Studie der Böckler-Stiftung
Düstere Diagnose: Weit über ein Drittel der von Armut Betroffenen in Deutschland fehlt das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen. © imago / Marius Schwarz
Armut ist schlecht für die Demokratie
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Menschen mit geringem Einkommen glauben seltener an die Demokratie als ihre besser gestellten Zeitgenossen. Die Soziologin Bettina Kohlrausch erklärt, wie finanzielle Sorgen und Misstrauen gegenüber unserem politischen System zusammenhängen.
Arme Menschen sind einer Studie zufolge mit der Demokratie oft nicht zufrieden. Laut der Hans-Böckler-Stiftung finden nur 59 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze, dass diese Staatsform hierzulande gut funktioniert. Das seien 11 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung. Nur 68 Prozent der Armen halten die Demokratie demnach generell für die beste Staatsform.
Die Daten wurden vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) erhoben, das zur Hans-Böckler-Stiftung gehört. Im "Verteilungsbericht 2022" warnen die Autorinnen davor, dass "die Grundfesten unseres demokratischen Miteinanders ins Wanken" geraten. Die hohe Inflation infolge des Ukraine-Krieges verschärfe diese Entwicklung deutlich, heißt es.
Finanzielle Sorgen können zu einem geringeren Vertrauen in staatliche Institutionen führen, warnt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Als arm gelten Menschen, deren Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland ausmacht. Dieser Wert lag 2021 laut Statistischem Bundesamt für eine alleinlebende Person bei 1.251 Euro im Monat.
Teilhabe ist auch eine Frage des Geldbeutels
Von Armut betroffene Menschen lebten unter schlechteren Wohnbedingungen, hätten weniger Zugang zu Bildung und seien häufiger krank, sagt Kohlrausch. Sie gingen zudem seltener wählen; in den Parlamenten seien Akademiker "überrepräsentiert".
Zentrale Formen von gesellschaftlicher Teilhabe seien armen Menschen verwehrt: "Das ist auch der Grund, warum Menschen sagen, für mich funktioniert dieses System offensichtlich nicht so wie für andere, und das nährt natürlich ein gewisses Misstrauen", betont die Soziologin. Das geringere Vertrauen in die Institutionen der Demokratie mache anfälliger für Verschwörungsmythen.
Mit steigenden Renten, der Strom- und Gaspreisbremse und dem höheren Bürgergeld bestehe nun aber auch die Chance, dass sich etwas zum Positiven ändere und das Vertrauen in die Demokratie gestärkt werden könne, ist die WSI-Direktorin überzeugt. Das brauche allerdings Zeit. Zunächst müssten Betroffene die Erfahrung machen, dass das Geld auch bei ihnen ankommt.
(bth/KNA)