Idee erschlägt Bilder
Figuren, die wie erstarrt sind, ein Regisseur, der in die Falle tappt und ein Film über Natur und Landschaft, der aber nicht die richtigen Bilder dafür findet: Hartwig Tegeler hat in den Arthouse Top Five der Woche viel Ambition, aber wenig gelungene Umsetzung entdeckt.
"Was der alles von mir wissen wollte. Scheiß-Franzosen. Und dann versteht man auch kein Wort. - Alle Regisseure sind Wichser."
Platz 5 - "Ex Machina" von Alex Garland
"Ich bin Caleb. Hast du einen Namen?"
Moment noch. Kommt gleich. Heute sind wir - was die Chronologie betrifft bei den Top-Five - ein wenig unordentlich. Natürlich - darauf haben Sie ein Anrecht! - erst nach reiflicher, gewissenhafter, gründlicher, ach was, minutiöser Überlegung. Mithin, jetzt erst mal ...
Platz 4 - "Die Augen des Engels" von Michael Winterbottom
Da ist die Geschichte der Amerikanerin, die ihre Kommilitonin in Italien umgebracht haben soll. Referenz: der Fall Amanda Knox. Da ist der Regisseur in Italien - Daniel Brühl -, der einen Film über diese Geschichte machen will, hier aber in tiefste Existenz- und Schaffenskrisen gerät. Referenz: die Höllenfahrt aus Dantes "Göttlicher Komödie". Wenn die Selbstrefenzialität im Film, also der Film im Film, also das Nachdenken über das Filmemachen im Film, zu aufdringlich wird, zu getragen, zu gewollt, dann neigt der Film dazu, in zwei zu zerfallen. Mindestens. Das ist dem aufregenden europäischen Filmemacher Winterbottom, dem Macher von "Code 46", "The Road to Guantanamo", "Trishna" oder "Das Reich und die Herrlichkeit" jetzt passiert mit "Die Augen des Engels". Leider. Fritz Langs Credo in Jean-Luc Godards Film "Die Verachtung" von 1963 - Selbstrefenzialität des Filmemachers und des Filmemachens pur...
"What great stuff do we see today, Fritz?"
(Fritz Lang:) "Jeder Film muss eine Idee klar zum Ausdruck bringen, Jerry."
Dieses Credo, das natürlich auch eines von Godard ist, es kann eine gehörige Falle sein, in die Winterbottom ebenso getappt ist wie ...
Platz 3 - "Die abhandene Welt"
... Margarethe von Trotta. Idee erschlägt Film. Idee erschlägt Bilder. Erschlägt Sinnlichkeit und lässt Film verdorren. Die Ensslin-Schwester in "Die bleierne Zeit", Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen in "Vision" oder Hannah Arendt - Frauenfiguren, die Barbara Sukowa bei von Trotta gespielt hat. Kraftvoll, lebendig. In "Die abhandene Welt" aber wirken die Figuren in dieser vertrackten Familiengeschichte wie erstarrt. Wie bei Winterbottom.
"Also, was ist? Ein Nein?"
Platz 2 - "Mein Herz tanzt" von Eran Riklis
"Ein Nein? - Angenommen! - Glückwunsch. Na wunderbar. Jetzt ist deine Zukunft gesichert. Du kannst studieren, was immer du willst. Du bist vielleicht der erste Palästinenser, der eine Atombombe baut."
Eyad, hochbegabt, wird an einer Eliteschule in Jerusalem angenommen. Eyad ist israelischer Palästinenser. Regisseur Eran Riklis drehte "Die syrische Braut" oder "Lemon Tree" oder "Zaytoun". Wie jetzt in "Mein Herz tanzt" reichen sich in Riklis´ Filmen Trauer und Komik, Absurdität und Grauen bei dem immer wieder im Mittelpunkt stehenden Konflikt zwischen Israelis und Arabern die Hand.
Über Eyad, seine Hauptfigur in "Mein Herz tanzt", sagt der Filmemacher Riklis im Gespräch mit dem Film-Dienst: Rund 20 Prozent der israelischen Bevölkerung sind Araber. Das wird oft verdrängt, weil ein Großteil außerhalb der Städte in kleinen Dörfern lebt, was die Ausgrenzung noch verstärkt. Dieser Rassismus innerhalb Israels ist ein Tabuthema. Sagt Riklis. Seit dem Gaza-Krieg nimmt der Hass auf beiden Seiten zu. Der Wahnsinn muss endlich aufhören, der Verstand sich durchsetzen. Sagt der Filmemacher. "Mein Herz tanzt" ist offensichtlich ein Beispiel, wo das Fritz-Langsche-Jean-Luc-Godardsche Credo aus "Die Verachtung"....
(Fritz Lang bei Godard:) "Jeder Film muss eine Idee klar zum Ausdruck bringen."
... nicht Falle, sondern Grundlage eines wunderschönen Films wird, in dem eine Idee die Figuren in die Kino-Lebendigkeit führt.
Erstaunlich, in wie vielen Filmen ... ja, wir kommen zurück zu Alex Garland ...
...Platz 5 ...
... und seinem wunderschönen Science-Fiction-Film "Ex Machina" jetzt an der Seite mit ...
Platz 1 - "Die Gärtnerin von Versailles" von Alan Rickman
... erstaunlich ist, wie häufig in Filmen die Landschaft Hauptdarstellerin ist und der Idee, von der Fritz Lang bei Godard spricht, einen sinnlichen, nicht machtvollen Ausdruck gibt. Das Kammerspiel zwischen dem jungen IT-Angestellten, der zusammen mit seinem Chef um die Frage ringt, ob Ava ...
"Freut mich, dich kennenzulernen, Ava. - Ich freue mich auch, dich kennenzulernen."
... diese sinnliche Roboterfrau eine künstliche eigenständige Intelligenz, in Klammern: und Erotik, besitzt, dieser Kampf findet statt in einer futuristischen Villa aus Beton, Glas und Stahl inmitten einer wilden Berglandschaft. Die Auseinandersetzung zwischen der unbeherrschbaren Natur und der Kontrolle von Natur mittels eines männlichen Schöpfergeistes ist der unausgesprochene, aber immer zu spürende Grundfluss dieses Films.
"Die Gärtnerin von Versailles" spielt im Kosmos der Gartenbaukunst von Ludwig dem Vierzehnten. Auch da ging es um die kultivierte Beherrschung der Natur. Als Zeichen der absolutistischen Macht. Doch Regisseur Alan Rickman findet für diese Idee, von der man spürt, dass sie seinen Film treiben sollte, leider keine Bilder. Ein Film, der Landschaft thematisiert, uns aber kein Gefühl für den Raum gibt. Tja, schade.