Weltnaturgipfel

Wie retten wir die Artenvielfalt?

90:18 Minuten
Schneeleopard im Winterschnee.
Eine von vielen Arten, die durch den Menschen und seinen Umgang mit der Natur akut gefährdet sind: der Schneeleopard. © picture alliance / dpa / Zoonar / Lubos Chlubny
Moderation: Vladimir Balzer |
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Alle zehn Minuten verschwindet eine Tier- oder Pflanzenart für immer, eine Million Arten sind akut bedroht. Bei der Weltnaturkonferenz in Montreal geht es um nicht weniger als um unsere Lebensgrundlagen. Schaffen wir die Wende?
Der Schneeleopard oder der Wandernde Monarchfalter, das Moorveilchen oder das Flammende Adonisröschen – allesamt Arten, die vom Aussterben bedroht sind. Und das sind nur wenige der rund eine Million Tier- und Pflanzenarten weltweit, die es bald nicht mehr geben könnte.
Forscher sprechen vom „sechsten Massenaussterben“. UN-Generalsekretär António Guterres mahnte auf der Eröffnung der Weltnaturkonferenz in Montréal, die Menschen führten „Krieg gegen die Natur“.  Ziel der Konferenz, die noch bis zum 19. Dezember dauert: ein Artenschutzabkommen ähnlich dem Pariser Abkommen für den Klimaschutz.

Wir nutzen zu viele Ressourcen

„Die Welt brennt an allen Ecken und die Zeitfenster, noch etwas zu retten, werden immer kleiner“, sagt Dr. Christof Schenck. Der Biologe ist Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und hat gerade den Deutschen Umweltpreis 2022 für seine Bemühungen um den Artenschutz erhalten.
„Wir haben einen ökologischen Fußabdruck von 2,6, wir nutzen weitaus mehr Ressourcen, als wir selbst haben. Die Kosten für unseren Lebensstil tragen die Länder in der Tropenzone: Wir nutzen Palmöl aus Indonesien, Soja für unsere industrielle Tierhaltung. Deswegen hat alles, was wir in Deutschland tun, eine enorme Konsequenz", betont er.
Die Weltnaturkonferenz müsse die „dringende Trendwende“ bringen, so Schenck. „Sie muss den Rahmen setzen, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, mit und nicht gegen die Natur zu wirtschaften, und um geschädigte Natur wiederherzustellen.“

Auch die Artenkenner sterben aus

„Nur was man kennt, kann man schützen“, sagt Britta Linnemann. Die Biologin und Landschaftsökologin leitet die NABU-Naturschutzstation Münsterland. Ihre Erfahrung: „Nicht nur die Arten sterben aus, auch die Artenkenner.“
Deshalb hat ihr Team gemeinsam mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster das Verbundprojekt „KennArt“ entwickelt, eine bundesweite Initiative zur Ausbildung von Artenkenner*innen. Dabei lernen Interessierte, Tiere und Pflanzen zu bestimmen – und dieses Wissen weiterzuvermitteln.
Ihre Beobachtung: „Man sieht, dass sich ganz viele Arten schleichend verabschieden. Der Kiebitz zum Beispiel, eigentlich ein Allerweltsvogel, ist leider im Sturzflug – und das ist nur eine der vielen Feldvogelarten, die durch die intensive Bewirtschaftung bedroht sind. Da wächst kein Unkraut mehr, dadurch gibt es weniger Insekten – und die kleinen Küken verhungern.“
Aber jede und jeder Einzelne könne auch etwas für die heimische Artenvielfalt tun, so Linnemann: „Wenn man einen eigenen Garten hat, kann man eine kleine Ecke naturnah lassen, Brennnesseln stehen lassen, nicht düngen. Und einheimische Pflanzen anbauen, an die die Tierarten angepasst sind. Keine torfhaltige Blumenerde kaufen, denn Torf ist von der Klimabilanz her extrem schlecht. Und man sollte öfter zu regionalen und Bioprodukten greifen, weniger Fleisch essen.“
Ihre Mahnung: „Wenn wir das biologische Gleichgewicht nicht beachten, kriegen wir Probleme mit der Welternährung. Wir müssen auch unser Überleben damit sichern.“

Weltnaturgipfel – Wie retten wir die Artenvielfalt?
Darüber diskutiert Vladimir Balzer am 10. Dezember von 9.05 Uhr bis 11 Uhr mit Britta Linnemann vom NABU und Christof Schenck von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.

(sus)
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