Arist von Schlippe: Familienunternehmen haben an Einfluss gewonnen
Nach Auffassung des Psychologen Arist von Schlippe, Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Dynamik von Familienunternehmen an der privaten Universität Witten-Herdecke, sind die großen, aktiennotierten "Heuschrecken"-Konzerne von Jägern zu Gejagten geworden. Familienunternehmen wie Schaeffler, Porsche oder Oetker dagegen hätten stark an Einfluss und Kraft gewonnen.
Leonie March: Solide, zuverlässig, aber ein bisschen langweilig – das war bisher der Ruf von Familienunternehmen. Wegen ihrer Bedächtigkeit wurden Sie im Bör-senboom belächelt. Doch nun sind die Finanzmärkte in der Krise, viele große aktien-notierte Konzerne haben drastisch an Wert verloren, viele Familienunternehmen da-gegen stehen gut da. So versucht beispielsweise die fränkische Schaefflergruppe, den Autozulieferer Continental zu übernehmen, für eine stattliche Summe von über elf Milliarden Euro. Continental hat das Angebot abgelehnt, ist aber an weiteren Ver-handlungen mit dem Familienunternehmen interessiert. Am Telefon begrüße ich Pro-fessor Arist von Schlippe vom Wittener Institut für Familienunternehmen an der priva-ten Universität Witten-Herdecke. Guten Morgen, Professor von Schlippe!
Arist von Schlippe: Guten Morgen!
March: Sind die ehemals von Heuschrecken gejagten Familienunternehmen nun selbst zu Jägern geworden?
Von Schlippe: Ja, ich denke, das kann man sagen. Familienunternehmen haben sich in den letzten Jahren ausgesprochen gut entwickelt und fast ohne, dass das je-mandem groß aufgefallen ist, haben sich einige wirklich ganz enorm entwickelt. Das Selbstbewusstsein ist gestiegen. Es ist sehr viel Geld verdient worden und anders als in öffentlichen Unternehmen, wo das Geld regelmäßig ausgeschüttet wird, haben wir in Familienunternehmen die Situation – wir sprechen dann von patient capital, also geduldigem Kapital –, dass die Gesellschafter selbst daran interessiert sind, dass das Geld im Unternehmen bleibt, dem Unternehmen für Re-Investitionen zur Verfügung steht. Und damit haben einige Familienunternehmen eine Stärke entwi-ckelt, dass wir jetzt eine historische Situation haben, wie es sie bislang noch nicht gegeben hat, dass erstmals Familienunternehmen öffentliche Unternehmen, sagen wir, angreifen können, so wie eben Schaeffler Conti oder Porsche VW übernehmen kann oder Haniel Metro. Das ist eine Situation, die hat es bisher noch nicht gegeben.
March: Ist es denn möglich, dass sich die großen Konzerne jetzt umorientieren und ihre Firmenpolitik stärker so ausrichten wie die Familienunternehmen, also lang-fristigere Ziele anstreben und nicht nur den nächsten Quartalsgewinn?
Von Schlippe: Das widerspricht eigentlich der Logik eines großen Unternehmens, weil die Investoren eine ganz andere Mentalität haben als ein Familienunterneh-mensgesellschafter. Das ist gerade ein ganz wichtiger Punkt, als Familienunterneh-men muss man seine Gesellschafter ein Stück pflegen, wir sprechen dann von Fami-lienstrategie, ich brauche eine gute Familienstrategie, um gerade zu verhindern, dass die Gesellschafter in eine Investorenmentalität abrutschen. Denn ein Investor hat an der Firma kein Interesse im Regelfall, ein Investor hat daran Interesse, dass sein Einsatz eine möglichst hohe Gewinnausschüttung ergibt. Und wenn diese Gewinn-ausschüttung in dem einen Unternehmen nicht realisierbar ist, dann zieht der sein Kapital raus und geht an eine andere Firma, die eine höhere Gewinnerwartung ver-spricht. Von daher ist das, glaube ich, für ein öffentliches Unternehmen gar nicht so einfach, jetzt umzusteigen.
March: Das Image der großen Konzerne hat ja durch die Finanzkrise arg gelitten. Ist das Image der Familienunternehmen in der gleichen Zeit besser geworden?
Von Schlippe: Das Image der Familienunternehmen ist enorm besser geworden. Wir haben vor einiger Zeit eine kleine Studie gemacht, wo wir von der Idee ausgin-gen, dass ein Familienunternehmen, wo der Name bereits oft verbunden ist mit dem Produkt – sagen wir mal, gerade Porsche oder Oetker oder so etwas, das sind ja Familiennamen –, dass das jetzt noch einen Schritt weitergegangen ist, dass der Begriff Familienunternehmen inzwischen selbst zu einer eigenen Marke geworden ist. Und das haben wir sehr gut zeigen können, also Marke im Sinne, dass ein Markenversprechen gegeben wird, das mit verlässlicher Orientierung und Qualität assoziiert ist und das auch eine gewisse Markenerwartung ergibt, also eine Erwar-tung, wie sich ein Familienunternehmen verhält. Wir konnten zeigen, dass in der Be-völkerung der Begriff Familienunternehmen ausgesprochen positiv erlebt wird, mit Langfristigkeit assoziiert ist, Standorttreue, Mitarbeiterorientierung, und dass generell Familienunternehmen ein hohes Vertrauen entgegengebracht wird, dass Familienun-ternehmen erlebt werden als sehr nah an den eigenen Werten, während öffentliche Gesellschaften, also börsennotierte Unternehmen, eher sogar den eigenen Werten nicht entsprechen oder sogar ein Stückchen negativ gesehen werden. Und das ist sehr interessant.
March: Gibt es denn jetzt nur Vorteile von Familienunternehmen oder gibt es auch Nachteile? Ich denke da zum Beispiel an das Problem, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
Von Schlippe: Natürlich haben Familienunternehmen sehr, sehr spezifische Prob-leme. Die Verbindung von Familie und Unternehmen ist eigentlich die Verbindung zweier Sozialsysteme, die im Grunde nicht zusammenpassen, deren Logiken nicht zusammenpassen. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Gerechtigkeit, in der Fami-lie ist gerecht, wenn alle das Gleiche bekommen, im Unternehmen ist gerecht, wenn der, der am qualifiziertesten ist und am meisten leistet, auch das meiste bekommt. Und so müssen Familien, und Nachfolge ist da der kritischste Punkt, müssen immer den Spagat hinkriegen, zwischen der Logik der Familie und der Logik des Unterneh-mens zu balancieren. Ich spreche immer davon, dass in Familienunternehmen kleine Nitroglycerinfläschchen herumliegen. Man kann sie lange Zeit umgehen, man sollte sich aber mit ihnen beschäftigen und versuchen, sie kontrolliert zu entleeren, wenn man sich nämlich nicht mit ihnen beschäftigt, dann stößt man irgendwann dagegen und dann kann es ganz schön knallen. Nachfolge ist der Stolperstein, der in jedem Familienunternehmen passiert, der nicht umgangen werden kann. Da findet jedes Familienunternehmen seinen eigenen Weg und nicht immer den besten, das Prob-lem zu lösen. Das ist so was wie die Schattenseite von Familienunternehmen.
March: Professor Arist von Schlippe vom Wittener Institut für Familienunternehmen war das, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Herzlichen Dank dafür!
Von Schlippe: Danke!
Arist von Schlippe: Guten Morgen!
March: Sind die ehemals von Heuschrecken gejagten Familienunternehmen nun selbst zu Jägern geworden?
Von Schlippe: Ja, ich denke, das kann man sagen. Familienunternehmen haben sich in den letzten Jahren ausgesprochen gut entwickelt und fast ohne, dass das je-mandem groß aufgefallen ist, haben sich einige wirklich ganz enorm entwickelt. Das Selbstbewusstsein ist gestiegen. Es ist sehr viel Geld verdient worden und anders als in öffentlichen Unternehmen, wo das Geld regelmäßig ausgeschüttet wird, haben wir in Familienunternehmen die Situation – wir sprechen dann von patient capital, also geduldigem Kapital –, dass die Gesellschafter selbst daran interessiert sind, dass das Geld im Unternehmen bleibt, dem Unternehmen für Re-Investitionen zur Verfügung steht. Und damit haben einige Familienunternehmen eine Stärke entwi-ckelt, dass wir jetzt eine historische Situation haben, wie es sie bislang noch nicht gegeben hat, dass erstmals Familienunternehmen öffentliche Unternehmen, sagen wir, angreifen können, so wie eben Schaeffler Conti oder Porsche VW übernehmen kann oder Haniel Metro. Das ist eine Situation, die hat es bisher noch nicht gegeben.
March: Ist es denn möglich, dass sich die großen Konzerne jetzt umorientieren und ihre Firmenpolitik stärker so ausrichten wie die Familienunternehmen, also lang-fristigere Ziele anstreben und nicht nur den nächsten Quartalsgewinn?
Von Schlippe: Das widerspricht eigentlich der Logik eines großen Unternehmens, weil die Investoren eine ganz andere Mentalität haben als ein Familienunterneh-mensgesellschafter. Das ist gerade ein ganz wichtiger Punkt, als Familienunterneh-men muss man seine Gesellschafter ein Stück pflegen, wir sprechen dann von Fami-lienstrategie, ich brauche eine gute Familienstrategie, um gerade zu verhindern, dass die Gesellschafter in eine Investorenmentalität abrutschen. Denn ein Investor hat an der Firma kein Interesse im Regelfall, ein Investor hat daran Interesse, dass sein Einsatz eine möglichst hohe Gewinnausschüttung ergibt. Und wenn diese Gewinn-ausschüttung in dem einen Unternehmen nicht realisierbar ist, dann zieht der sein Kapital raus und geht an eine andere Firma, die eine höhere Gewinnerwartung ver-spricht. Von daher ist das, glaube ich, für ein öffentliches Unternehmen gar nicht so einfach, jetzt umzusteigen.
March: Das Image der großen Konzerne hat ja durch die Finanzkrise arg gelitten. Ist das Image der Familienunternehmen in der gleichen Zeit besser geworden?
Von Schlippe: Das Image der Familienunternehmen ist enorm besser geworden. Wir haben vor einiger Zeit eine kleine Studie gemacht, wo wir von der Idee ausgin-gen, dass ein Familienunternehmen, wo der Name bereits oft verbunden ist mit dem Produkt – sagen wir mal, gerade Porsche oder Oetker oder so etwas, das sind ja Familiennamen –, dass das jetzt noch einen Schritt weitergegangen ist, dass der Begriff Familienunternehmen inzwischen selbst zu einer eigenen Marke geworden ist. Und das haben wir sehr gut zeigen können, also Marke im Sinne, dass ein Markenversprechen gegeben wird, das mit verlässlicher Orientierung und Qualität assoziiert ist und das auch eine gewisse Markenerwartung ergibt, also eine Erwar-tung, wie sich ein Familienunternehmen verhält. Wir konnten zeigen, dass in der Be-völkerung der Begriff Familienunternehmen ausgesprochen positiv erlebt wird, mit Langfristigkeit assoziiert ist, Standorttreue, Mitarbeiterorientierung, und dass generell Familienunternehmen ein hohes Vertrauen entgegengebracht wird, dass Familienun-ternehmen erlebt werden als sehr nah an den eigenen Werten, während öffentliche Gesellschaften, also börsennotierte Unternehmen, eher sogar den eigenen Werten nicht entsprechen oder sogar ein Stückchen negativ gesehen werden. Und das ist sehr interessant.
March: Gibt es denn jetzt nur Vorteile von Familienunternehmen oder gibt es auch Nachteile? Ich denke da zum Beispiel an das Problem, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
Von Schlippe: Natürlich haben Familienunternehmen sehr, sehr spezifische Prob-leme. Die Verbindung von Familie und Unternehmen ist eigentlich die Verbindung zweier Sozialsysteme, die im Grunde nicht zusammenpassen, deren Logiken nicht zusammenpassen. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Gerechtigkeit, in der Fami-lie ist gerecht, wenn alle das Gleiche bekommen, im Unternehmen ist gerecht, wenn der, der am qualifiziertesten ist und am meisten leistet, auch das meiste bekommt. Und so müssen Familien, und Nachfolge ist da der kritischste Punkt, müssen immer den Spagat hinkriegen, zwischen der Logik der Familie und der Logik des Unterneh-mens zu balancieren. Ich spreche immer davon, dass in Familienunternehmen kleine Nitroglycerinfläschchen herumliegen. Man kann sie lange Zeit umgehen, man sollte sich aber mit ihnen beschäftigen und versuchen, sie kontrolliert zu entleeren, wenn man sich nämlich nicht mit ihnen beschäftigt, dann stößt man irgendwann dagegen und dann kann es ganz schön knallen. Nachfolge ist der Stolperstein, der in jedem Familienunternehmen passiert, der nicht umgangen werden kann. Da findet jedes Familienunternehmen seinen eigenen Weg und nicht immer den besten, das Prob-lem zu lösen. Das ist so was wie die Schattenseite von Familienunternehmen.
March: Professor Arist von Schlippe vom Wittener Institut für Familienunternehmen war das, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Herzlichen Dank dafür!
Von Schlippe: Danke!