Architektur des Widerspruchs
Ai Weiwei sitzt nicht mehr im Gefängnis, darf aber nicht reisen und sich nicht politisch äußern. Sein Schicksal ist auch in Bregenz Thema, wo im Kunsthaus Architekturprojekte des chinesischen Regimekritikers gezeigt werden.
Auf den Einladungskarten zur Ausstellung sieht man Ai Weiwei, wie er die Treppen des kubischen Bregenzer Kunsthauses erklimmt, eine nette Erinnerung. Inzwischen gibt es Solidaritäts-Billboards an der Seepromenade und Einkaufstaschen mit der Aufschrift "Free Ai Weiwei". Die Forderung ist noch aktuell: Zwar sitzt der Künstler nicht mehr im Gefängnis, zwar darf er wieder Handy und Internet benutzen und Gäste empfangen, aber er darf sich überhaupt nicht politisch äußern. Und reisen darf er auch nicht. Das, was seine Arbeit ausmacht, ist ihm also untersagt: Er ist ein Gefangener im eigenen Haus.
Ursprünglich sollte es in der Ausstellung um die Beziehung von Architektur und freier Kunst gehen, und natürlich wird auch das nebenbei abgearbeitet. Im Grunde aber wird hier das groteske Missverhältnis inszeniert, unter dem der Kunstunternehmer Ai Weiwei leidet: einerseits beschäftigt er Dutzende von Mitarbeitern, ist in allen Medien präsent und bekommt auch in China Aufträge, ganze Stadtviertel zu gestalten; andererseits ist er ein machtloses Nichts, das in seinem Privathaus sitzt und wartet. Diese seltsame Situation der Erwartung, der Potenzialität, stellt sich auch in der Ausstellung her: Die größte Arbeit, "Ordos 100", eine fast 500 Quadratmeter große Installation aus Holzmodellen, wurde extra für Bregenz angefertigt. Sie ist eine Art Masterplan für ein städtebauliches Projekt: Vor drei Jahren hatte Ai Weiwei 100 Architekten aus aller Welt eingeladen, Einfamilienhäuser für eine Modellstadt in der mongolischen Steppe zu entwerfen. Bauen wir Häuser in die Wüste! Die eingereichten Arbeiten reichen vom Wohnbunker bis zur Wohninsel auf Stelzen, von Häusern, die wie löchriger Käse aussehen, bis zu übereinandergeschachtelten geometrischen Elementen. Es sind Architektur-Fantasien postmoderner Youngster, die für die chinesische Gesellschaft Input liefern sollen.
Es ist völlig unklar, ob je etwas von dieser Traumstadt verwirklicht werden wird. Und wenn, dann könnte man gleich kritisch einwenden: Ach, noch so eine gated community – jedes Haus, das war die Vorgabe, kostet 1,5 Millionen Dollar; ein Projekt für die chinesischen Neureichen. Also für die, deren politische Repräsentanten Ai Weiwei eingebuchtet haben. Das sind so die kleinen Nebenwidersprüche. Als künstlerische Arbeit aber hat diese riesige hölzerne Fläche surreale Qualitäten: Es ist ein Hybrid aus Stadtmodell und abstrakter Plastik, aus massiven, gesichtslosen Klötzchen, die lediglich die Außenhaut der Gebäude in computergesteuerter Fräsung nachvollziehen.
Die Ausstellung beginnt mit Ai Weiweis eigenen Vorschlägen für Einfamilienhäuser: Auch hier sieht man ein systematisches Denken, das mit abstrakten Elementen hantiert – als würde man lauter Kisten von Donald Judd gegeneinander verschieben. Daneben die eher nichtssagenden Schaumgummi-Modelle für ein Geschäftszentrum im südchinesischen Jinhua. Gänzlich anders ist dann das seltsame, aus allerlei angeberischen Verstrebungen bestehende Nest, das die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron den Chinesen als Olympiastadion hingestellt haben und an dem Ai Weiwei mitgearbeitet hat; er hat die pur kommerzielle Nutzung später kritisiert, dennoch sind die Modelle und Vorarbeiten Teil der Ausstellung, unter anderem, wie rührend, ein chinesisches Sitzkissen als Inspirationsquelle ...
Würde ein deutscher Künstler uns mit der Mitteilung belästigen, er versuche, mit seinen Arbeiten die Gesellschaft zu verändern, wir würden nur müde grinsen. Ai Weiwei hat genau diesen Anspruch, in ganz anderen Verhältnissen, und die Mischung aus emphatischer Zustimmung und Mitleid, die ihm entgegenschlägt, sagt wenig über ihn, aber viel über uns und unser Verhältnis zur politischen Exotik. Ai Weiweis lakonische Smog-Videos über die Massenverkehrsstraßen in Peking sind nun schon Klassiker. Die Fotos über die Zerstörung seines Ateliers in Shanghai rufen wohlige Schauder der Empörung hervor. Was er wirklich will und ist, das wird (wahrscheinlich) immer noch am besten von jenen "Moon Chests" repräsentiert, die im obersten Stock des Kunsthauses ihre minimalistische Aura entfalten: Zwar wirken sie, im Kontext der Ausstellung, wie seltsame Hochhäuser, aber sie sind eben alten, traditionellen chinesischen Schränken nachempfunden. Aufrecht und kalt stehen sie da, wie hochkant gestellte Särge, und Ai Weiwei hat Löcher in jeden Schrank gesägt, die, in der Zusammenschau aller acht Objekte, die Mondphasen repräsentieren. Ach ja, die Erde ist unbewohnbar wie der Mond. Aber es liegt an uns, das zu ändern.
Informationen des Kunsthauses Bregenz zur Ausstellung von Ai Weiwei
Ursprünglich sollte es in der Ausstellung um die Beziehung von Architektur und freier Kunst gehen, und natürlich wird auch das nebenbei abgearbeitet. Im Grunde aber wird hier das groteske Missverhältnis inszeniert, unter dem der Kunstunternehmer Ai Weiwei leidet: einerseits beschäftigt er Dutzende von Mitarbeitern, ist in allen Medien präsent und bekommt auch in China Aufträge, ganze Stadtviertel zu gestalten; andererseits ist er ein machtloses Nichts, das in seinem Privathaus sitzt und wartet. Diese seltsame Situation der Erwartung, der Potenzialität, stellt sich auch in der Ausstellung her: Die größte Arbeit, "Ordos 100", eine fast 500 Quadratmeter große Installation aus Holzmodellen, wurde extra für Bregenz angefertigt. Sie ist eine Art Masterplan für ein städtebauliches Projekt: Vor drei Jahren hatte Ai Weiwei 100 Architekten aus aller Welt eingeladen, Einfamilienhäuser für eine Modellstadt in der mongolischen Steppe zu entwerfen. Bauen wir Häuser in die Wüste! Die eingereichten Arbeiten reichen vom Wohnbunker bis zur Wohninsel auf Stelzen, von Häusern, die wie löchriger Käse aussehen, bis zu übereinandergeschachtelten geometrischen Elementen. Es sind Architektur-Fantasien postmoderner Youngster, die für die chinesische Gesellschaft Input liefern sollen.
Es ist völlig unklar, ob je etwas von dieser Traumstadt verwirklicht werden wird. Und wenn, dann könnte man gleich kritisch einwenden: Ach, noch so eine gated community – jedes Haus, das war die Vorgabe, kostet 1,5 Millionen Dollar; ein Projekt für die chinesischen Neureichen. Also für die, deren politische Repräsentanten Ai Weiwei eingebuchtet haben. Das sind so die kleinen Nebenwidersprüche. Als künstlerische Arbeit aber hat diese riesige hölzerne Fläche surreale Qualitäten: Es ist ein Hybrid aus Stadtmodell und abstrakter Plastik, aus massiven, gesichtslosen Klötzchen, die lediglich die Außenhaut der Gebäude in computergesteuerter Fräsung nachvollziehen.
Die Ausstellung beginnt mit Ai Weiweis eigenen Vorschlägen für Einfamilienhäuser: Auch hier sieht man ein systematisches Denken, das mit abstrakten Elementen hantiert – als würde man lauter Kisten von Donald Judd gegeneinander verschieben. Daneben die eher nichtssagenden Schaumgummi-Modelle für ein Geschäftszentrum im südchinesischen Jinhua. Gänzlich anders ist dann das seltsame, aus allerlei angeberischen Verstrebungen bestehende Nest, das die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron den Chinesen als Olympiastadion hingestellt haben und an dem Ai Weiwei mitgearbeitet hat; er hat die pur kommerzielle Nutzung später kritisiert, dennoch sind die Modelle und Vorarbeiten Teil der Ausstellung, unter anderem, wie rührend, ein chinesisches Sitzkissen als Inspirationsquelle ...
Würde ein deutscher Künstler uns mit der Mitteilung belästigen, er versuche, mit seinen Arbeiten die Gesellschaft zu verändern, wir würden nur müde grinsen. Ai Weiwei hat genau diesen Anspruch, in ganz anderen Verhältnissen, und die Mischung aus emphatischer Zustimmung und Mitleid, die ihm entgegenschlägt, sagt wenig über ihn, aber viel über uns und unser Verhältnis zur politischen Exotik. Ai Weiweis lakonische Smog-Videos über die Massenverkehrsstraßen in Peking sind nun schon Klassiker. Die Fotos über die Zerstörung seines Ateliers in Shanghai rufen wohlige Schauder der Empörung hervor. Was er wirklich will und ist, das wird (wahrscheinlich) immer noch am besten von jenen "Moon Chests" repräsentiert, die im obersten Stock des Kunsthauses ihre minimalistische Aura entfalten: Zwar wirken sie, im Kontext der Ausstellung, wie seltsame Hochhäuser, aber sie sind eben alten, traditionellen chinesischen Schränken nachempfunden. Aufrecht und kalt stehen sie da, wie hochkant gestellte Särge, und Ai Weiwei hat Löcher in jeden Schrank gesägt, die, in der Zusammenschau aller acht Objekte, die Mondphasen repräsentieren. Ach ja, die Erde ist unbewohnbar wie der Mond. Aber es liegt an uns, das zu ändern.
Informationen des Kunsthauses Bregenz zur Ausstellung von Ai Weiwei