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Eine besondere Energie
Seit dem Urknall des Pop in den 60er-Jahren verschmelzen Musik und Kunst. Von den Beatles bis zu Pussy Riot: Musik kopiert Kunst und umgekehrt, beide zitieren und parodieren sich. Diese Begegnungen sind nicht immer unproblematisch. Doch wenn sie gelingen, entsteht eine besondere Energie.
Wir haben schon immer Bilder auch gehört und Musik auch gesehen. Und immer gelang bei dieser Verbindung auch eine Popularisierung, ein vereinfachter Zugang, das wechselseitige Verständlich-Machen. Mit Modest Mussorgsky lernten wir die akustischen Bilder einer Ausstellung zu sehen. Wie wir später mit Pablo Picasso lernten, auf die Malerei zu hören.
Aber in der Zeit der Pop Art und in dem, was sich aus ihrem Urknall in den sechziger Jahren entwickelte, änderte sich noch einmal das Verhältnis zwischen Malerei und Musik. Es ging dabei nicht nur darum, Hochkunst und Massenkultur durcheinander zu wirbeln, sich gegenseitig nach Herzenslust zu zitieren und zu parodieren und zusammen ein großes Fest mit Sex & Drugs & Rock'n'Roll zu feiern.
Es ging vielleicht auch darum, etwas wirklich Neues zu erschaffen. Vielleicht war, was in Andy Warhols Factory geschah, eben nicht nur die nächste angesagte Kunstrevolution. Sondern tatsächlich das utopische Projekt eines neuen kulturellen Amalgams aus Kunst und Pop, Film und Musik, Performance und Lebensform.
Die Kunst musste raus aus dem Getto der Akademien, der Museen und der gepflegt langweiligen Diskurse. Und Pop wollte raus aus dem Getto der Teenager-Industrie, wollte sich befreien von der Macht der Produzenten und Medienmogule.
Kunst wollte wieder jünger werden, sexy und zornig. Und Pop wollte erwachsener werden, kreativer und revolutionärer.
So hoffte man, sich in der Mitte zu treffen. In den Galerien, in den Clubs und auf der Straße. Und nicht zuletzt ging es darum, nicht mehr auf ein Medium festgelegt zu sein.
Kunsthochschulen als Nährboden fürs Crossover
Die Kunsthochschulen in Amerika und in England, mit einer gewissen Verzögerung und mit gewissen Einschränkungen schließlich auch in Deutschland, wurden in den sechziger und siebziger Jahren zu einem fruchtbaren Nährboden für das Pop- und Kunst-Crossover.
Was die Beziehung zwischen Pop und Kunst so spannend machte, das war, dass es dabei nie allein um eine ästhetische Befruchtung oder um neue Vermarktungsformen ging. Mehr noch ging es um eine neue Politik des Ästhetischen. Und um die Suche nach einer neuen Art zu leben.
In Deutschland, genauer gesagt in der Bundesrepublik, vollzog sich diese innige Verbindung von Kunst und Pop erst zu Beginn der achtziger Jahre. Zuvor waren die Pop-Avantgardisten des Krautrock und der Elektronik eher aus den Musikhochschulen gekommen, wenn sie nicht vollständig auf einen akademischen Hintergrund verzichten konnten, und die Kunsthochschulen waren heftig mit der schwierigen Auflösung ihrer patriarchalen Strukturen beschäftigt.
Banalisierung und Pose
Bürgerliche Kultur und popular culture, Kulturindustrie und Underground, Kunstbetrieb und Rock'n'Roll-Zirkus – die Beziehung zwischen Pop und Kunst ist offensichtlich fruchtbar und spannend, aber auch prekär und widersprüchlich. Zu den Gefahren, die überall auf diese sozusagen natürlichen Verbündeten lauern, gehören die Banalisierung, der wechselseitige Verrat, die Reaktionen des Marktes auf Bilder, auf künstlerische Ereignisse wie auf Musik.
Und dazu gehört auch ein Mainstreaming der Verbindung, das Weiterleben der Allianz von Pop und Kunst lediglich als Pose. Popstars stellen ihr neues Album im MoMa oder auf der Art Basel Miami vor, Top-Künstler gestalten Plattencover ...
Am Ende mag man sich fragen, ob die Beziehung zwischen der Sängerin Lady Gaga und dem Künstler Jeff Koons so etwas wie eine Fortsetzung, eine Parodie oder doch nur eine kommerzielle Nachinszenierung von Andy Warhol und seinen Popmusik-Mitstreitern ist.