„Argentina, 1985“
Argentinien, USA 2022
Regie: Santiago Mitre
Mit: Ricardo Darin, Peter Lanzani, Alejandra Flechner
Länge: 140 Minuten
Filmtipp: "Argentina, 1985"
Ricardo Darin und Peter Lanzani in einer Szene aus "Argentina, 1985" © picture alliance / Everett Collection / Amazon / Courtesy Everett Collection
Die Militärjunta auf der Anklagebank
05:23 Minuten
Argentinien, kurz nach Ende der Militärdiktatur: Staatsanwalt Julio Strassera soll die Gewalttaten gegen Oppositionelle in den Gefängnissen aufklären. Der Film zieht seine Spannung aus der Auseinandersetzung der Juristen mit den Tätern.
Um was geht es?
In den Zeiten der Militärdiktatur in Argentinien hat der Staatsanwalt Julio Strassera eher Vogel-Strauß-Taktik betrieben. Nun wird er beauftragt, die systematischen Ermordungen und die Folter von Oppositionellen in den Gefängnissen aufzudecken, dem Verschwinden Zehntausender Männer und Frauen auf den Grund zu gehen.
Dieses Vorhaben scheint zum Scheitern verurteilt, denn Militär und Polizei sabotieren die juristische Aufarbeitung. Die damaligen Machtinhaber bekleiden weiterhin wichtige Posten und wiegen sich ohnehin in Sicherheit.
Strassera und sein noch junger Kollege Luis Moreno Ocampo stellen ein Team aus noch unerfahrenen, dafür aber hochmotivierten Mitarbeiter*innen zusammen. Sie suchen nach Zeugen und Beweisen, recherchieren die Befehlsketten. Sie arbeiten unter Hochdruck, da ihnen nur wenige Monate bis zum Prozess bleiben.
Was ist das Besondere?
In seiner Machart erinnert der Film an klassische Politthriller wie etwa „Die Unbestechlichen“ über die Watergate-Affäre oder „Z“ von Costa-Gavras. Es bedarf keiner äußeren Action wie Schusswechsel oder Verfolgungsjagden, seine Spannung zieht „Argentina 1985“ allein aus den Fakten und Informationen, aus der hitzigen Interaktion der beteiligten Juristinnen und Juristen.
Dabei werden protokollierte Originalaussagen der Zeug*innen und Opfer verwendet, später wiederum setzt die Regie Archivaufnahmen des Prozesses ein. Mit starren Gesichtern sitzen die Männer in ihren Uniformen auf der Anklagebank, eine Frau erzählt detailliert von der Folter, die ihr zugefügt wurde.
Auch bekommt man es nicht mit klassischen Heldenfiguren zu tun. Zu Beginn ist Strassera eher skeptisch, möchte sich weiterhin von politischen Konflikten fernhalten. Es ist seine Familie, die ihn regelrecht zwingt, endlich tätig zu werden, und ihm zugleich die nötige Rückendeckung gibt. Dafür nimmt man erpresserische Anrufe und Drohbriefe in Kauf.
Wenn Strassera ins Auto steigt, den Zündschlüssel umdreht, blickt man in ein angespanntes Gesicht. Doch längst ist die Aufklärung der Verbrechen der Militärjunta zu seiner Mission geworden.
Fazit
Bei seiner Weltpremiere in Venedig wurde „Argentina, 1985“ mit langanhaltenden Standing Ovations gefeiert. Es ist der scharfsinnige Humor von Strassera und seiner Familie, der die Handlung immer wieder auflockert. Santiago Mitre gelingt die Gratwanderung zwischen politischer Aufklärung und großem Kino.