Arme Omega-Würstchen

Von Udo Pollmer |
Fleisch soll wieder mal gesünder werden. Diesmal nicht durch Verzicht, sondern durch eine spezielle Fütterung der Rinder. Das Ergebnis eines internationalen Forschungsverbundes mit deutscher Beteiligung sind Gesundheitswürstchen.
In Dummerstorf herrscht eitel Freude. Dort befindet sich das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie. Laut einer Pressemitteilung ist es gelungen, im Rindfleisch den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren durch eine geeignete Fütterung um 40 Prozent zu erhöhen. Denn wegen dieser Fettsäuren soll ja auch der Fisch so gesund sein.

Angesichts der hohen Dioxingehalte in den Flossentieren – namentlich aus der Ostsee - passen Rindswürstchen mit dem Wertvollen des Fischöls in unsere moderne Zeit. Früher sah man das anders. Da haben sich die Medien noch ziemlich echauffiert, wenn die Tiere Fischmehl ins Futter bekamen. Denn das Öl könnte ja bis ins Endprodukt durchschlagen. Pfui Deibel, hieß es – die Kunden wollten richtige Eier und echte Steaks. Wer Fischöl wolle, äße eben Fisch.

Die Geschichte des vermeintlich gesündesten Fettes ist ebenso wechselvoll wie peinlich: Angefangen hatte alles mit dem Wunder-Vitamin F. Denn so wurden früher die Linolsäure und die Linolensäure genannt, zwei weit verbreitete Fettsäuren im Essen. Als sich allerdings herumsprach, dass es gar kein "Vitamin F" gibt - das Ganze war nur ein Werbegag der Margarinewerke, so wie lila Kühe oder rosarote Panther -, da gab man dem Kind einen neuen Namen: Jetzt waren Omega-6-Fettsäuren angesagt. Und doch war es bloß wieder die altbekannte Linolensäure. Unter neuen Namen sollte sie die Menschheit wieder vor jenen biblischen Plagen bewahren, mit denen dem Publikum in den Gesundheitssendungen bei politisch inkorrekter Ernährung gedroht wird.

Allmählich wurden die Heilsversprechen durch Studien am Menschen überprüft. Ergebnis: April, April! Es zeigte sich, dass eine Extraportion dieser Omega-6-Fettsäuren der Gesundheit nicht unbedingt förderlich ist. Also kamen statt der Omega-6 - schwupps - die Omega-3-Fettsäuren. Damit war dann die Linolsäure gemeint, bis dato ebenfalls "Vitamin F". Und selbstredend wurden nun die gleichen Wunderwirkungen versprochen: Man empfahl sie gegen Krebs, Diabetes, Alzheimer, Rheuma, Schlaganfall, Infarkt und was sonst das fettverstörte Herz und Hirn noch begehren mochten.

Inzwischen liegen auch zu den Omega-3-Fettsäuren große Studien vor. Auch diesmal hat sich der werbliche Nutzen in Luft aufgelöst. Tja; was bringen uns dann noch die Dummerstorfer Rindviecher? Ganz einfach: Jetzt muss der Kunde seine Fischölkapseln nicht mehr selbst schlucken, die Wahl der richtigen Fette übernimmt nun ein echtes Rindviech für ihn. Dazu muss es nicht mal Fischmehl fressen, es genügen simpler Weidegang oder auch die Fütterung von Pressrückständen der Ölmühlen. Und damit erhalten wir den nächsten sachdienlichen Hinweis zum Thema Omegafette: Die fraglichen Fettsäuren sind in deutlich höherer Dosis als in den Dummerstorfer Rindswürstchen in üblichen Speiseölen enthalten wie Rapsöl oder Sojaöl. Insofern gibt es nicht mal theoretisch einen Mangel.

Der Omega-Hype hat inzwischen sogar die Gentechniker auf den Plan gerufen. Sie haben Mäuschen gebastelt, deren Stoffwechsel in der Lage ist, die Omega-3-Fette des edlen Rapsöls selbst zu bilden. Aber nicht, damit sich die Katzen endlich gesünder ernähren. Sondern um später Mastschweine mit dem gleichen Gesundheits-Gen zu beglücken. Dann gibt es nicht nur Omega-Rindswürstchen sondern auch noch Omega-Schweinebraten.

Das fragliche Gen übrigens haben die Experten vorher aus einem Fadenwurm herausgepult. Ob das man gut geht. Den Omega-Mäusen scheint die Wurmkur nicht recht bekommen zu sein. Sie sind infektionsanfälliger als gewöhnliche Labornager und erkranken besonders leicht an Tuberkulose.

Die 11 Millionen Euro Forschungsgeld, die hier in einem großen Verbundprojekt versenkt wurden, wären in der Dioxinanalytik besser eingesetzt gewesen. Es mangelt in der Ernährungsforschung offenbar nicht an Geld, sondern an Einsicht. Da helfen auch keine Omegafettsäuren. Mahlzeit!

Literatur:
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