ARD auf TikTok

Wer stärkt hier eigentlich wen?

21:03 Minuten
Ein TikTok-Logo im Hintergrund vor das ein Smartphone mit ARD-Logo gehalten wird
Wer auf TikTok nach Informationen zur Bundestagswahl sucht, wird Videos von der ARD bekommen © imago / Hans Lucas / Fotomontage Deutschlandradio
Stefan Köhler und Dirk von Gehlen im Gespräch mit Vera Linß und Dennis Kogel |
Audio herunterladen
Die ARD will hin zum jungen Publikum. Und TikTok sehnt sich nach seriösen Inhalten. Dass die beiden jetzt kooperieren, scheint also sinnvoll zu sein. Doch neben Zukunftschancen bietet das Projekt auch Gefahren.
TikTok ist nicht das erfolgreichste Soziale Netzwerk, aber aktuell sicher das, über das am meisten gesprochen wird. Das passiert im guten – moderne Popkultur ist ohne die Plattform schließlich momentan kaum denkbar – wie im schlechten. Das aktuellste Beispiel dafür ist ein Bericht vom "Spiegel", der Vorwürfe erhebt, dass das Unterehmen versucht habe, verdeckte Spenden an die Junge Union zu geben.
Für Dirk von Gehlen, Leiter der Abteilung Social Media / Innovation der "Süddeutschen Zeitung" zeigt das vor allem, "dass TikTok daran gelegen ist, sein eigenes Image in der deutschen Öffentlichkeit und auch im politischen Berlin zu heben". Und dieses Vorhaben scheint auch Erfolg zu haben, denn selbst Politiker aus Parteien, die das Soziale Netzwerk stark kritisierten, haben jetzt eigene Accounts in der App.

TikToks Vorschlag kam der ARD gerade recht

Ein weiterer Vorstoß für mehr Aufmerksamkeit ist eine Zusammenarbeit mit der ARD. Die jungen Wellen, "funk" und die "Tagesschau" produzieren Videos rund um die Bundestagswahl. Diese werden dann gesammelt auf einer Unterseite präsentiert und wer auf der Plattform nach Informationen rund um das Thema sucht, wird zu diesen Inhalten geleitet – eine Idee, die von TikTok selbst an die ARD herangetragen wurde.
"Die Kooperation kam zustande, weil unsere Interessen in dem Moment zusammen gepasst haben", sagt Stefan Köhler von "Das Ding". Köhler ist für den Auftritt verantwortlich. TikTok sei besonders spannend, weil der sehr hohe Anteil von 16 bis 25-Jährigen auf der App nun zum ersten Mal mit einer Bundestagswahl konfrontiert sei:
"Denen besonders gut Inhalte rund um die Wahl zugänglich zu machen, ihnen Fragen zu beantworten, die sie sich sicherlich stellen werden, auf die sie Antworten suchen und dafür zu sorgen, dass sie diese Antworten aus verlässlichen Quellen von uns bekommen – das erschien uns dann schon besonders sinnvoll."
Auch Dirk von Gehlen sieht die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit: "Aus Demokratieperspektive ist es richtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Weg wählt, um junge Hörerinnen und Hörer zu erreichen."

Öffentliche Inhalte auf einer privaten Plattform

Doch von Gehlen gibt zu bedenken, dass von solchen Kooperationen – egal ob TikTok oder Instagram – auch Unternehmen profitierten, für die neutrale Berichterstattung nicht das Ziel sei, sondern denen es darum gehe, Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf der Plattform zu halten und zu monetarisieren.
Von Gehlen beschreibt die Sozialen Netzwerke dabei als ein Einkaufszentrum, dessen Betreiber einlädt, Infostände zur Wahl aufzubauen. Der Betreiber kann dann einerseits Leuten sagen, dass sie doch vorbeikommen können, weil es bei ihm die Informationen gibt oder sich sogar darauf berufen, einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen.
Doch die Regeln, die in einem Einkaufszentrum gelten und die Impulse, aus denen es betrieben wird, sind eben andere, als die von öffentlichen Plätzen, die für alle frei zugänglich sind.
"Und in dieser Metaphorik gesprochen, muss man deutlich sagen, dass TikTok davon mindestens soviel profitiert wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk.", so Dirk von Gehlen.

Die Idee ist gut, muss aber überprüft werden

Diese Problematik sei auch ARD-intern diskutiert worden, sagt Stefan Köhler. Es werde immer von Fall zu Fall entschieden, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll sei oder nicht:
"Mit TikTok haben jetzt wirklich die Bedürfnisse der Plattform mit unseren Bedürfnissen sehr gut zusammengepasst. Die Plattform hatte das Ziel, seriöse Informationen zur Bundestagswahl zur Verfügung zu stellen. Wir hatten das Bedürfnis, dass diese Inhalte von uns kommen."
Das findet auch von Gehlen nachvollziehbar. Die spannende Frage kommt für ihn erst nach der Wahl. Er wünscht sich, dass die ARD Daten öffentlich machen würde, die nicht von Plattformen wie TikTok und Facebook selber kommen, um einen Abgleich zwischen den Behauptungen der Unternehmen und den tatsächlichen Resultaten zu ermöglichen. So könne man dann herausfinden, ob sich das Engagement tatsächlich ausgezahlt hat:
"Das wäre die nach der Wahl anzustellende Bewertungsfrage. Ich finde das jetzt gut, dass da zusammengearbeitet wird. Aber ich finde, dass wir auch als Öffentlichkeit nach der Wahl durchaus mal reingucken und fragen könnten: Hat sich das denn gelohnt?"
(hte)