Die oberen zehn Prozent
Kunst zu kaufen ist Vertrauenssache - denn letztlich geht es oft auch um eine Kapitalanlage. Unser Kunstexperte Thorsten Jantschek hat auf der Kunstmesse Art Cologne erlebt, wie um die Preise für Kunstwerke gefeilscht wird - oder auch nicht.
"Für den Erstkäufer bei einer Galerie macht man nie einen Rabatt. Man muss sich schon kennen."
Der Direktor der Art Cologne Daniel Hug macht mir wenig Hoffnung:
"Einfach auf einen Galeristen zugehen, den man nicht kennt, wo man nie etwas gekauft hat, und sagen: Hey, kann ich das für die Hälfte haben? Nein, dann würde der Galerist wahrscheinlich umdrehen und weglaufen, wenn Sie so etwas fragen."
Der Galerist Gerd Harry Lybke von der Berliner Galerie Eigen und Art, ein Big Player im deutschen Kunstmarkt, der Künstler wie Neo Rauch vertritt, läuft nicht weg. Wir stehen vor einem herrlichen großen blauen Gemälde des Leipziger Malers David Schnell, eine zersprengte Landschaft ist da zu sehen:
"Der David Schnell kostet 110.000 Euro. Er ist einer der Maler, die in seiner Generation auch einer der wichtigsten Impulsgeber ist."
Aber feilschen, handeln oder auch nur ein kleiner Rabatt? – Fehlanzeige.
"Das ist hier glücklicherweise kein Autohandel. Wir sind der Meinung, die Preise, die wir gemacht haben mit dem Künstler gemeinsam, sind Preise, die sich über die Jahre entwickelt haben. Da gibt’s einfach keinen Rabatt, sondern es gibt einfach eine gute Arbeit und da brauchen wir Leute, die es einfach lieben. Das ist einfach so."
Kurze Zeit später ist Lybke vor genau diesem Gemälde intensiv im Gespräch mit einem Sammler aus dem Münsterland. Zum Deal ist es nicht gekommen, erzählt der Sammler Rudolf Lauscher:
"Wenn man ernsthaft interessiert ist, kann man durchaus mal den Preis ein bisschen variieren, auch die andere Seite fragen: Wie ist es denn, ist da noch etwas drin? Ich könnte mir vorstellen, zehn Prozent wäre drin. David Schnell ist letztlich nicht meine Hausnummer."
"Es kommt ganz selten vor, dass jemand den Preis bezahlt, der aufgerufen wird, in aller Regel handeln selbst Sammler, die man noch nie vorher gesehen hat, um mindestens zehn Prozent."
... bestätigt der Düsseldorfer Galerist Rupert Pfab.
"Und ich kenne keinen Galeristen, der darauf nicht eingeht. Bevor man den Fisch von der Angel lässt, verzichtet man lieber auf ein bisschen Umsatz, aber man macht den Umsatz, man geht runter mit dem Preis, das ist ganz normal. Mit Verlaub, die sind ja auch schon fast eingepreist, die zehn Prozent, das ist gängige Praxis bei allen Galerien. Es sei denn, es sind ganz hervorragende Sammler oder hervorragende Museen. Da kann man dann noch mal weiter runtergehen mit dem Preis, dann werden die Sachen aber auch öffentlich gezeigt oder wissenschaftlich bearbeitet oder in Katalogen publiziert. Die Künstler haben dann was davon und das ist ja auch für uns als Galerien gut."
Ja, was haben denn nun die Künstler von Rabatten?
In den sauren Apfel beißen
Zufällig begegne ich dem Schweizer Maler Uwe Wittwer, den ich sehr bewundere und dessen Ölgemälde im höheren fünfstelligen Bereich gehandelt werden:
"Da gibt’s natürlich Vereinbarungen, wie man das bespricht, also von meiner Seite her als Künstler ist es so: Der Galerist hat einen bestimmten Range von Prozenten, die er ohne Rücksprache mit mir eine Arbeit weggeben kann, und ansonsten nicht. Den Teil, der vereinbart ist, teilt man sich, und der Rest ist auf der Galeristenseite. Natürlich gibt’s Momente, bei denen man in den sauren Apfel beißen muss und sagen muss: Ja, das ist wichtig, wir geben die Arbeit. Bei großen institutionellen Sammlungen und zum Teil auch bei großen privaten Sammlern."
Trifft beides nun wirklich nicht auf mich zu. Trotzdem wird es jetzt Zeit, das Feilschen oder das Handeln selbst zu versuchen. Am Stand der Londoner Galerie Bartha Contemporary entdecke ich kleine Bilder, auf denen nur ein schwarzes Rechteck auf weißem Grund zu sehen ist, bis man erkennt, dass die weiße Fläche mit winzigen Bleistiftkalligraphien übersäht ist, als sei das eine Schrift. Leider ist der Künstler – der schottische Maler Alan Johnston – schon sehr etabliert. 5200 Euro will der nette Galerist Niklas von Bartha dafür haben. Und: Kann man da noch etwas machen?
"In der Regel ist es ja so, dass Händler gerne noch einmal zehn Prozent vorher draufschlagen, und dann ganz großzügig zu diesem leidigen Thema dann sagen: Ja, also ich gebe Ihnen gerne zehn Prozent. Wir haben ganz gezielt das nie gemacht, und bei diesen Preisen haben Sie ja den großen Vorteil, dass das Pfund so an Wert verloren hat, dass die Europreise sich im letzten Jahr um 15 Prozent verbessert haben. Also der Wechselkurs ist der Discount − Brexit macht britische Künstler noch billiger. Na, wir können 5000 Euro machen."
Machen wir aber nicht. 200 Euro sind nicht mal vier Prozent, Wechselkurs hin, Brexit her.
Nazi-Motive in Betonplatten
Vielleicht sollte ich nach junger Kunst suchen. Ich stolpere eher zufällig in einen ungewöhnlich ungemütlichen, aber total faszinierenden Raum. Betonplatten liegen da auf dem Boden herum, in denen Bildmotive aus Architekturzeitschriften aus der Nazizeit eingelassen sind. An den Wänden milchig weiße, fensterartige Bilder, in denen man schemenhaft Textiljalousien sieht, die so bedrohlich wirken, als müssten sich dahinter die Tragödien ganzer Reihenhaussiedlungen abspielen. Stefan Vogel heißt der Künstler, Jahrgang 1981.
"Das sind Baumwollstoffe, die eingelassen sind mit Parafin, Parafinharz."
… erklärt Tim Geissler von der Münchner Galerie Jahn und Jahn. Aber man muss doch hoffentlich nicht den ganzen Raum, der wie aus einem Guss wirkt, kaufen, oder?
− "Also es ist so, dass wir die Arbeiten, die hier an der Wand sind, einzeln verkaufen. Und der Boden kann nur geschlossen verkauft werden."
− "Was kostet denn so eine Arbeit aus der Jalousiereihe?"
− "Pro Stück 2900 Euro."
− "Ist da noch etwas zu machen?"
− "Bisschen."
− "Was heißt das?"
− "Maximal zehn Prozent."
− "Was kostet denn so eine Arbeit aus der Jalousiereihe?"
− "Pro Stück 2900 Euro."
− "Ist da noch etwas zu machen?"
− "Bisschen."
− "Was heißt das?"
− "Maximal zehn Prozent."
Und da sind sie dann wieder, die magischen zehn Prozent. 2900 minus zehn Prozent, das macht 2610 Euro, wäre doch gelacht, wenn ich so ein Fenster nicht für 2500 bekommen würde, denke ich, und schrecke im letzten Moment zurück, weil ich den Künstler nicht kenne und die Galerie eben auch noch nicht. Kunst zu kaufen ist am Ende doch Vertrauenssache, und eine Wette auf die Zukunft.
(cre)