Sven Hanuschek: "Arno Schmidt"
Hanser, München 2022
989 Seiten, 45 Euro
Sven Hanuschek über Arno Schmidt
Der Schriftsteller Arno Schmidt mit seinem Zettelkasten, Aufnahme von 1955 (geschätzt) © picture-alliance / akg-images
"Wahrscheinlich hätte ich ihn nicht kennenlernen wollen"
13:44 Minuten
Kein deutscher Schriftsteller schrieb so wie Arno Schmidt. So originell, radikal, funkelnd, witzig. Und niemand war so kauzig, schräg und hochfahrend wie der Autor aus der Lüneberger Heide. Gut, dass jetzt eine Biografie erschienen ist.
Das Haus des 1979 gestorbenen Arno Schmidt ist heute eine Pilgerstätte und Sitz der Arno-Schmidt-Stiftung, die sein Werk betreut. Ein häufiger Gast der letzten Jahre war der Literaturwissenschaftler und Publizist Sven Hanuschek, der vor Ort Recherche für seine fast tausendseitige Biografie über den Schriftsteller betrieben hat.
Sein Interesse an Schmidt habe für Hanuschek schon als Teenager begonnen, als er in einer Anthologie mit Weltuntergangsgeschichten den postapokalyptischen Text "Der schwarze Spiegel" für sich entdeckte. Drei Zeilen hätten gereicht, um ihn zu beeindrucken. Dass jemand so schreiben, denken und auf sich bestehen kann wie Arno Schmidt!
Es kursieren viele Vorurteile
Die Biografie soll jedoch nicht nur für Fans des Autors relevant sein, sondern auch für Neulinge einen voraussetzungsfreien Einblick in sein komplexes Werk ermöglichen. Es gibt neben bekannten Fakten auch viel Neues, das Sven Hanuschek in Schmidts Nachlass entdecken konnte.
Dazu hat der Literaturwissenschaftler sich durch etliche Korrespondenzen gelesen. Allein der Briefwechsel mit dem Verleger Ernst Krawehl umfasse 15 große Ordner, erklärt Hanuschek.
Gleichzeitig versucht er mit vielen Vorurteilen über Arno Schmidt aufzuräumen. So sei dessen Werk sehr viel zugänglicher als sein Ruf: "Das halb-tragische an Schmidt ist, dass er bekannt geworden ist durch 'Zettel's Traum', und das ist gleichzeitig sein unlesbarstes Buch." Wenn man jedoch bei Schmidts Literatur von vorn beginne, ließe sich einiges durchaus gut lesen.
Auch sein Ruf als Männer-Autor sei nicht gerechtfertigt. So würden den starken Ich-Erzählern in seinen Büchern auch immer Frauen gegenüberstehen, die den Protagonisten durchaus überlegen seien. Die Fan-Korrespondenzen aus Schmidts Nachlass zeigten zudem, dass auch damals schon etwa 50 Prozent seines Publikums aus Leserinnen bestand.
Sympathisch sei Arno Schmidt Sven Hanuschek in seiner Recherche trotzdem nicht unbedingt geworden:
"Ich bin da etwas zwiespältig. Wahrscheinlich hätte ich ihn nicht kennenlernen wollen. Aber andererseits: Wenn man mit seiner Haushälterin Erika Knop spricht, kriegt man ein Bild von einem durchaus auch liebenswerten, zugewandten Menschen, der gut mit Kindern konnte."
(hte)