Architektur

Bezaubernder Baustoff Beton

Die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid entwarf das Heydar Aliyev Center in Baku. Das 2014 fertiggestellte Gebäude gilt als eins der modernen Symbole der aserbaidschanischen Hauptstadt.
Die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid entwarf das Heydar Aliyev Center in Baku. Das 2014 fertiggestellte Gebäude gilt als eins der modernen Symbole der aserbaidschanischen Hauptstadt. © picture alliance / dpa / Robert Ghement
Von Eva Hepper |
Das opulent bebilderte Buch "100 Contemporary Concrete Buildings" von Philip Jodidio versammelt die spektakulärsten Betonbauwerke der letzten Jahrzehnte. Sie wurden von Stararchitekten wie David Chipperfield, Zaha Hadid oder Renzo Piano erbaut.
Für einen Kirchenbau ist er mit knapp 6 Metern Breite, 18 Metern Länge und noch nicht einmal 6 Metern Höhe geradezu winzig. Auch ähnelt die "Kirche des Lichts" (Osaka, 1989) des japanischen Architekten Tadao Ando eher einer rechteckigen Kiste als einem sakralen Gebäude - zumal der Kubus als reiner Betonbau ausgeführt ist. Magisch jedoch wirkt die kreuzförmige Öffnung hinter dem Altar, die vom Boden bis zur Decke und von der linken bis zur rechten Wand reicht und die Oberfläche des Sichtbetons zum Schimmern bringt.
Tatsächlich ist Beton heute nicht nur das am meisten verwendete, künstliche Baumaterial. Beton hat sich auch als einer der edelsten Baustoffe der zeitgenössischen Architektur etabliert, wie Philip Jodidio in einem opulent bebilderten Buch zeigt. Der Kunsthistoriker und Architekturautor versammelt darin die weltweit spektakulärsten Betonbauwerke der letzten Jahrzehnte; darunter Wohnhäuser, Museen, Bibliotheken, Kirchen und Brücken. Erbaut wurden sie von namhaften Architekten wie David Chipperfield, Zaha Hadid oder Renzo Piano und von Newcomern wie etwa Vo Trong Nghia oder Tatiana Bilbao.
Jedem Haus widmet Jodidio mehrere Seiten. Ein begleitender Text stellt Architekten und Gebäude vor. Bauplanerische Skizzen und hervorragende Fotografien bieten Strukturen, Innen-, Außen-, Gesamt und Detailansichten.
Gigantische Bögen, gewrungene Brücken
Nicht wenige der Bauwerke zeigen, dass Bauen mit Beton heute bis an die Grenzen des statisch Möglichen geht. Etwa das ganz in Weiß gehaltene Auditorium von Santiago Calatrava auf Teneriffa (2003), dessen Dach sich als gigantischer Bogen in eine Höhe von 60 Metern hinaufwölbt. Oder die skulptural anmutende, in sich verwrungene Brücke über die Schanerloch-Schlucht (2005) der österreichischen Brüder Marte. Und auch der aus fünf Türmen bestehende, gigantische Wohnblock, von Steven Holl im chinesischen Chengdu (2012) errichtet, verblüfft durch extreme Winkel.
Vo Trong Nghia und Tatiana Bilbao hingegen betonen das Element der Natur. Während der Vietnamese sein Gebäude in Ho Chi Minh-Stadt (2011) mit diversen Schichten Betonpflanzkästen zum üppigen Grün macht, setzt die Mexikanerin ihre Casa Ventura (Monterrey, 2012) wie eine Schachtel-Ansammlung auf einen Berghang.
Highlights sind auch die von Künstlern entworfenen Gebäude und Installationen. Das raue, auf Stützen stehende Betonrechteck von Carsten Höller und Marcel Odenbach (Ghana, 2009) besticht durch seine Purheit und die zum Meer hin offen gehaltenen Räume. Und dass Beton auch bezaubern kann, zeigt nicht nur Andos Kirche in Osaka, sondern auch die temporäre Installation James Turrells, der das New Yorker Solomon R. Guggenheim Museum in Licht tauchte und die Beton-Rotunde somit ins Unendliche fortführte.
Jodidio ist ein schönes Buch gelungen, das die Bandbreite und den Ideenreichtum zeitgenössischer Betonbauten eindrucksvoll vorführt. Dass der Autor in seiner Einleitung zudem die Geschichte des Bauens mit Beton von der Antike bis heute Revue passieren lässt, macht es zudem zu einem hilfreichen Nachschlagewerk.

Philip Jodidio: 100 Contemporary Concrete Buildings
mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch,
2 Bände im Schuber, 730 Seiten, Taschen Verlag, 2015, 39,99 Euro

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