Arrangement unglücklicher Liebesverhältnisse
An der Chemnitzer Oper entschied man sich für eine kritische Edition der Oper über den portugiesischen Entdecker "Vasco de Gama". Fünf Stunden dauert die Aufführung, in der Liebesverhältnisse als Machtverhältnisse entlarvt werden.
Die Rezeptionsgeschichte der Grand' Opéra "Vasco de Gama" ist fast so verworren wie die Handlung. Seit den 1840er-Jahren arbeitete der Komponist Giacomo Meyerbeer an einer Oper über den portugiesischen Entdecker Vasco da Gama, aber bei seinem Tod 1864 war es immer noch nicht zur Uraufführung gekommen. Üblicherweise überarbeitete Meyerbeer seine Werke nach der Premiere, stellte um, nahm Szenen wieder heraus, wenn er merkte, was beim Publikum ankam und was nicht. Die unverzichtbare Ballettmusik für den vierten Akt schrieb er ohnehin immer erst während der Endproben, ähnlich wie Gioacchino Rossini seine Ouvertüren.
Weil er "Vasco de Gama" diesen letzten Schliff nicht geben konnte, übernahmen das seine Nachlassverwalter und erstellten verschiedene Fassungen unter dem irreführenden Titel "L'Africaine – Die Afrikanerin". An der Chemnitzer Oper entschied man sich nun für die neue "kritische" Edition, die fast alles enthält, was sich in verschiedenen Archiven an Material Meyerbeers erhalten hat und bringt es damit auf gute fünf Stunden Aufführungsdauer. Das ist für jedes Opernhaus eine große Anstrengung, und vor allem die Robert-Schumann-Philharmonie ist für extrem diszipliniertes und klangschönes Spiel bis zum letzten Ton hoch zu loben.
Die Sopranistin Guibee Yang ist eine Inès mit strahlender Höhe und anrührend schwebenden Tönen, der Bariton Kouta Räsänen gibt dem törichten Aufschneider Pédro scharfes Profil, die Mezzosopranistin Claudia Sorokina kann der Sklavin Sélika sowohl die scharfen Töne der Verzweiflung als auch die sanften Klänge grenzenloser Liebe geben. Der Tenor Bernhard Berchtold nähert sich der Titelpartie des Entdeckers Vasco de Gama eher lyrisch, nicht besonders elegant aber insgesamt rollendeckend an. Eine so vollständige Aufführung dieser Grand' Opera wird es wohl so schnell nicht wieder geben, weil sich jedes andere Opernhaus wahrscheinlich (wie bereits im 19. Jahrhundert üblich) eine Fassung zurechtschneidern wird, die den Fähigkeiten der jeweiligen Sänger und den Intentionen des Regisseurs entspricht.
In dieser geradezu enzyklopädischen Version beschränkt sich der Regisseur Jakob Peters-Messer allerdings auf ein geschmackvolles und wenig ambitioniertes Arrangement der meistens unglücklichen Liebesverhältnisse zwischen Vasco und Inès, Pédro und Inès, Sélika und Vasco, Nelusco und Sélika. Dass es sich dabei immer auch um Machtverhältnisse handelt, dass all diese Herrschaftsverhältnisse auf schwankendem Boden stehen, dass Meyerbeer einen mitleidlosen Blick auf sein gesamtes Personal pflegt und sie alle wenig sympathisch sind, dass schließlich die Sozialkontrolle in Sélikas Inselreich ebenso rigide ist wie im inquisitionsbeherrschten Portugal – all das wird höchstens in Ansätzen deutlich.
Bühnenbildner Markus Meyer hat für den ersten Akt (im Lissabonner Palast) die Bühne leer geräumt und für den zweiten Akt ein geräumiges Gefängnis mit verführerisch leuchtender Weltkarte entworfen, lässt den dritten Akt mit Sturm und Schiffsuntergang vor einem romantisch wogenden Seebild spielen. Das subtropische Reich Sélikas wird schließlich als Lianen überwucherte Waldlandschaft gezeigt, die sich während Vascos Drogenrausch durch geschickte Projektionen in psychodelische Bewegung versetzt.
Zusammengehalten wird der lange Abend vom Generalmusikdirektor Frank Beermann, der die Rhythmen flexibel hält und mit den Sängern atmet, insgesamt jedoch eher auf Glättung als auf Schärfung der Partitur setzt. So rückt er Meyerbeers Musik näher an die Ästhetik seines Nachfolgers Jules Massenet als an die seines revolutionären Zeitgenossen Hector Berlioz. Eine legitime Sichtweise und eine, die Raum lässt für andere Theater, die sich an dieses großformatige Werk trauen, das auch vom Zuschauer die Offenheit für einen langen Erzählatem fordert.
Link zum Thema:
Theater Chemnitz: "Vasco de Gama (Die Afrikanerin)"
Weil er "Vasco de Gama" diesen letzten Schliff nicht geben konnte, übernahmen das seine Nachlassverwalter und erstellten verschiedene Fassungen unter dem irreführenden Titel "L'Africaine – Die Afrikanerin". An der Chemnitzer Oper entschied man sich nun für die neue "kritische" Edition, die fast alles enthält, was sich in verschiedenen Archiven an Material Meyerbeers erhalten hat und bringt es damit auf gute fünf Stunden Aufführungsdauer. Das ist für jedes Opernhaus eine große Anstrengung, und vor allem die Robert-Schumann-Philharmonie ist für extrem diszipliniertes und klangschönes Spiel bis zum letzten Ton hoch zu loben.
Die Sopranistin Guibee Yang ist eine Inès mit strahlender Höhe und anrührend schwebenden Tönen, der Bariton Kouta Räsänen gibt dem törichten Aufschneider Pédro scharfes Profil, die Mezzosopranistin Claudia Sorokina kann der Sklavin Sélika sowohl die scharfen Töne der Verzweiflung als auch die sanften Klänge grenzenloser Liebe geben. Der Tenor Bernhard Berchtold nähert sich der Titelpartie des Entdeckers Vasco de Gama eher lyrisch, nicht besonders elegant aber insgesamt rollendeckend an. Eine so vollständige Aufführung dieser Grand' Opera wird es wohl so schnell nicht wieder geben, weil sich jedes andere Opernhaus wahrscheinlich (wie bereits im 19. Jahrhundert üblich) eine Fassung zurechtschneidern wird, die den Fähigkeiten der jeweiligen Sänger und den Intentionen des Regisseurs entspricht.
In dieser geradezu enzyklopädischen Version beschränkt sich der Regisseur Jakob Peters-Messer allerdings auf ein geschmackvolles und wenig ambitioniertes Arrangement der meistens unglücklichen Liebesverhältnisse zwischen Vasco und Inès, Pédro und Inès, Sélika und Vasco, Nelusco und Sélika. Dass es sich dabei immer auch um Machtverhältnisse handelt, dass all diese Herrschaftsverhältnisse auf schwankendem Boden stehen, dass Meyerbeer einen mitleidlosen Blick auf sein gesamtes Personal pflegt und sie alle wenig sympathisch sind, dass schließlich die Sozialkontrolle in Sélikas Inselreich ebenso rigide ist wie im inquisitionsbeherrschten Portugal – all das wird höchstens in Ansätzen deutlich.
Bühnenbildner Markus Meyer hat für den ersten Akt (im Lissabonner Palast) die Bühne leer geräumt und für den zweiten Akt ein geräumiges Gefängnis mit verführerisch leuchtender Weltkarte entworfen, lässt den dritten Akt mit Sturm und Schiffsuntergang vor einem romantisch wogenden Seebild spielen. Das subtropische Reich Sélikas wird schließlich als Lianen überwucherte Waldlandschaft gezeigt, die sich während Vascos Drogenrausch durch geschickte Projektionen in psychodelische Bewegung versetzt.
Zusammengehalten wird der lange Abend vom Generalmusikdirektor Frank Beermann, der die Rhythmen flexibel hält und mit den Sängern atmet, insgesamt jedoch eher auf Glättung als auf Schärfung der Partitur setzt. So rückt er Meyerbeers Musik näher an die Ästhetik seines Nachfolgers Jules Massenet als an die seines revolutionären Zeitgenossen Hector Berlioz. Eine legitime Sichtweise und eine, die Raum lässt für andere Theater, die sich an dieses großformatige Werk trauen, das auch vom Zuschauer die Offenheit für einen langen Erzählatem fordert.
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Theater Chemnitz: "Vasco de Gama (Die Afrikanerin)"