Wächter über das Gedächtnis der Päpste
Das Vatikanische Geheimarchiv gleicht einem lebenden Organismus und fördert immer wieder Neues zutage. Finsterste Mythen ranken sich um die päpstlichen Bücherkeller – dabei ist dort einiges anders, als die meisten Menschen denken.
Beim Vatikanischen Geheimarchiv ist einiges anders, als man sich vielleicht vorstellt. Und auch mit den Fantasien von Dan Brown hat es nur wenig zu tun. Zum Beispiel sind weite Teile dieses Archivs oberirdisch. In tiefe Keller muss man nicht hinabsteigen, um die hier aufbewahrten Dokumente einzusehen. Man muss aber vorbei an der Sant'Anna-Pforte und der Schweizer Garde. Mitten im kleinen Vatikanstaat liegt dieses Archiv, gleich neben der berühmten Bibliotheca Apostolica Vatikana.
Und die falschen Vorstellungen über diesen Ort, sie beginnen schon beim Namen, sagt Alexander Koller, der stellvertretende Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom:
"Dabei muss man sagen, dass der Titel 'Geheimarchiv' widersprüchlich sein kann. Denn geheim bedeutet nicht: abgeschottet, geheim zu halten, sondern kommt vom Lateinischen secretus und bedeutet eigentlich das persönliche Archiv des Papstes, das Privatarchiv des Papstes, hat also mit Geheimhaltung oder mit geheim zuhaltenden Dokumenten nichts zu tun."
"Dabei muss man sagen, dass der Titel 'Geheimarchiv' widersprüchlich sein kann. Denn geheim bedeutet nicht: abgeschottet, geheim zu halten, sondern kommt vom Lateinischen secretus und bedeutet eigentlich das persönliche Archiv des Papstes, das Privatarchiv des Papstes, hat also mit Geheimhaltung oder mit geheim zuhaltenden Dokumenten nichts zu tun."
81 Pergamente aus dem Mittelalter mit goldenen Siegeln
Der Lesesaal im ersten Stock ist ein heller, großer Raum mit Spitzbögen. Hier arbeiten Forscher aus aller Welt. Man muss nicht einmal katholisch sein, um hier eingelassen zu werden, es reichen ein Forschungsprojekt, die wissenschaftliche Qualifikation und gute Empfehlungen.
Hier kann man die vielen Regalkilometer Akten einsehen, zum Beispiel Briefwechsel, oder Berichte der päpstlichen Diplomaten aus aller Welt. Urkunden, Beglaubigungen, Abrechnungen aus den vergangenen Jahrhunderten. Vieles lagert in großen Schränken in den prächtigen oberirdischen Räumen des Archivs.
Seit 1980 sind die unterirdischen Fantasien aber zumindest etwas begründet. Seitdem gibt es den so genannten Bunker mit Platz für rund 43 Regalkilometer Akten und mit zwei klimatisierten Räumen. Da werden die besonderen Schätze aufbewahrt: 81 Pergamente aus dem Mittelalter mit goldenen Siegeln zum Beispiel, hier liegt auch das berühmte Wormser Edikt. Bischof Sergio Pagano, der Präfekt des Archivs:
"Das Archiv ist ein wenig der Wächter über das Gedächtnis der Päpste, des Heiligen Stuhls, der päpstlichen Diplomatie in der Welt. Also von allen Papieren, die nötig sind, um die Kirche von Rom aus zu regieren, von der römischen Kurie. Und dann hat es natürlich auch eine kulturelle Rolle, denn die Päpste lassen schon seit 1881 Gelehrte aus aller Welt hinein, um dies Papiere einzusehen. Das ist eine wichtige kulturelle Aufgabe."
Ein Teil der Dokumente ist inzwischen digitalisiert
Seit 1612 gibt es dieses Archiv. Papst Paul V. versuchte damals, etwas mehr Ordnung in die päpstlichen Papiere zu bringen. So ganz ist das noch nicht gelungen: die meisten päpstlichen Behörden im Vatikan haben auch noch ihre eigenen Archive, mit zum Teil sehr alten Dokumenten.
Im berühmten Geheimarchiv kann man förmlich spüren, wie über die Jahrhunderte Generationen von Archivaren versucht haben, zu ordnen, zu systematisieren. Eine Aufgabe, die noch lange nicht zuende ist: es gibt unzählige zum Teil handgeschriebene Findbücher, inzwischen stehen in den Archivräumen aber auch viele Computer, ein Teil der Dokumente ist digitalisiert.
In fast zwei Jahrtausenden Papstgeschichte hat sich einiges angesammelt. Vieles ist verloren gegangen, alles andere versucht man hier auch mit modernen Konservierungsmethoden zu erhalten.
Zur Zeit warten die Forscher übrigens darauf, dass die Akten aus der Zeit Pius XII. zugänglich gemacht werden, des Papstes während der Nazi-Zeit. Auch da besteht noch viel an Klärungsbedarf. So ist das Vatikanische Geheimarchiv fast wie ein lebender Organismus und fördert immer wieder Neues zutage.