Architekturdebatte um "Rechte Räume"

Formen bedeuten nicht immer das Gleiche

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Eine Ansicht des Walter Benjamin Platzes in Berlin Charlottenburg. Strenge, klare Formen bestimmen das Bild.
Der Walter-Benjamin-Platz in Berlin-Charlottenburg: klare und straffe Strukturen. © Mike Wolff / imago-images
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Britta Bürger · 10.06.2019
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Eine neue Architekturdebatte ist entbrannt. "Rechte Räume" werden Bauten oder Orte genannt, denen nationalistische Bedeutungen zugeschrieben werden. Architekturkritiker Nikolaus Bernau beklagt in der Debatte verkürzte und vereinfachte Sichtweisen.
Die Debatte um "Rechte Räume" wurde ausgelöst durch eine Ausgabe der Zeitschrift "Arch+". "Da wird anhand einer Art Europareise anhand von Einzelfällen gezeigt, wie 'Rechte Räume' entstehen. Das geht über steinerne, kraftvolle Architektur mit großen Achsen", sagt unser Architekturkritiker Nikolaus Bernau.

Straffe, klare Linien und ein merkwürdiges Zitat

In dieser Debatte ist auch die Arbeit des Architekten Hans Kollhoff am Walter-Benjamin-Platz in Berlin in den Verdacht geraten, nationalistisch zu sein. "Der Platz ist mit seinen sehr klaren und sehr straffen Strukturen bei der Eröffnung 2001 ein Statement gewesen und wurde auch damals sehr heftig kritisiert", sagt Bernau.
"Es wurden Parallen zu den Planungen des Architekten Marcello Piacentini für Mussolini gezogen oder zu den Entwürfen für Berlin in den späten 30er-Jahren. Man hätte aber auch Parallelen zu dem Palais du Tokyo oder dem Trocadero in Paris ziehen können. Da wurden ganz ähnliche Formen benutzt. Die wurden aber von linken Volksfrontregierungen gebaut, sind also überhaupt nicht faschistisch."
Auf einer Steinplatte ist folgender Text zu lesen: "Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein / die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, / dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert."
Das Zitat aus einem Buch von Ezra Pound am Walter-Benjamin-Platz in Berlin ist Teil der Debatte um "Rechte Räume" in der Architektur.© Mike Wolff / TSP/ imago
Das am Walter-Benjamin-Platz von Kollhoff auf einer Steinplatte angebrachte Zitat aus einem Buch des aufgrund seiner Bewunderung und Unterstützung für den italienischen Faschismus umstrittenen Autors Ezra Pound könne man tatsächlich antisemitisch lesen, sagt Bernau. "Das Wort Usura kann man als Wucherer übersetzen und das war in den 30er-Jahren die Konnotation für Juden. Man kann es aber auch als eine massive Kritik am Kapitalismus lesen, der alle handwerkliche Architektur zerstört hat."

Neue Epoche, neue Wahrnehmung

Das Kernproblem bei der Debatte sei, dass sie viel zu undifferenziert ausgetragen wird, meint Bernau. "Da wird so getan, als ob Architekturformen immer das gleiche bedeuten würden. Natürlich ist Architektur immer politisch. Aber sie wird in unterschiedlichen Epochen unterschiedlich wahrgenommen. Was aus einer bestimmten Idee gebaut wurde, kann 20 Jahre später ganz gegensätzlich interpretiert werden. Architektur ist nie so eindeutig, wie sie gerade in dieser Debatte dargestellt wird."
(rja)
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