ort noch das Programm selbst ausgesucht, das kann man so überhaupt nicht vergleichen. Es ist an sich ein mutiges Projekt, was die Hamburger sich da vorgenommen haben und ein Projekt, das sicher für Hamburg einen Quantensprung bedeuten wird in kultureller, städtebaulicher und architektonischer Hinsicht, das ist keine Frage. Aber es ist auch ein Projekt, das absolut realisierbar ist und technisch machbar ist.

Brink: Die Elbphilharmonie wird ja vielleicht ein Wahrzeichen Hamburgs, so wünschen sich das ja viele. Welchen Stellenwert hat denn das Projekt in Ihrem Schaffen?

Herzog: Ja, wir haben in den letzten Jahren verschiedene wichtige Orte in wichtigen Städten überall auf der Welt beplanen können. Also, wir haben wichtige Gebäude gemacht, denken Sie an die Allianz-Arena, die Tate Modern, Beijing, das Nationalstadion, das waren immer Projekte, die natürlich im Fokus von Politik und Bürgerschaft und so weiter stehen und standen. Und da ist man als Architekt natürlich besonders gefragt, weil: Diese Orte funktionieren nur, wenn die Menschen sie akzeptieren, wenn die Menschen die Orte auch nach der Eröffnung sinnvoll benutzen können. Das ist ein gnadenloser Test quasi. Und jetzt ist die Elbphilharmonie sicher eins von diesen Gebäuden und wir sind überzeugt, dass das ein gleicher Erfolg werden kann wie die Tate Modern, die jetzt jedes Jahr fünf Millionen Besucher anzieht und zu einem Ort geworden ist in London, den man sich gar nicht mehr wegdenken kann.

Brink: Also, Sie glauben, die Hamburger werden die Elbphilharmonie lieben?

Herzog: So wie ... Das ist auch wieder ein interessanter Test, das Richtfest: Ich glaube, die Leute, die das gesehen haben, sehen, dass da ein toller (Anm. der Red.: Schwer verständlich) Ort am Entstehen ist. Und man kann nie hundertprozentig sicher sein, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass das so sein wird, ja.

Brink: Jacques Herzog, wir sprachen über das Richtfest der Hamburger Elbphilharmonie. Vielen Dank für das Gespräch!

Herzog: Danke!
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