"Die Inspiration kommt vom Baum als Begegnungsort"
Luftig, leicht, einladend und ökologisch sinnvoll: Der in Burkina Faso geborene deutsche Architekt Francis Kéré hat in London den Sommerpavillon 2017 der Serpentine Gallery gebaut.
Auf eine Million Besucher jährlich bringen es die beiden Kunsthäuser in Kensington Gardens: die Serpentine Gallery und deren – von Zaha Hadid enworfene – Filiale drei Steinwürfe weiter, die Serpentine Sackler Gallery.
Auf dem Reißbrett Hadids entstand auch der andere, erste Ableger der Galerie auf dem Rasenstück direkt neben dem Serpentine-Stammhaus: der "Ur"-Sommerpavillon, Baujahr 2000.
Seit damals wird hier mitten im Grünen moderne Architektur aus aller Welt geboten: zur Nutzung als Treffpunkt und Café und für Veranstaltungen aller Art.
Hadid, Libeskind, Eliásson, Niemeyer, Gehry, Koolhaas, Herzog & de Meuron, Zumthor: Seit 2000 feiern die Stars der internationalen Architekturszene im Hyde Park alle Jahre wieder ihre Großbritannien-Premieren als Baumeister – und das auf nur 300 Quadratmetern Grundfläche!
Als Spielregel gilt bis heute: Zugelassen zum Pavillon-Wettbewerb wird nur, wer auf der Insel zuvor noch kein Projekt fertig gestellt hat.
"Wir glauben, London 2017 braucht Kéré"
Jetzt kam zum ersten Mal ein Afrikaner zum Zug: der Wahlberliner Diébédo Francis Kéré aus Burkina Faso.
"Die Entscheidung für ihn fiel uns nicht schwer!",
sagt der Künstlerische Leiter der Serpentine Gallery, Hans Ulrich Obrist.
"Es war eine wirklich sehr einfache Entscheidung, weil wir sind ja seit Jahren von ihm fasziniert. Und dieses Jahr war besonders richtig und der richtige Augenblick, weil (Galerie-Chefin) Yana Peel und ich finden, es ist ganz wichtig, dass der Pavillon viel mit Community zu tun hat, dass es auch Auslöser ist für Community, ein Thema, was für Francis Kéré ganz wichtig ist. Wir haben dann mit unserer Jury uns die zehn Projekte angeguckt und daraus dann eben dieses ausgewählt. Für uns ist es wirklich ein Traum, der in Wahrheit gegangen ist, weil es ist Kérés erste Struktur in London. Wir glauben, London 2017 braucht Kéré."
Im Exposé zu seinem Pavillonentwurf spricht Kéré von einem "Mikrokosmos", in dem zweierlei zur Einheit verschmilzt: die Kultur seiner afrikanischen Heimat und eine an der Natur orientierte, experimentelle Bautechnik.
"Die Inspiration kommt vom Baum"
Und wovon ließ er sich vor allem inspirieren?
"Die Inspiration kommt vom Baum, Baum als Begegnungsorte von Menschen. Das passiert oft in Burkina, es ist sehr warm, es ist sehr heiß und trocken. Und dann es gibt 'ne intensive Regenzeit. In diesem Platz ist es so, Sie werden sehen, dass Menschen sofort, wenn die Sonne da scheint, sich bewegen hin zu schattigen Plätzen. Das sind Bäume! Und das ist der Ort, wo man sich begegnet während des Tages. Und dasselbe wollte ich hier. Ich wollte eine Inspiration vom Baum in der Landschaft schaffen, das war die Idee."
Und das ist Kérés Sommer-"Parkhaus" geworden: ein so lichtdurchflutetes wie schattiges Plätzchen unter einer alles überragenden "Baumkrone".
Das kreisrunde, flache Lattenholzdach – ein Sonnenschirm mit 50 Metern Durchmesser – wird gestützt von einem Geflecht aus dünnen Stahlträgern, die von gekrümmten, blauen, transparenten Außenwänden – ebenfalls aus Holz – umfasst sind. Insgesamt vier Eingänge führen in einen offenen, luftigen Innenhof.
Eine Besonderheit ist: das Dach hat Trichterfunktion! Es sammelt das Regenwasser und bündelt es in der Mitte zu einem Wasserfall, der in die Kanalisation läuft und anschließend wieder zur Bewässerung der umliegenden Grünflächen dient.
"Das Wasser wird gesammelt. Wir können über die Drainage... das Drainagesystem... über 9000 Liter Wasser sammeln, ja, und dann den Garten bewässern. Das ist, was ich will, dass der Besucher dann weiß und mit nach Hause nimmt: Umgang mit Natur!"
"Der Höhepunkt meiner Karriere"
Community, soziales Engagement, Naturerlebnis, eine ökologisch sinnvolle, ressourcenschonende Bauweise, Ästhetik nicht als Luxus, sondern als identitätsstiftender Funktionalismus: das ist es wohl, was an Kérés Konstruktionen immer wieder besticht... auch jetzt in London.
Auf sein Gastspiel im Park ist der Baumeister selber jetzt erstmal einfach nur ... stolz.
"Das ist, ehrlich gesagt, der Höhepunkt meiner Karriere. Es war mit viel Begeisterung, viel Druck, wenn ich darüber nachdenke an diese alle respektierten Künstler und Architekten, die schon mal hier gebaut haben. Der Druck war, dass man sich selber treu bleibt, aber gleichzeitig mit etwas ankommt, das ist frisch, aber das potentiell auch Überraschung birgt. Das ist, was ich gefühlt habe und machen wollte."