Zum Tod des Architekten Meinhard von Gerkan

Bewusstsein für das kleinste Detail

07:45 Minuten
Der Architekt Meinhard von Gerkan erhebt die Hände wie ein Dirigent über einem Modell für dem Neubau der Kunsthalle Mannheim.
Undogmatische Moderne: Meinhard von Gerkan vor einem Modell für den Neubau der Kunsthalle Mannheim © picture alliance / dpa / Uwe Anspach
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Nicole Dittmer |
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Sein Büro baute die Flughäfen Tegel und BER, es entwarf Museen, Stadien und ganze Stadtviertel in aller Welt. Jetzt ist der Architekt Meinhard von Gerkan mit 87 Jahren gestorben. Typisch für ihn war Liebe zum Detail.
Eigens entworfene Türklinken, Bodenfliesen und Stühle: Für ihre Vision des Berliner Stadtflughafens Tegel legten Meinhard von Gerkan und sein Mitgründer Volkwin Marg Wert auf das kleinste Detail. "Es ist wirklich ein Gesamtkunstwerk gewesen, und das für einen Verkehrsbau", sagt der Architekturkritiker Nikolaus Bernau. "Das war damals eine ganz große Sensation." Diese Genauigkeit und ein "extremer Perfektionsanspruch" haben entscheidend zum internationalen Erfolg des Büros gmp beigetragen, das von Gerkan und Marg gemeinsam führten, so Bernau.

Trauma der Nazizeit

Der 1935 in Riga geborene Meinhard von Gerkan, der in Hamburg in kleinen Verhältnissen aufwuchs und nach Studien in Jura und Physik zur Architektur fand, sei wie viele Architekten seiner Generation vom Trauma der Nazizeit geprägt gewesen, erklärt Bernau: "Das war eine zentrale Angelegenheit für ihn: Wir müssen bauen, um wirklich auch Kultur zu schaffen, um unser Land neu aufzubauen."
Die Überzeugung, dass jedes Gebäude "immer auch eine gesellschaftliche Aussage treffen muss", habe von Gerkan zeitlebens ausgezeichnet, sagt Bernau. Sein Architekturbüro habe es immer wieder verstanden, neue Themen aufzugreifen – etwa die Bedeutung von Natur und Umwelt, die Relevanz von gesellschaftlicher Diversität –, um die Fragen zu beantworten: Wie leben wir zusammen und wie wollen wir zusammenleben?

Mitwachsende Stadtviertel

Bei Shanghai sei es gmp gelungen, ein ganzes Stadtviertel mit einem zentralen See zu errichten, das Autofahrern wie Fußgängern gleichermaßen gerecht werde und mit dem enormen Bevölkerungswachstum in China Schritt halten könne, "ohne, dass man deswegen diese fürchterlichen gigantischen Plattenbauviertel baut, die dort im Normalfall entstanden sind".

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Skandale, die in der Öffentlichkeit mit von Gerkans Büro verbunden werden, wie die um den Flughafen BER und den Berliner Hauptbahnhof, beruhten bei genauerer Betrachtung auf Fehlern der Auftraggeber, so Bernau. Mit von Gerkans Namen werden sie – zu Unrecht – wohl dennoch verbunden bleiben.

Leidenschaft für Technik

Mit der zurückhaltenden, oft kühlen und von einer großen Leidenschaft für Technik zeugenden Architektur, die gmp auszeichne, habe von Gerkan an die Tradition der Vorkriegsmoderne angeknüpft, sagt Bernau. "Aber es ist sehr rücksichtsvoll, es ist nicht so dogmatisch."
Von Gerkan sei sehr zugänglich und offen für einen Gedankenaustausch über das Bauen gewesen, sagt Architekt Helmut Schulitz. Beide haben an der TU Braunschweig gelehrt. Gerkan habe sich darauf konzentriert, was die ursprüngliche Moderne gewollt habe: eine Rückkehr auf das Wesentliche, ohne Überflüssiges – darum sei er ein Gegner der Postmoderne und des Dekonstruktivismus geblieben. Gerkans Credo sei immer geblieben, dass alle Bauvorhaben ganzheitlich entwickelt sein mussten, dabei konstruktiv, funktional und ästhetisch überzeugen sollten.
Auch dieser Ansatz zum Bauen habe wohl zum internationalen Erfolg Meinhard von Gerkans beigetragen, sagt Nikolaus Bernau. Als "phänomenaler Lehrer" habe er nachfolgende Generationen geprägt: "Er hat weltweit gelehrt, unglaublich viel geschrieben und einen Rieseneinfluss gehabt über seine vielen Schüler und ist deswegen wirklich ein Ausnahmearchitekt in der deutschen Nachkriegsgeschichte gewesen."
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