Zählt das Tier mehr als der Mensch?
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Das größte Schutzgebiet Afrikas umfasst fünf Länder, in denen sich bedrohte Arten wie Elefanten, Löwen oder Nashörner frei bewegen. Die Tiere leben dort in direkter Nachbarschaft mit Menschen – und das führt zu Konflikten.
Im Morgengrauen öffnet Alphonce Sibelo seinen kleinen, selbstgebauten Ziegenstall. Der besteht aus nicht mehr als ein paar im Kreis angeordneten Dornbüschen und Ästen, ein schützendes Dach gibt es nicht. Die Tiere warten ungeduldig auf ihn, das hört er schon am Bimmeln der Glocken um ihren Hals, die Raubtiere abschrecken sollen. "Meine Ziegen haben die Nacht gut überstanden", meint Sibelo erleichtert. Denn das ist nicht immer so. Immer wieder fallen seine Tiere Löwen zum Opfer.
"Letztes Jahre sind acht meiner Tiere gerissen worden, vor drei Jahren ganze 26. Die Löwen kommen in der Nacht und sie sind clever. Sie warten ab, bis alles ruhig und dunkel ist. Dann schlagen sie zu: Sie springen in den Kraal und erlegen alle Tiere. Für sie ist das wie ein Spiel, ihre Jungen lernen so das Töten und sie bringen normalerweise mehr Ziegen um, als sie fressen können."
Alphonce Sibelo lebt in einem Dorf im Nordwesten Simbabwes, das an den Hwange-Nationalpark und private Wildreservate grenzt. Eine Gegend, die durch den Tod des Löwen Cecil vor vier Jahren Schlagzeilen gemacht hat. Ein amerikanischer Trophäenjäger hatte ihn auf heimtückische Weise erlegt. Ein Aufschrei ging damals um die Welt. Das Schicksal der Dorfbewohner dagegen empört die Öffentlichkeit weniger, oft ist es unbekannt.
"Vor zwei oder drei Jahren wurde hier ein Kind von einem Löwen angefallen. Der Junge war auf dem Weg zur Schule auf ein Rudel gestoßen, das auf dem Weg lag. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Ebenso ist es einem Mann gegangen, der frühmorgens auf seinem Feld in eine Elefantenherde geraten ist. Sie haben ihn getötet."
Dorfbewohner leben in Angst
Von ähnlichen Schicksalen können Menschen in der gesamten Region berichten. Etwa im Nachbarland Botswana: Auch dort leben Dorfbewohner in Angst vor Elefanten, gibt es Verletzte und Tote. Vor allem deshalb hat die Regierung das vor fünf Jahren zum Schutz der Dickhäuter verhängte Jagdverbot nun wieder aufgehoben. Zu Gunsten der Einheimischen, heißt es. Internationale Tierschützer laufen Sturm gegen diese Entscheidung, Alphonce Sibelo kann sie dagegen verstehen. Mit gerunzelter Stirn schaut der 60-Jährige auf die andere Straßenseite – dort beginnt das Schutzgebiet für die Wildtiere. Früher hätten die Ranger die Bestände noch im Griff gehabt, notfalls durch Abschuss, erzählt er. Damals sei der Park auch noch eingezäunt gewesen. Doch dann sind die Zäune verschwunden.
Aus Sicht von Anwohnern wie Sibelo haben die Probleme damit begonnen, für Artenschützer dagegen war es ein Erfolg. Tiere sollen sich frei bewegen können, ihre natürlichen Migrationsrouten nutzen. Das ist der Kern der Philosophie der "Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area", kurz KAZA, zu der auch diese Gegend zählt, sagt KAZA-Exekutiv-Direktor Nyambe Nyambe.
"In KAZA ist die Hälfte der gesamten afrikanischen Elefanten-Population zu Hause. Ein Viertel der Afrikanischen Wildhunde. Ein Fünftel der Löwen, die es auf unserem Kontinent noch gibt. Das Schutzgebiet erstreckt sich über 520.000 Quadratkilometer und ist damit fast so groß wie Frankreich. Es umfasst Wildreservate, Naturschutzgebiete, Agrarflächen aber eben auch Dörfer. Menschen und Wildtiere sollen hier – so das Ziel – in friedlicher Koexistenz leben. Es ist eine noble Idee: Es fördert den Austausch über die Grenzen hinweg, es bedeutet Bewegungsfreiheit für die Tiere aber auch eine sozioökonomische Entwicklung dieser ländlichen Regionen, etwa durch Tourismus oder nachhaltige Landwirtschaft. Die Menschen müssen einen Wert darin sehen, um mitzumachen."
Wann funktioniert Artenschutz?
Artenschutz ist nur dann möglich, wenn die einheimische Bevölkerung davon profitiert, so die Einsicht, die auch zunehmend bei internationalen Konferenzen Gehör findet. 2011 haben die fünf KAZA-Mitgliedstaaten – Simbabwe, Sambia, Botswana, Namibia und Angola – ihr Mammutprojekt mit einer Unterschrift besiegelt. Gefördert wird es unter anderem von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Millionen sind zunächst in den Aufbau von Strukturen und Infrastruktur geflossen. In einer dritten Phase geht es nun verstärkt um Projekte für Einheimische. Denn, dass es ohne die Unterstützung der Menschen vor Ort nicht geht, ist inzwischen Konsens.
Nur wenige Straßen von Sibelos Dorf entfernt, sitzt Liomba Mathe in der kleinen Forschungsstation des "Hwange Lion Research Project". Er brütet über den neuesten GPS-Daten, die zeigen, wo sich die Löwen des Nationalparks gerade herumtreiben. So wie damals auch Cecil tragen einige von ihnen Halsbänder mit Sendern. Die geben nicht nur Aufschluss über das Verhalten oder zeigen an, wenn ein Löwe in einer Falle von Wilderern feststeckt. "Sie sind auch für den Schutz der Dorfbewohner wichtig", betont Liomba Mathe. Wenn ein Löwe einer Siedlung zu nah kommt, wird Alarm geschlagen.
"Durch die Erforschung des Jagdverhaltens wissen wir nun auch, dass ein Löwe Sichtkontakt zu seiner Beute braucht. Er sieht die Tiere, wählt eines aus und greift an. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn wir den Sichtkontakt unterbrechen, unterdrücken wir auch den ersten Jagdimpuls. Aufgrund dieser Erkenntnis haben wir spezielle mobile Nachtquartiere für die Kühe und Ziegen der Dorfbewohner entwickelt. Planen verhindern, dass ein Löwe sie sieht. Ohne Sichtkontakt ist es schwierig für ihn, seinem Jagdinstinkt zu folgen, selbst wenn er seine Beute wittert."
Auch Alphonce Sibelo soll für seine Ziegen bald einen solchen Stall mit Sichtschutz bekommen.
"Ich finde diese Idee wirklich spannend. Das Konzept hat sich bewährt. Unsere Tiere sind dort tatsächlich sicher. Ein weiterer Vorteil ist, dass man diese mobilen Ställe umstellen kann. Näher ans Haus zum Beispiel oder auch aufs Feld. Während die Tiere dort nachts Schutz finden, düngen sie das Feld. Man muss den Dung nur noch unterpflügen. Das ist wirklich praktisch."
"Wer nach draußen geht, riskiert sein Leben"
Die neuen Schutzställe sind für den Kleinbauern ein erster Schritt in die richtige Richtung – auch wenn sie nicht alle Probleme lösen.
"Sobald die Sonne untergeht, müssen wir in unsere Häuser gehen und drinnen bleiben. Weil in ländlichen Gegenden, wie dieser, viele nur eine Außentoilette haben, heißt das auch, dass sie ihre Notdurft nachts in einem Eimer erledigen müssen. Denn wer nach draußen geht, riskiert sein Leben. Man kann jederzeit von einem Löwen oder Elefanten getötet werden."
Früher, räumt Sibelo ein, hätten hier allerdings auch noch weniger Menschen gelebt. Mit dem Bevölkerungswachstum nehmen auch die Konflikte mit den Wildtieren zu. Das ist weltweit ein Problem. Kühe und Ziegen überqueren vor allem in Dürrezeiten die Straße zum Schutzgebiet, um dort zu grasen. Leichte Beute für die Raubkatzen. Einheimische stellen Fallen, in erster Linie, um Antilopen zu fangen. Doch auch die vom Aussterben bedrohten afrikanischen Wildhunde oder ebenfalls gefährdete Löwen verfangen sich in diesen Drahtschlingen, erzählt Löwenforscher Liomba Mathe.
"Das kommt immer wieder vor und ist ein ernstes Problem. Teilweise sind das auch Vergeltungsaktionen, wenn wieder einmal Nutztiere gerissen wurden. Mit unseren Strategien haben wir den Konflikt entschärfen können. Das ist eine positive Entwicklung."
Der natürliche Lebensraum wird immer kleiner
Neue Zäune um den Nationalpark, die sich viele Einwohner zurück wüschen, sind für Mathe keine Option. Die Löwen-Population auf dem afrikanischen Kontinent schrumpft, nicht nur wegen der Wilderei, sondern auch weil der natürliche Lebensraum immer kleiner wird. Die internationale Artenschutzunion, IUCN, schätzt, dass es nur noch zwischen 23.000 und 39.000 erwachsene Tiere auf dem Kontinent gibt. Daher seien sichere Migrationsrouten zwischen den Nationalparks und Wildreservaten der KAZA-Region so wichtig, sagt Liomba Mathe.
"Diese Verbindungen sind unter anderem für die genetische Vielfalt bedeutend. Sie verhindern Inzucht. Wir beobachten regelmäßig, dass unsere Löwen aus Hwange ins Nachbarland Botswana wandern, um sich dort zu paaren. Im Zuge des KAZA-Projekts markieren wir diese Routen. Wir versuchen, sie sicherer zu gestalten und gleichzeitig die Lebensbedingungen der Menschen in der Region zu verbessern."
Die Stärke des KAZA-Projekts sind der Austausch und die Zusammenarbeit der fünf beteiligten Länder – Angola, Namibia, Sambia, Botswana und Simbabwe – von der Regierungsebene über Nichtregierungsorganisationen bis zu Forschungsprojekten. So bringt etwa die "KAZA Carnivore Conservation Coalition" Experten und Organisationen zusammen, die sich alle mit dem Schutz von Raubtieren beschäftigen. Kim Young-Overton führt diese Koalition an. Sie arbeitet für die internationale Tierschutz-Organisation "Panthera" und ist eine Expertin für Geparden. In Sambias Kafue-Nationalpark hat sie sich gerade mit der Anti-Wilderer-Einheit getroffen. Nun sitzt sie im Schatten der großen Bäume und erklärt, mit welchen Maßnahmen diese grenzüberschreitenden Migrationsrouten gesichert werden.
"Wenn die Tiere durch Gegenden kommen, die kein ausgewiesenes Schutzgebiet sind, kann man die Menschen dort vorher aufklären und warnen. Man kann ihnen auch etwas Geld zahlen, damit sie die Tiere ungehindert passieren lassen. Für die Wilderei-Bekämpfung ist es auch wichtig, diese Migrationsrouten zu kennen. Wenn beispielweise eine Gepardin mit ihren Jungen eine Gegend mit Farmen passiert, können wir ihr eine Art Bodyguard zur Seite stellen. Auch für den Tourismus können diese Routen interessant sein: Ganz in der Nähe könnte man Camps errichten und mit ihnen schaffen wir gleichzeitig eine sichere Zone für die Tiere."
Wo es Armut gibt, wird gewildert
Doch noch steckt die Umsetzung vieler Ideen in den Kinderschuhen. Auch weil es weiterhin Unterschiede zwischen den Nachbarländern gibt – etwa bei den Strategien gegen die Wilderei, bei der Gesetzgebung und beim Strafmaß. Wo es Armut gibt, wird gewildert. Dabei geht es nicht immer um den illegalen internationalen Handel mit Rhinozeros-Horn, Elfenbein, Löwenknochen oder Schuppentieren, sagt Kim Young-Overton.
"Die größte Gefahr für die Wildtiere hier in Sambia ist die sogenannte ´Bushmeat`-Wilderei, die direkt mit der Armut zusammenhängt. Pflanzenfresser wie Antilopen werden erlegt, um die Familie zu ernähren, oder zum Verkauf auf dem wachsenden lokalen Schwarzmarkt. Mit dem Erlös bezahlen die Leute dann oft ganz alltägliche Dinge, wie Schulgebühren oder Düngemittel. Denn viele Haushaltseinkommen liegen hier in der Region unter zwei US-Dollar am Tag. Für uns geht es also darum, andere Einnahmequellen zu erschließen. Jeder Job im Tierschutz oder im Tourismus ernährt bis zu 16 Familienmitglieder. Mittelfristig sollen Einheimische nicht nur in den Lodges arbeiten und sie beliefern, sondern verstärkt ins Management aufsteigen. So werden sie selbst zu Akteuren im Tourismus und Naturschutz."
Der Artenschutz muss sich für Menschen lohnen
Der Tierreichtum der Region darf nicht im Kontrast zur Armut der Einheimischen stehen. Der Artenschutz muss sich für sie lohnen. Sie müssen die natürlichen Ressourcen ihrer Heimat auch nachhaltig nutzen dürfen. Das ist die Haltung vieler afrikanischer Länder bei der internationalen Artenschutzkonferenz. Damit verbunden sind jedoch auch höchst umstrittene Positionen: Etwa der Ruf nach einer Legalisierung des Handels mit Rhinozeros-Horn, dem kontrollierten Verkauf von Elfenbein-Beständen oder der Trophäen-Jagd.
Mabele, ein Dorf im Norden Botswanas. Gepflegte Steinhäuser. Bescheidener Wohlstand. Kinder laufen die Straßen entlang, auf dem Weg von der Schule nachhause. Scheinbar sorglos, obwohl sie auch hier jederzeit wilden Tieren begegnen könnten. Denn Mabele ist eines der Dörfer in der sogenannten "Chobe Enclave". Umgeben von afrikanischer Wildnis. Der Übergang zum Chobe-Nationalpark ist fließend. Der Tourismus ist nach den Diamanten die wichtigste Einnahmequelle Botswanas. Das Konzept, dass die Einheimischen von der Natur und den Tieren um sie herum profitieren sollen, hat hier eine lange Tradition. Die Gemeinden werden anteilig an den Einnahmen aus dem Tourismus in ihrer Gegend beteiligt, ein Trust verwaltet und verteilt das Geld.
Bis vor fünf Jahren seien die Kassen noch voll gewesen, erzählt Trust-Mitglied Mpho Diyando. Dank der Trophäen-Jagd.
"Unter anderem sind Amerikaner hierhergekommen, um Elefanten zu jagen. Für uns war das ein millionenschweres Geschäft. Aber dann hat die Regierung es verboten. Für uns sind nur die Beteiligung an einer Lodge und andere kleine Projekte geblieben. Die Jobs sind begrenzt und die Dorfgemeinschaften haben seitdem nur noch etwa ein Sechstel der ursprünglichen Summe erhalten. Es ist ein herber Einschnitt."
Jagdverbot von Elefanten wird wieder aufgehoben
Doch mit diesen mageren Zeiten ist es bald wieder vorbei. Die Regierung wird das seit 2014 geltende Jagdverbot von Elefanten wieder aufheben. Die Bestände hätten sich erholt, heißt es in der offiziellen Stellungnahme. Mehr als 130.000 Elefanten soll es demnach in Botswana geben. Damit hätten auch die Konflikte zwischen Mensch und Tier dramatisch zugenommen. Tierschützer zweifeln diese Argumentation an und sehen in der Entscheidung eher ein politisches Manöver, um vor der Wahl im Oktober Stimmen der ländlichen Bevölkerung zu gewinnen. Mpho Diyando jedoch nickt zustimmend.
"Als hier noch gejagt wurde, haben wir nicht so viele Tiere gesehen. Aber jetzt sind sie überall. Sogar auf der Straße, was manchmal zu tödlichen Verkehrsunfällen führt. Regelmäßig zerstören Elefanten unsere Felder. Sie fressen sich hier satt und gehen dann über die Grenze nach Namibia, wo die Jagd erlaubt ist. Während sich die Leute da drüben also freuen, müssen wir hier leiden. Botswana ist ein kleines Land geworden: Die Tiere und Nationalparks haben einen Großteil bekommen, für Menschen ist nicht viel übrig geblieben. Nun haben sich diese Tiere auch noch so vermehrt, dass sie unter uns leben wollen."
"Zur Trophäen-Jagd gibt es keine Alternative"
Entsprechend erfreut ist Diyando darüber, dass Präsident Masisi jetzt neue Jagd-Lizenzen vergeben will. Maximal 400 Elefanten im Jahr sollen laut der umstrittenen Entscheidung für den kontrollierten Abschuss freigegeben werden. Über die Hälfte dieser Lizenzen soll an lokale Dorfgemeinschaften gehen. So werde der, so heißt es wörtlich, "wirtschaftliche Nutzen der Elefanten wieder hergestellt". Das komme sogar dem Artenschutz zugute, weil Einheimische wieder einen Grund hätten, die wertvollen Tiere etwa vor Wilderern zu schützen. Was paradox erscheint, macht für Diyando Sinn.
"Die Trophäen-Jagd ist eine gute Sache, sie kommt unseren Dörfern zugute. Wilderei ist natürlich schlecht. Denn diese Leute verkaufen das Elfenbein ja für ihren eigenen Profit, ohne, dass für uns etwas dabei herausspringt. Zur Trophäen-Jagd gibt es aus unserer Sicht jedoch keine Alternative."
Lukratives Geschäft mit geschossenem Wild
In vielen Nachbarländern ist die kommerzielle Großwildjagd nach bestimmten Quoten erlaubt. Eine gewisse Zahl an Tieren, darunter auch Elefanten und andere geschützte Arten, ist zum Abschuss freigegeben. Ausländer erhalten von ihren Heimatländern auch meist problemlos eine Einfuhrgenehmigung für ihre Trophäen. Es ist ein lukratives Geschäft, doch nicht immer profitieren auch Einheimische davon. Die Debatte zeigt, wie komplex der Artenschutz in der Praxis ist. Immer wieder beklagen afrikanische Länder, dass westliche Tierschützer diese Komplexität nicht begreifen und ihnen trotzdem Vorschriften machen wollen. In dieser Debatte liefert das ehrgeizige KAZA-Projekt wichtige Impulse: Denn es sucht nicht nach einer allgemeingültigen Formel, sondern eher nach maßgeschneiderten Lösungen. Und die müssen nicht kompliziert sein.
Rund 200 Kilometer entfernt, im Westen Sambias, liegt das kleine Dorf Sikuka. Die Häuser hier sind nicht aus Stein gebaut, sondern aus dem Lehm der Gegend, die Dächer strohgedeckt. Unübersehbar eine bitterarme Region, die Menschen leben von der Hand in den Mund. Auch sie hätten lange unter Elefanten gelitten, erzählt Kaumba Musenuho.
"Die Elefanten kommen vom benachbarten Nationalpark durch den Wald, um zum Sambesi zu gelangen und Wasser aus dem Fluss zu trinken. Vor allem in der Trockenzeit. Auf dem Weg haben sie oft die Pflanzen auf unseren Feldern zertrampelt. Wir haben Angst vor ihnen, aber wir wollen natürlich auch unsere Ernte retten. Also haben wir so viel Krach gemacht wie möglich und Trommeln geschlagen, um sie zu vertreiben. Aber das war nicht besonders wirksam."
Alternatives Konzept hilft Mensch und Tier
Die Felder wurden traditionell auf gerodeten Waldflächen angelegt, weil der Boden dort als fruchtbar gilt. Große Areale, einen strammen Fußmarsch vom Dorf entfernt. Auch zum Fluss mussten Frauen wie Kaumba Musenuho weit laufen, um Wasser zu holen. Doch das ist nun Geschichte, dank eines WWF-Projekts im Rahmen der KAZA-Initiative.
"Früher hat es uns viel Kraft gekostet, die Bäume zu fällen und die Felder anzulegen. Der Ertrag war trotzdem sehr gering. Der WWF hat uns dann mit dem Konzept der ‚conservation agriculture‘ bekannt gemacht. Dabei braucht man nur ein kleines Stück Land, das nicht im Wald sein muss. Man gräbt Löcher in den Boden, füllt sie mit Dung von den Kühen, mischt alles mit Erde und pflanzt seinen Mais da rein. Das ist einfacher und effektiver. Die Wege sind kürzer, die Elefanten kommen kaum noch in die Quere, weil sie weiter den Weg durch den Wald bevorzugen und wenn man es richtig macht, ist auch die Ernte viel besser als früher."
Auf einfache Weise sind hier mehrere Probleme auf einen Schlag entschärft worden: Die Dorfbewohner haben mehr zu essen, die Elefanten werden nicht mehr als Feinde angesehen, die Wälder nicht mehr gerodet. Auch wenn die Dorfbewohner hier noch nicht vom Tourismus profitieren und die Armut weiterhin groß ist, gibt dieses Beispiel doch Hoffnung, dass der Traum der KAZA-Gründer – eine friedliche Koexistenz von Mensch und Tier – in Erfüllung gehen kann.