"Bhagwan: Die Deutschen und der Guru" läuft am 15. Februar um 23:20 Uhr im Ersten
und ist bis zum 15.02.2022 in der ARD-Mediathek abrufbar. Die Serie "Wild, wild Country" finden Sie bei Netflix.
Was vom Kult um den Guru übrig bleibt
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In rötlichen Gewändern tanzten sie durch Köln oder Berlin. Vor gut 40 Jahren zog der indische Guru Bhagwan auch in Deutschland viele junge Menschen an. In einer Doku im Ersten erzählen sie von der Faszination und von den Abgründen der Sekte.
Der indische Guru Bhagwan Shree Rajneesh, gegen Ende seines Lebens Osho genannt, galt als charismatische Persönlichkeit. In den 1970er- und 1980er-Jahren fühlten sich auch in Deutschland viele junge Menschen von seiner Lehre angezogen. Sie kleideten sich in orange oder rote Gewänder, trugen Holzketten mit dem Antlitz des Meisters um den Hals und nannten sich Sanyasin.
Ausbruch aus der Enge der Nachkriegszeit
Im Dokumentarfilm "Bhagwan - Die Deutschen und der Guru" , der im Ersten gezeigt wird, erzählen ehemalige Gefolgsleute davon, was ihnen Bhagwans spirituelle Botschaft damals bedeutet hat. Vielen von ihnen sei es darum gegangen, "aus der Enge der Nachkriegsjahrzehnte" auszubrechen und "andere Körper- und Geschlechterbilder zu entwickeln", sagt der Filmkritiker Matthias Dell.
Die Lehre des Gurus habe seinerzeit auch prominente Zeitgenossen fasziniert, etwa den Philosophen Peter Sloterdijk und den TV-Moderator Peter Lustig, der durch die Kindersendung "Löwenzahn" bekannt wurde.
Der Film von Jobst Knigge, produziert vom WDR, erzähle chronologisch in der Art eines Einwicklungsromans von den Hoffnungen, Glücksmomenten und Enttäuschungen vieler Menschen, die Bhagwan gefolgt sind und ihrem Leben dadurch eine neue Richtung gaben, so Matthias Dell.
Sexuelle Befreiung und spirituelle Erlösung
Die Sannyasin gründeten Kommunen und suchten mit Meditation, Yoga, Singen und Tanzen nach sexueller Befreiung und spiritueller Erlösung. Daraus seien durchaus Geschäftsmodelle entstanden, erklärt Dell. Mit Diskotheken in Berlin, Hamburg und Hannover hätten die Bhagwan-Jünger bewusst ein Gegenangebot zu vielen Orten des Nachtlebens geschaffen, an denen es rauer und rücksichtsloser zugegangen sei.
"Wenn man sich das von heute aus anschaut", sagt Dell, "dann merkt man: Es geht um Abstand, Frauen fühlen sich sicherer, Männer sind nicht übergriffig. Das ist ja ein Thema, das wir heute bei Festivals und in Clubs als 'Awareness' sehr gut kennen."
Der Meister zeigt sich seinem Gefolge im Rolls-Royce
Der Film verschweige aber auch negative Entwicklungen des Bhagwan-Kults nicht, die sich vor allem in der US-amerikanischen Kommune des Gurus in Oregon gezeigt hätten, erklärt Dell. Dort sei der Meister in Schweigen verfallen und habe sich seiner Gefolgschaft quasi nur noch anlässlich von Drive-by-Auftritten in einer seiner vielen Rolls-Royce-Limousinen gezeigt, beschützt von schwer bewaffnetem Wachpersonal, wie ein Zeitzeuge sich in der ARD-Doku befremdet erinnert.
Die Rolle, die Bhagwans Assistentin Sheila dabei gespielt habe, komme in dem ARD-Film "etwas zu kurz in ihrer Komplexität", so Dell. Wer hierzu tiefere Einblicke gewinnen wolle, sei mit der 2018 produzierten Netflix-Serie "Wild, wild Country" besser bedient, die Sheila als "Evil Woman" und Freiheitskämpferin charakterisiere und die Geschichte von Bhagwans Lebensgemeinschaft in den USA als eine Art Western in Szene setze.
Jobst Knigges Dokumentation bleibe da sachlicher und schlage auch einen Bogen in unsere Gegenwart. Meditation und Yoga machten heute viele, betont Matthias Dell, die ganze Wellness-Bewegung fuße im Grunde auf Trends, die Bhagwan entscheidend mit angestoßen habe.
Gut 30 Jahre nach seinem Tod, so das überraschende Fazit der Doku, sei der durchaus heftig umstrittene Guru, dem einst auch Machtmissbrauch, Gier und Gewalt vorgeworfen wurden, zu einer "völlig unkontroversen" Figur geworden.
(fka)