Ars Eelectronica in Linz

Zwischen Kunst und Wissenschaft

Eine Besucherin steht auf der Ars Electronica 2013 vor einer Skulptur des Schweizer Künstlers H. G. Giger.
Eine Besucherin steht auf der Ars Electronica 2013 vor einer Skulptur des Schweizer Künstlers H. G. Giger. © picture alliance / dpa / Rubra
Von Philip Artelt |
Vor zehn Jahren bekam die Wikipedia auf der Ars Electronica einen Kunstpreis, heute ist sie das wichtigste Nachschlagewerk der Welt. Ähnlich könnte es einer Technik ergehen, mit der ein Designer Landschaften kunstvoll verändert und verbessert.
Eine kleine Gruppe Japaner schiebt ein Roboterskelett durch die Linzer Altstadt. Alte Frauen schauen sich um, schütteln abwertend den Kopf. Auf dem großen Platz vor dem gotischen Dom bleibt die Gruppe stehen. Einer der Japaner steigt umständlich in das Roboterskelett. Die Füße auf gefederte Stelzen, mit den Händen umfasst er die Griffe aus quadratischen Aluminiumstangen in den Armen des Skeletts und läuft mit ungelenken Schritten los.
Die Zuschauer kreischen vor Freude, Kinder machen Fotos vor dem Ungetüm, das ein bisschen aussieht wie aus dem Film Transformers. Das Skelett ist das Werk des japanischen Robotik-Ingenieurs Reyes. Mit dem Skelett ist er zum Kunstfestival Ars Electronica nach Linz gekommen.
"Ich habe Roboter-Ingenieurwesen studiert und meine Firma macht Robotertechnologie. Aber jetzt bin ich hier, also vielleicht bin ich jetzt ein Künstler. Ich mag Wissenschaft und Kunst. Aber jeder sagt, das hier ist Kunst. Also wow..."
Computer imitieren menschliche Emotionen
Wo hört Kunst auf, wo beginnt Technologie? Auf der Ars Electronica, einem der wichtigsten Festivals für Medienkunst, Technologie und Zukunftsforschung, ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. Überall in der Linzer Altstadt zeigen Künstler, was derzeit in Kunst und Technologie möglich ist: Videoinstallationen, Spielereien wie das Roboterskelett von Reyes, Experimente, bei denen man sich mit 3D-Brillen in andere Menschen hineinversetzt und Computer, die mit dem Menschen Kontakt aufnehmen, manchmal auf ungewöhnliche Weise.
Ein Spiegel, vor dem man Grimassen schneiden kann. Der Spiegel erkennt Emotionen und wandelt diese in Klänge um. Lächeln? Stirnrunzeln? Aus Emotionen wird Musik, der Computer beginnt, uns zu verstehen, zu analysieren und unser Verhalten zu interpretieren.
Alles kann Kunst sein
Ist das noch Kunst? Oder schon Wissenschaft? Auf der Ars Electronica finden sich auch immer wieder Projekte, die eindeutig mehr Nutzen als Künstlerischen Wert haben: Das Internetlexikon Wikipedia zum Beispiel, in Linz wurde es 2004 mit einem Kunstpreis bedacht. Ein Lexikon als Kunst – kann dann nicht alles irgendwie Kunst sein? Die Kuratorin Genoveva Rückert:
"Genau so ist es. Und es ist auch ein Charakteristikum einer Kunst, die sich von der klassischen bildenden Kunst absetzt und in andere Bereiche geht. Man nennt das bei uns Crossover, vor allem natürlich in die Wissenschaft und in die Bioethik, das ist ein ganzer Zweig, die interaktive, hybride Kunst ist ja ganz stark auf Nutzen, auf User angelegt, Digital Communities, also die netzbasierten Projekte genauso. Und in Wirklichkeit ist es auch so, dass diese Wertung Kunst-nicht-Kunst wegfällt, weil es geht in dem Moment gar nicht darum."
Was bleibt von den Zukunftsvisionen der Ars Electronica? Die Wikipedia zum Beispiel. Heute ist sie das wichtigste Nachschlagewerk der Welt. In diesem Jahr könnte es das Projekt von Benedikt Groß sein, das sein kurzes Leben als Kunstwerk übersteht. Der 34-jährige Designer hat eine künstlerische Technik genommen und auf die Landwirtschaft übertragen: das Drucken.
"Man kennt ja die Satellitenbilder wie zum Beispiel von diesen Feldern in Kansas, die eigentlich schon so aussehen wie Pixelwälder, also sehr menschengemacht. Und ich habe mich dann gefragt, was sind denn die Mechanismen, mit denen man Landschaft schreiben könnte?"
Künstlerischer Wert und praktischer Nutzen
Groß fand die Mechanismen im Precision Farming: computergesteuerte Traktoren, die über riesige Ackerflächen fahren und zentimetergenau das Saatgut ausbringen. Genau wie ein Drucker, der die Farbe auf das Papier bringt. Daraus entwickelte er eine Technik, mit der er mit dem Saatgut Formen auf das Feld malen kann: den Umriss einer Ente, ein Smiley, oder einfach kleine Feldparzellen mit Wiesenkräutern dazwischen – so wie sie Kleinbauern früher bewirtschafteten.
Die Schönheit der Natur, sie hat hier nicht nur einen künstlerischen Wert: Die kleinen Parzellen sparen Pestizide und fördern die Artenvielfalt. Der Künstler als Retter der Welt – so sieht sich Groß aber nicht. Er will vielmehr mögliche Entwicklungen aufzeigen: eine Utopie, die vielleicht bald Wirklichkeit sein könnte.
"Es ist definitiv so, dass man dieses Equipment in ein paar Jahren kaufen kann und dass das in zehn bis 15 Jahren Normalität ist. Und das greift nur ein bisschen vorneweg, wie eine Landschaft aussehen könnte, wenn man unter solchen Gesichtspunkten das machen würde."
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