Armut, Drogen und die Mafia
Guatemala ist nicht nur eines der ärmsten Länder Lateinamerikas, sondern auch eines der gefährlichsten. Das Land ist ein Hort von Jugendbanden und Drogenkartellen. Bei den kommenden Präsidentschaftswahlen steht nun ein Rechtsruck bevor.
Großkundgebung der Partido Patriota, der Patriotischen Partei. Aus den Lautsprechern dröhnt das Kampagnenlied. Mano dura, die harte Hand verspricht es. Überall Fahnen mit der Faust, die für Ordnung sorgen soll. Auf der Bühne von Tausenden umjubelt Otto Perez Molina. Der Ex-General im Lacoste-Hemd ist nach allen Umfragen der Favorit für die Präsidentschaftswahl:
"Ich sage euch, wenn ich Präsident bin, werde ich das Leben aller Guatemalteken verteidigen, damit wir in Frieden und Sicherheit leben können, so wie wir es verdient haben."
Ein gut organisierter, ein teurer Wahlkampf. Konfetti-Regen, viele Anhänger in den T-Shirts mit der Parteifarbe Orange, überall Plakate mit dem Konterfei des Ex-Generals Otto Perez. Graue Haare, eiserner Blick. Vanessa, 33, ist begeistert:
"Er hat Werte, Prinzipien, eine mustergültige militärische Laufbahn. Und er hat den Mut, die Gewalt in unserem Land zu bekämpfen."
Guatemala vor einer ungewöhnlichen Wahl. Neun der zehn Kandidaten gelten als rechtsgerichtet. Die einzige Linke, die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, liegt in den Umfragen unter drei Prozent. Und der einzige Kandidat, der Otto Perez gefährlich werden könnte, verspricht noch härter durchzugreifen. Der smarte und populistische Jung-Unternehmer Manuel Baldizon fordert, dass Guatemala die Todesstrafe wieder anwenden soll.
Guatemala vor einem Rechtsruck – 15 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs. San Miguel liegt in den Bergen, nicht weit von der mexikanischen Grenze. Schotterpisten, am Wegesrand Indio-Frauen in ihren traditionellen bunten Kleidern. Etwa 40 Prozent der Guatemalteken sind indigener Abstammung, meist Nachfahren der Maya. Das Leben hier auf dem Land ist geprägt von bitterer Armut, Arbeit auf Fincas oder kleinen eigenen Parzellen. Viele Kinder der Indigenen sind unterernährt, im Schnitt gehen sie nur vier Jahre zur Schule. Exequiel und Victoriano kommen aus der Gegend. Sie sind resigniert von der Politik und enttäuscht von Präsident Alvaro Colom, der als erster gemäßigt Linker nach dem Bürgerkrieg in Guatemala an die Macht kam:
"Wir dachten, es käme eine Regierung für die Armen, dass sich unsere Situation verbessert. Aber der Präsident steht den Mächtigen und Reichen sehr viel näher. Und wir, die indianische Bevölkerung und die Bauern, sind immer mehr in Vergessenheit geraten. Er hat sein Versprechen nicht gehalten, alles waren nur leere Worte."
Immerhin: Colom hat einige bescheidene Sozialprogramme auf den Weg gebracht. Mais und Bohnen für die Armen, dazu etwa 25 Euro monatlich pro Familie, wenn die Kinder zur Schule gehen. Aber grundlegend geändert am Elend hat sich damit nichts, sagen Exequiel und Victoriano. An eine Landreform habe sich Colom nie gewagt. In Guatemala hätten immer noch ein paar mächtige Familien die eigentliche Macht.
Präsident Colom darf laut Verfassung nicht erneut antreten. Und auch seine Ex-Ehefrau Sandra Torres wurde zur Wahl nicht zugelassen, weil Familienangehörige dem Präsidenten nicht nachfolgen dürfen. Die Scheidung des Paares im Frühjahr war aus Sicht des obersten Gerichts nur ein politisches Manöver. Die Folge: Coloms Regierungspartei hat nun gar keinen Kandidaten für die Präsidentschaft. Beim Gedanken an Otto Perez als möglichen Nachfolger verfinstert sich der Blick von Exequiel:
"Bei uns gibt es viele Analphabeten und das nutzen die Mächtigen aus. Sie reden uns ein, dass Otto Perez Molina der beste Präsident wäre. Aber er war es, der in den 70er- und 80er-Jahren viele Leute massakriert hat. Er ist ein General, der viele, viele Bauern umbringen ließ und jetzt behauptet, er wäre gegen die Ungerechtigkeit. Das tut weh und ist nicht richtig."
Nach offiziellen Zahlen sind zwischen 1960 und 1996 mehr als 200.000 Menschen im Bürgerkrieg umgekommen – viele Indigene wurden Opfer von Massakern auf dem Land. Die rechten Militärs gingen damals rücksichtslos vor gegen vermeintliche Anhänger der linken Guerilla. Otto Perez war in der Zeit Kommandant im Bürgerkriegsgebiet, später Chef des militärischen Geheimdienstes. Beweise gegen ihn wegen Vergehen hat die guatemaltekische Justiz nie zustande bekommen. Bis heute wurde fast kein Verantwortlicher der Morde und Verschleppungen belangt.
Zurück in der Hauptstadt. Dort hat die Menschenrechtsgruppe Sedem ein kleines Büro. Leiterin Iduvina Hernandez kann nicht verstehen, dass Otto Perez von der Justiz in Ruhe gelassen wird:
"General Otto Perez Molina kann unter keinen Umständen seine Verantwortung bestreiten für Aktionen, die zum Völkermord geführt haben. Er war der Chef einer Militäreinheit die 1982 in der Zone Ixil operierte. Diese Einheit wurde ganz klar verantwortlich gemacht für Massaker an der Bevölkerung und die Verschleppung von Kindern, die anschließend zur Adoption frei gegeben wurden."
Aber der Bürgerkrieg ist lange her, das historische Gedächtnis kaum ausgeprägt, beklagt Iduvina Hernandez. Stattdessen hätten die Leute heute Angst vor der alltäglichen Gewalt.
45 Morde auf 100.000 Einwohner pro Jahr. Guatemala hat damit einen der höchsten Werte weltweit. Da ist die Straßenkriminalität. Jugendbanden, die morden, entführen, erpressen. Da sind die Drogenkartelle, die Guatemala als Transitroute nutzen für die Kokainladungen auf dem Weg von Kolumbien in Richtung USA. Und da sind die Kriminalität und die Korruption der Mächtigen. Polizei und Justiz gefügig gemacht durch Bestechung. 98 Prozent aller Verbrechen in Guatemala bleiben straffrei.
Norma Cruz ist die bekannteste Menschenrechtlerin des Landes. Beinah täglich bekommt sie Morddrohungen, erzählt sie. Guatemala habe eine Kultur der Gewalt:
"Ich sage immer, dass wir uns hier unseren eigenen Molotow-Cocktail zusammenmischen aus patriarchalischer und rassistischer Kultur, verstärkt durch die Straflosigkeit während des Bürgerkrieges. 36 Jahre lang gab es einen Freibrief, die Menschenrechte von Männern, Frauen, Kindern und Alten zu verletzen. Erst jetzt werden einige wenige der Täter vors Gericht gestellt. Es sind Generationen, die im Rahmen dieser Straffreiheit aufgewachsen sind. Und heute müssen wir die Rechnung dafür bezahlen."
Kultur der Gewalt – und Hoffnung auf die harte Hand. Aus Sicht des Politologen Gustavo Berganza profitiert der Ex-General Otto Perez genau von dieser Mischung:
"Es ist ein sehr konservatives, militaristisches Land. Die Leute sind bereit, auf ihre Freiheit zu verzichten, solange dem Verbrechen begegnet wird und Ordnung herrscht. Nur in diesem Zusammenhang kann man seine Kandidatur verstehen."
Schon im ersten Wahlgang am Sonntag will Otto Perez Molina die absolute Mehrheit holen – das wäre neu in Guatemala. Und wenn es nicht reicht, werde er eben in der Stichwahl die Macht erobern. Guatemala braucht ihn – da ist sich der Ex-General sicher. Seine Faust und seinen eisernen Blick.
"Ich sage euch, wenn ich Präsident bin, werde ich das Leben aller Guatemalteken verteidigen, damit wir in Frieden und Sicherheit leben können, so wie wir es verdient haben."
Ein gut organisierter, ein teurer Wahlkampf. Konfetti-Regen, viele Anhänger in den T-Shirts mit der Parteifarbe Orange, überall Plakate mit dem Konterfei des Ex-Generals Otto Perez. Graue Haare, eiserner Blick. Vanessa, 33, ist begeistert:
"Er hat Werte, Prinzipien, eine mustergültige militärische Laufbahn. Und er hat den Mut, die Gewalt in unserem Land zu bekämpfen."
Guatemala vor einer ungewöhnlichen Wahl. Neun der zehn Kandidaten gelten als rechtsgerichtet. Die einzige Linke, die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, liegt in den Umfragen unter drei Prozent. Und der einzige Kandidat, der Otto Perez gefährlich werden könnte, verspricht noch härter durchzugreifen. Der smarte und populistische Jung-Unternehmer Manuel Baldizon fordert, dass Guatemala die Todesstrafe wieder anwenden soll.
Guatemala vor einem Rechtsruck – 15 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs. San Miguel liegt in den Bergen, nicht weit von der mexikanischen Grenze. Schotterpisten, am Wegesrand Indio-Frauen in ihren traditionellen bunten Kleidern. Etwa 40 Prozent der Guatemalteken sind indigener Abstammung, meist Nachfahren der Maya. Das Leben hier auf dem Land ist geprägt von bitterer Armut, Arbeit auf Fincas oder kleinen eigenen Parzellen. Viele Kinder der Indigenen sind unterernährt, im Schnitt gehen sie nur vier Jahre zur Schule. Exequiel und Victoriano kommen aus der Gegend. Sie sind resigniert von der Politik und enttäuscht von Präsident Alvaro Colom, der als erster gemäßigt Linker nach dem Bürgerkrieg in Guatemala an die Macht kam:
"Wir dachten, es käme eine Regierung für die Armen, dass sich unsere Situation verbessert. Aber der Präsident steht den Mächtigen und Reichen sehr viel näher. Und wir, die indianische Bevölkerung und die Bauern, sind immer mehr in Vergessenheit geraten. Er hat sein Versprechen nicht gehalten, alles waren nur leere Worte."
Immerhin: Colom hat einige bescheidene Sozialprogramme auf den Weg gebracht. Mais und Bohnen für die Armen, dazu etwa 25 Euro monatlich pro Familie, wenn die Kinder zur Schule gehen. Aber grundlegend geändert am Elend hat sich damit nichts, sagen Exequiel und Victoriano. An eine Landreform habe sich Colom nie gewagt. In Guatemala hätten immer noch ein paar mächtige Familien die eigentliche Macht.
Präsident Colom darf laut Verfassung nicht erneut antreten. Und auch seine Ex-Ehefrau Sandra Torres wurde zur Wahl nicht zugelassen, weil Familienangehörige dem Präsidenten nicht nachfolgen dürfen. Die Scheidung des Paares im Frühjahr war aus Sicht des obersten Gerichts nur ein politisches Manöver. Die Folge: Coloms Regierungspartei hat nun gar keinen Kandidaten für die Präsidentschaft. Beim Gedanken an Otto Perez als möglichen Nachfolger verfinstert sich der Blick von Exequiel:
"Bei uns gibt es viele Analphabeten und das nutzen die Mächtigen aus. Sie reden uns ein, dass Otto Perez Molina der beste Präsident wäre. Aber er war es, der in den 70er- und 80er-Jahren viele Leute massakriert hat. Er ist ein General, der viele, viele Bauern umbringen ließ und jetzt behauptet, er wäre gegen die Ungerechtigkeit. Das tut weh und ist nicht richtig."
Nach offiziellen Zahlen sind zwischen 1960 und 1996 mehr als 200.000 Menschen im Bürgerkrieg umgekommen – viele Indigene wurden Opfer von Massakern auf dem Land. Die rechten Militärs gingen damals rücksichtslos vor gegen vermeintliche Anhänger der linken Guerilla. Otto Perez war in der Zeit Kommandant im Bürgerkriegsgebiet, später Chef des militärischen Geheimdienstes. Beweise gegen ihn wegen Vergehen hat die guatemaltekische Justiz nie zustande bekommen. Bis heute wurde fast kein Verantwortlicher der Morde und Verschleppungen belangt.
Zurück in der Hauptstadt. Dort hat die Menschenrechtsgruppe Sedem ein kleines Büro. Leiterin Iduvina Hernandez kann nicht verstehen, dass Otto Perez von der Justiz in Ruhe gelassen wird:
"General Otto Perez Molina kann unter keinen Umständen seine Verantwortung bestreiten für Aktionen, die zum Völkermord geführt haben. Er war der Chef einer Militäreinheit die 1982 in der Zone Ixil operierte. Diese Einheit wurde ganz klar verantwortlich gemacht für Massaker an der Bevölkerung und die Verschleppung von Kindern, die anschließend zur Adoption frei gegeben wurden."
Aber der Bürgerkrieg ist lange her, das historische Gedächtnis kaum ausgeprägt, beklagt Iduvina Hernandez. Stattdessen hätten die Leute heute Angst vor der alltäglichen Gewalt.
45 Morde auf 100.000 Einwohner pro Jahr. Guatemala hat damit einen der höchsten Werte weltweit. Da ist die Straßenkriminalität. Jugendbanden, die morden, entführen, erpressen. Da sind die Drogenkartelle, die Guatemala als Transitroute nutzen für die Kokainladungen auf dem Weg von Kolumbien in Richtung USA. Und da sind die Kriminalität und die Korruption der Mächtigen. Polizei und Justiz gefügig gemacht durch Bestechung. 98 Prozent aller Verbrechen in Guatemala bleiben straffrei.
Norma Cruz ist die bekannteste Menschenrechtlerin des Landes. Beinah täglich bekommt sie Morddrohungen, erzählt sie. Guatemala habe eine Kultur der Gewalt:
"Ich sage immer, dass wir uns hier unseren eigenen Molotow-Cocktail zusammenmischen aus patriarchalischer und rassistischer Kultur, verstärkt durch die Straflosigkeit während des Bürgerkrieges. 36 Jahre lang gab es einen Freibrief, die Menschenrechte von Männern, Frauen, Kindern und Alten zu verletzen. Erst jetzt werden einige wenige der Täter vors Gericht gestellt. Es sind Generationen, die im Rahmen dieser Straffreiheit aufgewachsen sind. Und heute müssen wir die Rechnung dafür bezahlen."
Kultur der Gewalt – und Hoffnung auf die harte Hand. Aus Sicht des Politologen Gustavo Berganza profitiert der Ex-General Otto Perez genau von dieser Mischung:
"Es ist ein sehr konservatives, militaristisches Land. Die Leute sind bereit, auf ihre Freiheit zu verzichten, solange dem Verbrechen begegnet wird und Ordnung herrscht. Nur in diesem Zusammenhang kann man seine Kandidatur verstehen."
Schon im ersten Wahlgang am Sonntag will Otto Perez Molina die absolute Mehrheit holen – das wäre neu in Guatemala. Und wenn es nicht reicht, werde er eben in der Stichwahl die Macht erobern. Guatemala braucht ihn – da ist sich der Ex-General sicher. Seine Faust und seinen eisernen Blick.