Argumente für und gegen Leidenschaft
Die Oper "Romulo ed Ersilia" des Sächsischen Hofkapellmeisters Johann Adolf Hasse wurde jetzt - 264 Jahre nach ihrer Premiere - am Ort der Uraufführung in Innsbruck wieder aufgeführt. Ariana Amos hat das Stück mit dem Charme einer Studioproduktion inszeniert.
Musikalisch scheint die Entdeckung, ein Spätwerk des Barock-Komponisten Johann Adolph Hasse mit ihren langatmigen dreiteiligen Arien auf den ersten Blick kaum zu lohnen – schon zu seiner Entstehungszeit 1767 war "Romulo ed Ersilia" ein wenig aus der Mode. Die Reform des Musiktheaters unter Willibald Gluck hat schon zu greifen begonnen. Doch gerade dass sie im Widerspruch zu ihrer Zeit zu stehen scheint, macht sie interessant, ja die Ausgrabung thematisiert indirekt die Rolle von Musiktheater auch heute.
Oper ist, das zeigt "Romulo ed Ersilia", Mittel der politischen Repräsentation. Die Opernaufführung war das Zentrum der sechswöchigen Hochzeitsfeiern, die Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Franz Stephan für die Hochzeit ihres dritten Sohnes Erzherzog Leopold mit der spanischen Infantin Maria Luisa von Bourbon 1767 ausrichteten, für die die Kaiserin den kaiserlichen Hofpoeten Pietro Metastasio und Johann Adolph Hasse beauftragte, der schon 45 Jahre zuvor ihr Musiklehrer war, beauftragte. Und gerade in Bezug auf Diplomatie und Politik hatte das Libretto Metastasios hohe Symbolkraft: Thema ist aus der Gründungsgeschichte Roms der Raub der Sabinerinnen. Um Nachkommen zu gewinnen, waren die Römer unter Romulus ins Nachbarreich eingefallen und hatten Frauen geraubt, deren Brüder und Väter schwören Rache, doch nach einer Schlacht kommt es aber zur Versöhnung zwischen den Feinden. Heiratspolitik als Machtpolitik statt Krieg. Andere mögen Kriege führen, du glückliches Österreich heirate" war Motto der Habsburger. Die Handlung auf der Bühne und der Anlass der Aufführung entsprechen sich also.
Frauenraub als Hochzeitsoper und Romulus der Mörder seines Bruders als Bräutigam. Ist das versteckte Ironie? Ist die Barockoper ironisch? Romulus, der Gründungsvater des Geschlechts, muss sich in dieser Oper nicht legitimieren, sondern gibt den aufgeklärten geduldigen Herrscher, dem im Finale gehuldigt wird. Dennoch bleibt - zumindest für heute - das Geschehen auf interessante Weise doppeldeutig. Das zeigt sich aber auch in der Musik. Ganz unvermutet sind unter den langatmigen Arien plötzlich Anklänge an Gluck oder die Serie Mozarts zu hören; unter den rhetorischen Disputen der Figuren, die die Argumente für und gegen Leidenschaft erörtern, scheinen tiefere Gefühle durchzubrechen. Besonders Ersilia, die Heldin ist trotz aller Koloraturenketten ein Frauencharakter, der fast schon ein wenig wie eine Mozartfigur zum Mitfühlen verführt.
Lässt sich ein solches historisches Ereignis von 1767 heute auf die Bühne setzen: Bei den Festwochen der Alten Musik ist es 2011 bereits die vierte Opernproduktion und statt des Prunks der Hochzeitsfeierlichkeiten erwartet einen im Landestheater Innsbruck eher eine Aufführung mit dem Charme einer ambitionierten Studioproduktion. Bühnenbild und Regie: Aniara Amos, die in abstraktem Bühnenbild, Würfel, Kuben und stilisierten modernen Kostümen - die Figuren überdeutlich geschminkt - mit choreografierten, große Gesten die Geschichte vorführt, manchmal etwas unentschieden zwischen Stilisierung und Improvisation.
Dirigent Attilio Cremonesi und das französische Orchester Café Zimmermann haben jedenfalls ein kulturgeschichtliches äußerst bemerkenswertes Werk zutage gefördert und damit 246 Jahre nach der Uraufführung am gleichen Ort auch an die Bedeutung Innsbrucks als wichtigem Zentrum barocker Musikkultur erinnert.
Homepage der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik
Oper ist, das zeigt "Romulo ed Ersilia", Mittel der politischen Repräsentation. Die Opernaufführung war das Zentrum der sechswöchigen Hochzeitsfeiern, die Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Franz Stephan für die Hochzeit ihres dritten Sohnes Erzherzog Leopold mit der spanischen Infantin Maria Luisa von Bourbon 1767 ausrichteten, für die die Kaiserin den kaiserlichen Hofpoeten Pietro Metastasio und Johann Adolph Hasse beauftragte, der schon 45 Jahre zuvor ihr Musiklehrer war, beauftragte. Und gerade in Bezug auf Diplomatie und Politik hatte das Libretto Metastasios hohe Symbolkraft: Thema ist aus der Gründungsgeschichte Roms der Raub der Sabinerinnen. Um Nachkommen zu gewinnen, waren die Römer unter Romulus ins Nachbarreich eingefallen und hatten Frauen geraubt, deren Brüder und Väter schwören Rache, doch nach einer Schlacht kommt es aber zur Versöhnung zwischen den Feinden. Heiratspolitik als Machtpolitik statt Krieg. Andere mögen Kriege führen, du glückliches Österreich heirate" war Motto der Habsburger. Die Handlung auf der Bühne und der Anlass der Aufführung entsprechen sich also.
Frauenraub als Hochzeitsoper und Romulus der Mörder seines Bruders als Bräutigam. Ist das versteckte Ironie? Ist die Barockoper ironisch? Romulus, der Gründungsvater des Geschlechts, muss sich in dieser Oper nicht legitimieren, sondern gibt den aufgeklärten geduldigen Herrscher, dem im Finale gehuldigt wird. Dennoch bleibt - zumindest für heute - das Geschehen auf interessante Weise doppeldeutig. Das zeigt sich aber auch in der Musik. Ganz unvermutet sind unter den langatmigen Arien plötzlich Anklänge an Gluck oder die Serie Mozarts zu hören; unter den rhetorischen Disputen der Figuren, die die Argumente für und gegen Leidenschaft erörtern, scheinen tiefere Gefühle durchzubrechen. Besonders Ersilia, die Heldin ist trotz aller Koloraturenketten ein Frauencharakter, der fast schon ein wenig wie eine Mozartfigur zum Mitfühlen verführt.
Lässt sich ein solches historisches Ereignis von 1767 heute auf die Bühne setzen: Bei den Festwochen der Alten Musik ist es 2011 bereits die vierte Opernproduktion und statt des Prunks der Hochzeitsfeierlichkeiten erwartet einen im Landestheater Innsbruck eher eine Aufführung mit dem Charme einer ambitionierten Studioproduktion. Bühnenbild und Regie: Aniara Amos, die in abstraktem Bühnenbild, Würfel, Kuben und stilisierten modernen Kostümen - die Figuren überdeutlich geschminkt - mit choreografierten, große Gesten die Geschichte vorführt, manchmal etwas unentschieden zwischen Stilisierung und Improvisation.
Dirigent Attilio Cremonesi und das französische Orchester Café Zimmermann haben jedenfalls ein kulturgeschichtliches äußerst bemerkenswertes Werk zutage gefördert und damit 246 Jahre nach der Uraufführung am gleichen Ort auch an die Bedeutung Innsbrucks als wichtigem Zentrum barocker Musikkultur erinnert.
Homepage der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik