Architekturbiennale Venedig

Mehr als nur Containerdörfer

Nicht nur in der Oberpfalz, sondern in ganz Deutschland ist die Unterbringung von Flüchtlingen ein wichtiges Thema.
Nicht nur in der Oberpfalz, sondern in ganz Deutschland ist die Unterbringung von Flüchtlingen ein wichtiges Thema. © imago/Westend61
Von Claudia Wheeler |
Im deutschen Pavillon auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig dreht sich alles um das Thema Bauen für Flüchtlinge. Das Konzept "Making Heimat" wird am Donnerstag vorgestellt. Kurator Oliver Elser gewährt vorab Einblicke.
Making Heimat. Allein dieser Titel zeigt schon, worum es den Kuratoren des Deutschen Pavillons geht: Es geht darum, Heimat zu schaffen, für die tausenden von Flüchtlingen, die jeden Monat nach Deutschland kommen.
Elser: "Es ist nicht davon auszugehen, dass alle diejenigen, die hierhergekommen sind, dass dort die Verhältnisse, in den Heimatländern sich so bald ändern werden, dh. es geht hier wirklich um eine langfriste Perspektive und dh. wir sollten nicht davon ausgehen, dass das hier vorübergehende Gäste sind, sondern es geht wirklich darum, eine Form von neuer Heimat zu schaffen."
Und damit ist klar, was Heimat für Oliver Elser nicht ist: Containerdörfer, Zeltstädte, leerstehende Gebäude.

Günstig und schnell bedeutet nicht automatisch Container

Mit dem Architekturmuseum Frankfurt macht er sich auf die Suche nach Bauten für Flüchtlinge und Migranten, die bereits fertig gestellt wurden, im Bau sind oder demnächst gebaut werden. Eine Bestandsaufnahme, dokumentiert auf einer Webseite, die am Donnerstag freigeschaltet wird.
"Wir haben jetzt nicht ausgewählt im Sinne des besten Konzepts. Das war auch die Neugierde, die wir selber verspürt haben, erstmal wissen zu wollen, was ist eigentlich der status quo. Deswegen haben wir kaum etwas ausgeschlossen, wir wollten bewusst keine best practise Sammlung haben, sondern 'nen breites Spektrum der Realität auch abbilden. Es ist ein laufender, ein offener Prozess. Wer Projekte hat, der kann uns die gerne schicken, ich glaube, das Thema wird uns noch ziemlich lange beschäftigen, und dann nehmen wir auch weiterhin Beispiele auf."
45 Bauten sind bisher dokumentiert und sie zeigen vor allem eines: Günstig und schnell bedeutet sich nicht automatisch Container.
"Von den Preisen her ist es ähnlich, ob ich jetzt einen richtigen dauerhaften Holzbau errichte, oder einen Container baue. Es ist egal, und man sieht jetzt, dass viele Kommunen sich in die Verstetigung machen, und da ganz normalen Wohnungsbau betreiben. Die Tendenz ist im Augenblick wirklich ein normaler Wohnungsbau."
Natürlich sind viele Modulbauten dabei, die sich beliebig erweitern und umbauen lassen, oft gibt es halboffene Treppenhäuser, großzügige Balkone. Es gibt durchmischte Wohnprojekte mit Studenten, Flüchtlingen und Künstlern.

Architektur als wichtigen Baustein zur Integration

Aber es geht Oliver Elser nicht nur um Flüchtlingsarchitektur. Für ihn ist die aktuelle Diskussion um Unterkünfte für Flüchtlinge die Gelegenheit, eine ernsthafte Debatte um günstigen Wohnraum zu führen. Und da sind besonders Architekten und Stadtplaner gefordert.
"Man muß sich auch wirklich überlegen, für wen baut man jetzt, sollte man nicht im Grund auch für eine untere Mittelschicht bauen, die sich Wohnraum kaum leisten kann in den Städten, und die jetzt in der Situation dadurch, dass jetzt gebaut würde, würde darüber natürlich auch eine Entlastung des Wohnungsmarkts insgesamt auftreten."
Es geht also um sozialverträgliches Bauen für alle, um Architektur als wichtigen Baustein zur Integration. Und hier kommt der vollständige Titel der Ausstellung ins Spiel: Making Heimat. Germany. Arrival City. Was ist überhaupt eine Ankunftsstadt?

"Diese Quartiere leisten eine ganz wichtige Funktion, nämlich man kommt dort an, aber man geht dann auch weiter so eine Form von sozialem, städtebaulichem Durchlauferhitzer, so könnte das vielleicht beschrieben. Und dieser Gedanke, solche Quartiere als arrival city anzuschauen, und sich anzusehen, da kommen Leute an die nutzen das als Ankunft aber auch als Aufstiegsort."

Oliver Elser spricht von Einwanderervierteln, aber können sie tatsächlich funktionieren – als Sprungbrett in die Gesellschaft? Vom Rand in die Mitte? Oder ist nicht die Gefahr groß, dass sich Ghettos, Parallelgesellschaften bilden? Solche Viertel dürfen eben nicht auf der grünen Wiese entstehen, meint Oliver Elser, sondern in den Städten.

Offenbach als Modell für die Architekturbiennale

Seiner Meinung nach hat jede größere Stadt ein Viertel, das als Arrival City funktioniere könnte. Auf der Architekturbiennale wollen Sie Offenbach als Vorzeigebeispiel präsentieren –als Ankunftsstadt für das gesamte Rhein-Main-Gebiet.
"Das heißt Leute kommen dort an, wohnen erst mal in der Innenstadt und ziehen dann weiter entweder in das Umland oder in bessere Teile von Offenbach. Offenbach hat in der Region so ein bisschen den Ruf eines härteren Pflasters, Im Sozialreferat dort die sagen ganz offen, wir leisten hier so ein bisschen die Drecksarbeit für das Rhein-Main-Gebiet und wenn die Leute sich stabilisiert haben, dann ziehen sie eigentlich weiter."

Es klingt ein bisschen so, also möchte auch der Deutsche Pavillon den internationalen Besuchern in Venedig entgegenrufen: "Wir schaffen das". Schaut her, es gibt Konzepte, die funktionieren, man muss es nur anpacken. Die Architekturbiennale ist sicherlich ein guter Ort um zu überprüfen, was Architektur für die Integration leisten kann.
Webseite der Architekturbiennale in Venedig
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