Bauen für den Frieden
Was können Architekten in Krisenregionen wie Afghanistan, Palästina oder Kosovo bewirken? Die Schau im Architekturmuseum der TU München setzt auf nüchterne Information. Sie zielt darauf, dass Architekten ihr Handwerk neu überdenken.
"Less aesthetics, more ethics" – so nannte vor einigen Jahren Massimiliano Fuksas das Motto der Architektur-Biennale in Venedig. Fuksas wollte die Architekten für soziale und ethische Fragen interessieren, nicht nur für ästhetische. Diese Haltung setzte sich durch, als Andres Lepik vor drei Jahren die Ausstellung "New Architectures of Social Engagement" im New Yorker MoMA kuratierte. Wenig später wurde die Schau auch in Frankfurt und München gezeigt. Damit setzte Andres Lepik auf klaren Bruch mit dem gängigen architekturhistorischen Diskurs.
Die neue Linie bestätigt auch die Ausstellung, die das Architekturmuseum jetzt präsentiert. Sie heißt "The Good Cause", kommt ohne sogenannte Stararchitekten aus und buchstabiert aufs Neue die soziale Rolle des Architekten. Lepik, mittlerweile Direktor des Münchner Architekturmuseums, räumt gerne mit lieb gewonnenen Rollenverständnissen auf:
"Ich sehe ein sehr hohes Entwicklungspotenzial von den Industriestaaten bis zu den Entwicklungsstaaten, mit Projekten, wie wir sie in der Ausstellung zeigen, ein neues gesellschaftliches Bild des Architekten hervorzubringen, in dem der Architekt nicht mehr nur der Dienstleister für ( ... ) den kleinen Prozentsatz in der Bevölkerung ist, der das politische und ökonomische Kapital hat."
Kuratiert wurde "The Good Cause" von deutschen und holländischen Architekten, die das Netzwerk "Architecture of Peace" und die Zeitschrift "Volume" gründeten. Die Arbeit in Krisenregionen lässt sich natürlich nur schwerlich vermitteln, aber die Ausstellung zeigt anschaulich, welchen Beitrag Architekten in Prishtina oder Kabul leisten können. Sie setzt wenig auf grelle Präsentationstechnik, vielmehr auf nüchterne Information. Und sie zielt darauf, dass Architekten ihr ursprünglich gelerntes Handwerk von Grund auf überdenken. Dafür plädiert auch der Amsterdamer Friedensforscher Gerd Junne, der das Netzwerk "Architecture of Peace" berät. Er fand heraus, dass Städte nach dem Krieg fast immer mit den gleichen demografischen Problemen kämpfen:
"Während des Konflikts ziehen die Menschen in die Städte, weil sie ihnen mehr Sicherheit bieten. Städte wie Kabul explodieren regelrecht während der kriegerischen Auseinandersetzungen. Eine wichtige Aufgabe von 'Architecture of Peace' sehe ich darin, weitere ungeregelte Urbanisierungsschübe zu verhindern."
Zu dem Architekten-Netzwerk gehört auch der Stadtplaner Kai Vöckler, Programmdirektor der Berliner Stiftung Archis Interventions. Vöckler wirkt seit 2005am Wiederaufbau von Prishtina mit. Er arbeitet mit den örtlichen Behörden zusammen und überzeugte den Bürgermeister, die wilde Urbanisierung an den Stadträndern zu stoppen, einen Ausgleich zwischen Kommune und Rückkehrern zu erzielen.
Eine Brücke in Mostar dient der Heilung
Auch Mostar, eine andere Stadt aus dem untergegangenen Jugoslawien, findet sich in der Münchner Ausstellung. Einst galt die Stadt als multiethnischer Schmelztiegel aus Kroaten, Serben und Bosniaken. Später, nach Bombardierung der osmanischen Neretva-Brücke, war Mostar zerstört, streng abgeschottet in ethnische Enklaven. Heute, nachdem die Brücke wiederaufgebaut wurde, scheinen die tiefen Wunden allmählich zu verheilen.
Wie der Brücken-Wiederaufbau zeigt, sind Architekten an diesem Heilungsprozess mitunter maßgeblich beteiligt. Ein anderes Beispiel ist der Südafrikaner Jolyon Leslie, der in Kabul mit Hilfe der Aga Khan Stiftung den Königlichen Garten restaurierte. Leslie berichtet, dass der Garten heute äußerst beliebt ist und häufig von den Kabulern für Feste genutzt wird. Auch Friedensforscher Gerd Junne betont die Rolle des Architekten:
"Architekten können im Versöhnungsprozess eine wichtige Rolle übernehmen. Die bezieht sich nicht nur auf Raumplanung oder konkrete Bauprojekte. Der Architekt ist in gesellschaftlichen Prozessen gefragt. Dabei geht es um die Frage: Welches Gebäude wird benötigt? Wo liegen die Prioritäten?"
Aufblasbarer Pavillon in Palästina
Architekten arbeiten aber auch in Städten, in denen die kriegerischen Konflikte andauern. Das gilt für die Restaurierung des historischen Zentrums im palästinensischen Birzeit. Oder auch für das Flüchtlingscamp Ein Hawd bei Haifa. Die israelische Architektin Malkit Shoshan nennt ihr Projekt "Ein Hawd. One Land Two Systems". Mit ihrer Stiftung FAST ließ sie in der palästinensischen Siedlung, die vom israelischen Staat niemals legalisiert wurde, ein Gemeindezentrum errichten – einen aufblasbaren, mobilen Pavillon. Ein Gebilde, das die israelischen Piloten aus der Luft für ein großes Herz halten könnten.
Ebenso wie die israelisch-palästinensische Initiative "Decolonizing Architecture" setzt sich Malkit Shoshan dafür ein, in palästinensischen Siedlungen öffentliche Einrichtungen und Plätze zu schaffen. Der Bedarf nach öffentlichen Treffpunkten in diesen Siedlungen ist gewaltig:
Ebenso wie die israelisch-palästinensische Initiative "Decolonizing Architecture" setzt sich Malkit Shoshan dafür ein, in palästinensischen Siedlungen öffentliche Einrichtungen und Plätze zu schaffen. Der Bedarf nach öffentlichen Treffpunkten in diesen Siedlungen ist gewaltig:
"In vielen Ländern gibt es keine öffentlichen Räume. Kriegszerstörungen bieten immerhin den Vorteil, neue öffentliche Räume zu schaffen, wo sich Leute treffen und austauschen, wo sie Handel treiben können."
Andres Lepik bringt als neuer Direktor frischen Wind ins Architekturmuseum, das seit zwölf Jahren in den weihevollen Räumen der Pinakothek der Moderne untergebracht ist. Er beobachtet gegenwärtige gesellschaftliche Probleme und sucht nach architektonischen Lösungen. Das verdeutlicht auch "The Good Cause": Die Ausstellung regt Architekten dazu an, grundsätzlich über das Selbstverständnis ihres Berufsstandes nachzudenken. Und sie zeigt den übrigen Besuchern, wie vielfältig die Herausforderungen für Architekten in Krisengebieten sind.