Mehr Mitbestimmung im öffentlichen Raum
Der Architekt Jan Liesegang möchte die Bürger zu mehr Mitbestimmung inspirieren - mit Projekten im öffentlichen Raum wie etwa einem Jugendzentrum oder einem umgestalteten Supermarkt. Das Interesse daran nehme zu, sagt er.
Was machen wir aus dem öffentlichen Raum? Diese Frage treibt den Architekten Jan Liesegang um. Er ist Mitbegründer des "raumlabor Berlin". 1999 wurde es als Interessensgemeinschaft von mehreren Künstlern und Architekten einer studentischen Freundesgruppe gegründet. Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Kunst, Architektur, Städtebau, Aktionskunst und Landschaftsarchitektur.
Ein Idealist
Jan Liesegang ist Idealist. Er möchte gestalten und feste Strukturen verändern. Das übliche Wettbewerbswesen in der Architektur liegt ihm nicht. Mit Projekten, die oft im öffentlichen Raum stattfinden, möchten er und sein Team die Bürger zu mehr Mitbestimmung inspirieren. Ein Beispiel für ihre Arbeit ist das "House of Time" für Jugendliche im belgischen Brügge:
"Das ist eigentlich ein zweigeteiltes Projekt – einerseits ist es ein Teil der Triennale, also eigentlich ein Kunstprojekt, andererseits ist es ein soziales Projekt, was über drei Jahre läuft, wo wir gefragt wurden, ob wir nicht im Rahmen der Triennale mit Jugendlichen zusammen etwas machen wollen. Wir haben uns dann entschlossen, das zu verbinden, haben dann lange nach einem Ort gesucht und dann ein altes Fabrikgebäude gefunden mit einem verwilderten Garten davor. (…) 'House of Time' steht für uns dafür, einen Raum aus dieser Ökonomisierung von allem herauszunehmen."
"Floating University" in ehemaligem Regen-Auffangbecken
Es wurde eine Werkstatt eingerichtet und die Jugendlichen wurden gefragt, was sie machen wollen. In einem Workshop entstand eine Art japanisches Bad. Schnell war klar, dass praktisch gearbeitet werden muss – mit sichtbaren Fortschritten.
Ein weiteres Beispiel ist die "Floating University" im ehemaligen Regen-Auffangbecken des Flughafen Tempelhof.
"Das ist ein Ort der Begegnung. Das ist in der Stadt einer der immer noch unentdeckten Orte. Wenn man dahin kommt vergisst man innerhalb von fünf Minuten, dass man in Berlin ist. Die Idee ist, darüber nachzudenken, wie die Architekturausbildung, das Studieren über Raum offener werden kann: Wie kann man neue Formen des Austauschs finden - auch über diesen Ort selber nachzudenken und weiterzubauen. Und da sind dann so Themen wie Recycling und ressourcenschonendes Bauen wichtig. Es gibt zum Beispiel eine Kläranlage, die von einer Künstlerin zusammen mit den Studenten dort gebaut wurde."
"Heute findet ganz viel auf der Straße statt"
Im südafrikanischen Durban hat Liesegang mit "raumlabor" neben einer Autobahn aus ausgeschlachteten Autowracks ein Schattendach für Fußgänger gebaut. In Turin hat er zusammen mit Anwohnern ein altes Supermarktgebäude samt Vorplatz umgebaut, nach deren Vorstellungen, ein Projekt, das sich über mehrere Jahre entwickelt hat. Bürgerbeteiligung sieht Liesegang durchweg positiv:
"Wir haben das Gefühl, dass das Interesse am öffentlichen Raum sehr stark zunimmt und dass es seit der Zeit, in der wir studiert haben, ganz große Veränderungen gibt. Man geht mehr raus. Heute findet ganz viel auf der Straße statt. Das Bewusstsein darüber, dass die Stadt auch ein Möglichkeitsraum sein kann, das ist, glaube ich, in einer Art von Zeitgeist einfach vorhanden. Und wir waren da zusammen mit vielen anderen Kreativen so eine Art Katalysatoren, da Methoden zu entwickeln, wie so eine Aneignung stattfinden kann."