"‚Maus‘ ist ein Versuch, das lesbar zu machen, was in anderen Formen gar nicht zu lesen wäre. Ein Versuch, die Erinnerung des Holocaust lebendig zu halten im Leseprozess dieses Comics."
Art Spiegelmans Comic "Maus"
Achtklässlern nicht zumutbar? Mit "Maus" hat Art Spiegelman, hier bei einer Lesung 2008 in Berlin, vom Holocaust in Comic-Form erzählt. © imago images/Brigani-Art/Bartilla
Die gestrichene Schullektüre wird zum Bestseller
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Art Spiegelmans Holocaust-Comic "Maus" wird in einem US-Schulbezirk vom Lehrplan genommen und daraufhin direkt zum Bestseller. Seit Längerem werde in den USA versucht, unliebsame Lektüre zu unterdrücken, sagt Comic-Experte Ole Frahm.
Der Holocaust-Comic "Maus" von Art Spiegelman ist den USA kurzfristig auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste gesprungen. Das Interesse an dem Comic-Klassiker war wieder erwacht, nachdem bekannt geworden war, dass "Maus" im McMinn County im Bundesstaat Tennessee als Schullektüre gestrichen wurde.
Der Schulbezirk hatte entschieden, Spiegelmans Comic aus dem Lehrplan für den Zeichenunterricht der achten Klasse zu nehmen. Die Behörde begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass Schimpfwörter wie "verdammt" in dem Werk vorkommen und eine nackte Frau zu sehen sei. Grundsätzlich sei nichts gegen das Unterrichtsthema Holocaust zu sagen, doch die Sprache in "Maus" sei nichts für Achtklässler.
Juden als Mäuse und Nazis als Katzen
Spiegelman erzählt in dem mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Comic die Geschichte seiner jüdischen Eltern im Polen der 1940er-Jahre. Dabei werden Juden als Mäuse und Nazis als Katzen gezeichnet.
"Das Besondere ist, dass sich jemand daran gemacht hat, eine Überlebensgeschichte als Comic zu erzählen", sagt Comic-Experte Ole Frahm, der seine Doktorarbeit über "Maus" geschrieben hat. Das habe es Mitte der 1970er-Jahre, als Spiegelman mit seinem Projekt begann, noch nicht gegeben.
Konservative Gruppen in den USA versuchen schon seit längerem Einfluss darauf zu nehmen, was Kinder lesen, sagt Frahm. Nicht nur Comics seien betroffen. Beispielsweise stehe auch der Roman "The Bluest Eye" von Toni Morrison auf der Liste der aus Schulen verbannten Bücher. "Ich fand, seit ich das gelesen habe, besonders besorgniserregend, dass der Begriff von Kunst, die etwas darstellt, das mir vielleicht nicht passt, dass der offenbar verschwindet."
Im Sinne Spiegelmans
"Der Versuch des Verbots hat das Interesse am Verbotenen geweckt", sagt Frahm. Das sei beruhigend, weil die Debatte jetzt anders geführt werden könne. Und wahrscheinlich sei es auch in Art Spiegelmans Sinne: "Spiegelman hat das nicht gemacht, weil er allen gefallen wollte. Der wusste, wenn er das im Comic macht, wird es schwierig."
(beb/AP/dpa)