Hier geht es zur Playlist der Sendung.
In sein geliebtes Italienisch übertragen
Beide Teile von Goethes "Faust" an einem Abend, und das auf der Opernbühne. Arrigo Boito hatte sich mit seiner Vertonung viel vorgenommen. Zu viel, wie manche meinen. Die Oper "Mefistofele" ist ein Kuriosum, das berühmte Sänger stets interessiert hat.
Die Uraufführung 1868 in der Mailänder Scala dauerte fünfeinhalb Stunden und war ein spektakulärer Misserfolg. Bis in den frühen Morgen diskutierten enttäuschte Opernfans, was ihnen an diesem ambitionierten Werk alles missfiel. Der 26jährige Literat, Bohemien und Hobbykomponist Arrigo Boito (1842-1918) hatte sich offenbar zu viel vorgenommen: Den ganzen "Faust" Johann Wolfgang von Goethes wollte er zur Oper machen, eine vollkommen neue Art der Textdichtung kreieren und wie nebenbei die mal wieder in der Krise befindliche italienische Oper grundlegend reformieren.
Nach dem Uraufführungsfiasko verschwand Boito zunächst aus der Öffentlichkeit, überarbeitete die Oper grundlegend und vernichtete die erste Fassung. Sieben Jahre später kam "Mefistofele" in jener Version auf die Bühne, in der die Oper auch unter dem Dirigenten Omer Meir Wellber an der Bayerischen Staatsoper aufgeführt wurde. Auch in der zweiten Fassung bekam Boito die selbstgeschaffenen Formprobleme jedoch nicht vollkommen in den Griff; den Ausführenden wird eine Menge abgefordert.
Zur Stärke wird hier die Schwäche
Während in Goethes Werk der "Faust II" deutlich länger ausfiel als der erste Teil mit der Gretchen-Tragödie, wirken die beiden letzten Akte bei Boito eher angeklebt, als hätte er erst bei der Arbeit bemerkt, dass sich der philosophische Stoff kaum für die Opernbühne eignet. Aber auch in den ersten drei Akten wirkt der Komponist mal innovativ, mal überfordert mit der formalen Gestaltung der Arien und Chöre, der Massenszenen und Soloauftritte.
Doch gerade die vermeintlichen Schwächen dieser Reformoper sieht Omer Meir Wellber als Stärken, die von ihm die größte Aufmerksamkeit während einer Aufführung fordern, um das Innerste dieser Komposition zusammenzuhalten. Folgerichtig ist für ihn Boitos "Mefistofele" die weitaus gelungenere Goethe-Vertonung als die einige Jahre früher entstandenen Werke von Charles Gounod und Hector Berlioz. Von Fjodor Schaljapin über Cesare Siepi bis zu René Pape reicht die Linie der Interpreten des "Geists der stets verneint". In den Rollen der unterlegenen Gegenspieler des Mephistopheles hält die Schallplattengeschichte immerhin Enrico Caruso, Renata Tebaldi und Anna Netrebko bereit.