Armutsbericht 2019

"Armut kann über Generationen weitergegeben werden"

08:27 Minuten
Ein Kind, dessen Gesicht man nicht sieht, zählt sein Taschengeld auf der ausgestreckten Hand.
Insbesondere die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen sei wichtig, um zu verhindern, dass auch sie später arm sind, sagt Felix Blaser von der Diakonie Hessen. © Imago Images/ Photothek/ Ute Grabowsky
Felix Blaser im Gespräch mit Julius Stucke |
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In seinem Armutsbericht hat der Paritätische Wohlfahrtsverband festgestellt, dass die Armut unter anderem in Hessen zugenommen hat. Das liege auch an Versäumnissen der Politik, sagt Felix Blaser von der Diakonie Hessen. Er fordert ein Umdenken.
In seinem Armutsbericht, den er am Donnerstag vorgestellt hat, macht der Paritätische Wohlfahrtsverband eine neue Problemregion aus: Hessen. Vor zehn Jahren noch galt das Bundesland als relativ wohlhabend. Seitdem ist die Armut laut dem Bericht dort um 24 Prozent gestiegen - so stark wie in keinem anderen Bundesland.
Felix Blaser, Referent für Armutspolitik bei der Diakonie Hessen, nennt vor allem Arbeitslosigkeit und zu geringe Löhne als Gründe für diese Entwicklung. Dass die Armutsquote vor allem in Mittelhessen angestiegen sei, könne damit zusammenhängen, dass dort viele Menschen hingezogen seien, weil dort bezahlbarere Wohnungen gewesen seien. "Die Politik hat vielleicht geschlafen, als es um Sozialwohnungen ging", sagt Blaser. Die Zahlen in diesem Bereich seien enorm nach unten gegangen. "Wir haben sowohl was Sozialwohnungen als auch bezahlbaren Wohnraum angeht, einen echten Mangel."

Mehr Arbeit mit Kindern aus armen Familien nötig

Die Diakonie, aber auch andere Wohlfahrtsverbände sprächen sich für einen höheren Grundsicherungssatz aus. "Er müsste 120 bis 150 Euro höher bemessen sein für eine Einzelperson", sagt Blaser. Nötig sei auch mehr bezahlbarer Wohnraum sowie mehr Prävention auf kommunaler Ebene für Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen.
"Wir wissen aus vielen Studien, das Armut eine ganz große Tendenz hat, sich zu verfestigen und über Generationen hinweg weitergegeben zu werden", sagt Blaser. Kinder und Jugendliche, die in armen Familien aufwachsen, würden früh erfahren, dass ihnen Grenzen gesetzt seien in ihrem Handeln. "Die Gefahr ist hoch, dass sie weniger das Gefühl haben, etwas bewirken zu können."
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